Evelyn Heeg - Oben ohne - Die Entscheidung zu leben

  • Über den Autor
    Evelyn Heeg, geboren 1975, studierte in Ludwigsburg und Freiburg Chemie, Mathematik und Biologie. Seit 2000 arbeitet sie als Lehrerin an verschiedenen Schulen bei Freiburg.


    Kurzbeschreibung
    Evelyn ist jung und gesund, sie hat einen guten Job und führt eine glückliche Ehe mit Tino. Doch über ihrem Leben liegt ein Schatten. Wie lange können die beiden ihr unbeschwertes Leben noch führen? Gemeinsam Sport machen, eine Familie planen oder einfach in den Tag hinein leben - nur noch eine Frage von wenigen Jahren oder gar Monaten?
    Ihre Mutter, zwei Tanten und eine Großtante teilen ein Schicksal: Sie alle starben sehr jung an Brustkrebs. Nach einem Gentest weiß Evelyn, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls bald an Brustkrebs erkranken wird. Und es gibt nur eine Möglichkeit, das enorme Krebsrisiko fast komplett zu reduzieren. Evelyn trifft als junge und gesunde Frau eine radikale Entscheidung: Sie lässt sich vorsorglich das Brustgewebe entfernen.


    Meine Meinung
    Evelyn weiß relativ wenig über ihre Familie. Sicher, die Mutter ist jung an Brustkrebs gestorben. Die Oma leidet ebenfalls an Krebs und wird voraussichtlich nicht mehr lange leben. Aber erst durch ausführliche Gespräche mit ihr, durch die sie sich erstmals ernsthaft mit der Familiengeschichte auseinandersetzt erfährt Evelyn, wie viele Frauen in ihrer Familie bereits durch Brustkrebs gestorben sind.


    Sie verdrängt das noch ein wenig, will das bis 30 aufschