Wer ist Violet Park? - Jenny Valentine [ab 14 J.]

  • Kurzbeschreibung
    Es kommt nicht oft vor, dass der 16-jährige Lucas Swan Freundschaftenschließt. Er ist lieber für sich, denkt nach, grübelt herum. So ist es für ihn ein richtiges Ereignis, als er sich mit Violet Park anfreundet, denn Violet ist - tot. Und Lucas rettet ihre Urne. Das erste Mal hörte Lucas von Violet in einem kleinen Minicar-Büro, mitten in der Nacht. Ihre Überreste stehen in einer Schachtel auf einem Regal. Allein die Tatsache, dass sie einmal gelebt hat und nun bis in alle Ewigkeit in einem verräucherten Büro stehen muss, setzt Lucas so zu (mal davon abgesehen, dass er eine Nanosekunde glaubt, sie würde ihn aus der Urne heraus um Hilfe anrufen), dass es für ihn zu einer Mission wird, herauszukriegen, wer diese Frau war. Was er erfährt, lässt ihn sein eigenes Leben besser verstehen.



    Meine Meinung


    Was eine Urne uns über das Leben verrät!


    Die Inhaltsbeschreibung zu "Wer ist Violet Park?" lässt zunächst eine leicht spirituell angehauchte Geschichte vermuten. Ein Junge findet eine Urne und plötzlich nimmt er die Gedanken und Wünsche einer Toten wahr. Nun - das klingt schon ziemlich skurril. Und irgendwie ist es das Buch auch tatsächlich, aber auf eine vollkommen andere und charmante, keineswegs abgedrehte, Weise.


    Lucas findet besagte Urne mit den sterblichen Überresten von Violet Park in einem Taxi Büro. Er muss ständig an sie denken und schließlich gelingt es ihm, die Urne ins Haus seiner Großeltern zu schaffen. Doch durch diese Urne bzw. Lucas Nachforschungen nach Violet Park, kommen immer mehr Verknüpfungen und Zusammenhänge in der Verworrenheit von Lucas' Familienverhältnissen zum Vorschein. Einer Familie, in der der Vater schon seit Jahren spurlos verschwunden ist und die dessen Verschwinden nie wirklich verarbeiten konnte.


    Das Buch ist von Gedanken über den Tod, das Altern und die Einsamkeit geprägt. Über all das macht sich Lucas mit seinen gerade mal 16 Jahren so einige Gedanken. Da vieles in der Familie unausgesprochen bleibt, entwickelt er die verschiedensten Fantasien, weshalb wohl alles so für ihn gekommen ist, wie es eben ist.


    Sehr authentisch ist auch die Sprache dieses Buches. Sie ist jugendlich, frisch und leicht und vermittelt dann doch wieder, mit einer angemessenen Ernsthaftigkeit, die verschiedenen Probleme, die Lucas und seine Familie betreffen.
    Natürlich hat das Buch auch fröhliche Abschnitte, die durch einen eigenwilligen, aber sehr angenehmen, Humor geprägt sind.
    Die liebevolle Erzählweise und Lucas' beindruckende Persönlichkeit haben mich sofort für dieses Buch eingenommen. Selten gelingt es einem Autor seine Figuren so glaubhaft und liebenswert darzustellen, trotz all der kleinen Macken, die ja jeder Mensch hat. Genau diese geben dem Buch die nötige Echtheit.


    Für mich war es wirklich ergreifend und anrührend zu lesen, wie sich die ganze Geschichte nach und nach auflöst und plötzlich in eine ganz andere Richtung driftet, als anfangs vermutet. Nachdenklich und sehr klug - dabei aber niemals langweilig - erzählt Jenny Valentine diese Geschichte und man mag kaum glauben, dass das alles nur erfunden ist. Ihr ganzes Herzblut scheint in diesem Buch zu stecken.


    Ich denke, dass dieses Buch sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene sehr lesenswert ist. Empfehlen würde ich es aber frühstens ab 14 und dann auch nur, wenn der Jugendliche jemanden hat, mit dem er über dieses Buch sprechen kann. Immerhin konfrontiert die Geschichte doch sehr direkt mit dem Tod, den Gründen dafür und auch dem Gefühl der Einsamkeit und des Verlassenseins.


    Ein wunderbares, tragisches und dennoch komisches Buch, das man einfach lieben muss.


    Über die Autorin
    Jenny Valentine arbeitete als Goldschmiedin, studierte Englische Literatur und arbeitet heute in einem Bio-Laden in Primrose Hill. Während ihrer Kindheit zog sie alle zwei Jahre um und hat bis heute diese Gewohnheit nicht aufgegeben. Sie ist mit einem Sänger und Liedtexter verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Debüt ›Wer ist Violet Park‹ wurde hoch gelobt und vielfach ausgezeichnet.

  • OT: Finding Violet Park 2007



    Einen knapp sechzehnjährigen Protagonisten gemeinsam mit einer Urne voller Aschenreste einer Verstorbenen an die Spitze der Besetzungsliste eines Romans zu setzen, verspricht eine Geschichte der besonderen Art. Das ist exakt das, was Jenny Valentine in ihrem Debütroman liefert, und das, ich sage es gleich, keineswegs nur für Jugendliche.


    Als Lucas Swain, so richtig geschafft nach einer langen Nacht mit einem Schulfreund, um fünf Uhr in der Frühe in das Büro der Taxi-Firma stolpert, will er eigentlich bloß nach Hause. Todmüde kann aber auch zugleich ein Zustand eines seltsamen Hellwachseins sein und in ebendiesem Zustand entdeckt Lucas die Urne auf einem Regal des Büros. Tatsächlich beschließt er in diesem Moment bereits, herauszufinden, was es mit der Urne auf sich hat, aber das merkt er nicht richtig. Er ist zu erschlagen und noch dazu mit einem ganz anderen Problem beschäftigt. Sein Vater ist fünf Jahre zuvor spurlos verschwunden, keiner weiß, was aus ihm geworden ist.


    Dieses Trauma hat das Leben der Betroffenen völlig durcheinandergebracht. Lucas, seine Mutter Nicki, die ältere Schwester Mercy und der kleine Bruder Jed, der seinen Vater nie kennengelernt hat, versuchen seither jede und jeder auf eine eigene Weise, mit dem Gefühl des Verlassenwordenseins fertig zu werden. Jedes Familienmitglied hat einen eigenen Weg gefunden, nur zusammengefunden haben sie bislang nicht. Sie leben nebeneinander, eingekapselt in den Schmerz, die jeweils für sich gefundene Bewältigung fast eifersüchtig hütend, voller Ängste vor Veränderungen und einem echten Neuanfang.


    Die Entdeckung der Urne bringt Lucas dazu, sich Schritt für Schritt von seinen Fantasien über seinen verschwundenen Vater, von denen er sich längst beherrschen läßt, zu lösen. In dem Maß, in dem er seiner Neugier auf die Tote nachgibt, wird es ihm möglich, die anderen Mitglieder seiner Familie richtig wahrzunehmen und neu einzuschätzen. Die Ablösung geschieht zunächst behutsam, wird dann aber zu einer rasanten Schreckensfahrt, weil Lucas feststellen muß, daß sein Vater die Tote gekannt hat. Indem Lucas das Leben von Violet Park erkundet, erkundet er auch das Leben seines Vaters. Was er dabei herausfindet, ist alles andere als positiv. Aber es wird zu einer Befreiung, für Lucas und die ganze Familie. Und für Violet Park.


    Es geht bald nicht nur um das Verschwinden eines Vaters, sondern um Beziehungen zwischen den Generationen überhaupt. Es geht um Eltern, Ersatz-Eltern, Kinder und Ersatz-Kinder. Es geht um Liebe, vor allem um die Liebe zu sich selbst und wieviel man bereit ist aufzugeben, um das zu bekommen, was man für Glück hält. Im zweiten Teil wird dieser Roman sogar zu einem regelrechten Krimi.


    Lucas erzählt ein wenig schnoddrig, aber präzise. Man ist nach wenigen Sätzen schon dahinter gekommen, daß hier jemand herumflachst, der tief unglücklich ist und sich dabei verzweifelt bemüht, den Kopf oben zu behalten. Violets Urne wird zu Lucas’ Rettungsanker, kurz bevor er endgültig untergeht. Lucas ist eine beeindruckende Schöpfung.
    Die anderen Personen, von den Großeltern bis zum kleinen Bruder sind wunderbar charakterisiert und voller Leben. Obwohl das Buch mit seinen vielleicht 190 Seiten recht kurz ist, läßt sich die Autorin Zeit für jede und jeden. Sie beherrscht die Kunst der Skizze und der winzigen Farbtupfer überaus gut. In den Dialogen sitzt jedes Komma. Lucas’ Anschauungen und Kommentare über das Leben wie über den Tod sind eine gelungene Mischung aus kindlich und reif, naiv und weise, frech und respektvoll.


    Die Handlung ist voller überraschender Einfälle, Violets Hintergrund etwa, aber auch die Geschichte von Lucas’ Großeltern. Lucas’ Liebesgeschichte ließ mich zuerst befürchten, daß der Topf nun zum Überlaufen kommt, aber die Autorin schaffte es auch hierbei mit bewundernswertem Geschick, den Deckel auf dem Topf zu halten.
    Natürlich endet eine im Grund so überdrehte Geschichte mit einem Knalleffekt. Das Donnern hallt einer noch lange nach Beendigung der Lektüre in den Ohren. Welchen Schluß man letztendlich zieht, bliebt der Leserin überlassen. Das macht diese Tragik-Komödie dann nahezu perfekt.


    Ebenso gut getroffen wie die Geschichte ist das Cover. Das karierte Papier, das an ein Schulheft erinnert und darauf die Kugelschreiberkritzeleien, hingeschmiert und zugleich komponiert, willkürlich und zugleich gezielt, chaotisch, mit zugleich klaren Konturen, rätselhaft, obwohl nicht wenige Details leicht zu erkennen sind. Gefühlswirrwarr, Lebenswirrwarr. Lucas’ Empfindungen und zugleich die der Leserinnen und Leser.
    Ein tolles Buch.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Habe dieses nette kleine Buch gerne gelesen.
    Ein Buch über die Geühlswelt eines 15-jährigen,
    über Verlust, Tod, Verlassen-sein, ...
    Und trotz des eigentlich traurigen Hintergrundes,
    hat es Witz, Charme und einige Überraschungen in der Hinterhand.
    Empfehlenswert!

  • Als der 16 – jährige Lucas Swain in einem kleinen Minicar – Büro die Urne von Violet Park findet, weiß er noch nicht, dass diese Begegnung sein Leben verändern wird und es einen Zusammenhang zu seiner Vergangenheit gibt.
    Nachdem sein Vater vor fünf Jahren verschwunden ist, ist seine alleinerziehende Mutter depressiv und lässt ihre Wut an Lucas und seinen beiden Geschwistern aus.
    Lucas streift von da an immer umher auf der Suche nach seinem Vater.
    Bei einem dieser Streifzüge findet er Violet Parks Urne und ist sofort fasziniert. Er versucht daraufhin deren Identität und Geschichte herauszufinden.
    Jenny Valentine erzählt in „Wer ist Violet Park?“ auf unterhaltsame und flüssig geschriebene Weise die Geschichte des 16 – jährigen Lucas Swain, der durch das Verschwinden seines Vaters zum Einzelgänger wurde.
    Am Anfang ist die Geschichte um Lucas und die mysteriöse Violet Park eher unspektakulär, was sich aber im weiteren Verlauf ändert.
    Die komplette Handlung gewinnt an Tiefgang und macht nachdenklicher.
    Ein schön zu lesendes Büchlein mit verschiedenen Facetten.


    4 von 5 Sternen!

  • Eigentlich kann ich mich all dem Lob zu diesem Buch nur anschliessen. Ein interessantes Thema, das dazu durchaus mit viel Witz und Humor dargebracht wird. Das Interview von Lucas mit seinem kleinen Bruder war wirklich gut und wird auch richtig im Interviewstil widergegeben :grin


    Allerdings fand ich die erste Haelfte des Buches doch etwas arg schleppend zu lesen. Fuer 100 Seiten oder so passiert erstmal sehr sehr wenig. Da besteht doch bei vielen jungen Lesern auch die Gefahr des Abbrechens. Meine Tochter und ich sind dem nur haarscharf entronnen. Haette sie es nicht zuerst gelesen und bis zum Ende geschafft, haette ich es beiseite gelegt.


    Das Durchhalten lohnt sich, aber es waere besser gewesen auch in der ersten Buchhaelfte etwas mehr Action zu finden.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • 1. der Einband ist toll gestaltet: wie eben die Kritzeleien sind,
    mit denen man zu Schulzeiten seine Hefte "verschönt " hat
    2. die Geschichte ist ungewöhnlich
    3. die Charaktere sind interessant ausgestaltet
    4. das Ende ist ungewöhnlich


    tolles Buch..

  • Dieses Buch habe ich eigentlich nur gelesen, weil es hier ziemlich penetrant rumlag. Mal fand ich es in der Sofaritze, dann auf dem Klo, plötzlich lag es dann auf dem Küchenbücherhaufen. Und weil ich glaubte, mich dunkel entsinnen zu können, dass Pause es sehr gut fand, habe ich das als Aufforderung aufgefasst, mich auch mal damit zu beschäftigen.


    Und nun, tata, kann ich mich endlich mal wieder der Mehrheitsmeinung anschließen: "Wer ist Violet Park?" ist ein tolles Buch!


    Und dabei ist es eigentlich alles andere als heiter. Denn so ziemlich jedes Unglück, das einem Menschen im Laufe seines Lebens so zustoßen kann, passiert der einen oder anderen Figur in diesem Buch: krank, depressiv, dement werden, etwa, oder auch sterben. Und weil Sterben noch nicht schlimm genug ist, kommt es für Violet Park noch dicker: sie steht gestorben in einer Urne im Regal einer schmuddeligen Taxizentrale.
    Was sich aber als skurril schwarzhumorigen Auftakt anhört, stellt sich am Ende als vollkommen schlüssigen, ja fast zwangsläufigen Beginn einer Reihe dramatischer Ereignisse heraus.
    Damit sind wir schon bei einer der großen Stärken dieses Buches: es ist eben doch heiter, allerdings ohne das ganze Unglück, das in diesem Buch passiert, zu verniedlichen oder sich gar darüber lustig zu machen.
    Im Gegenteil, Lucas vergesslicher Großvater, seine depressive Mutter, selbst die zickige Schwester, alle werden ernst genommen, mit ihren zugegeben recht lustigen Macken.


    Die Sprache ist wohltuend, ja was, dicht? präzise? Jedenfalls wird nicht viel herumgelabert. Zum Beispiel der schlaganfallgeplagte Großvater: wir erfahren nicht wie er aussieht, was er trägt, was er noch denken kann, sondern wenige Szenen und Situationen lassen ein überaus lebendiges Bild von diesem Mann, der schon in seiner eigenen Welt lebt, entstehen. Und das gelingt Valentine mit jeder einzelnen Figur.


    Wohltuend ist auch das vollständige Fehlen irgendeines erhobenen Zeigefingers. Denn obwohl eigentlich alle Figuren zum Teil eklatante Schwächen haben, geht es nicht darum, diese Schwächen zu überwinden, sondern damit zu leben. Ebenso wie mit Krankheit und Tod. Und das finde ich für ein Jugendbuch eine sehr fortschrittliche Botschaft.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)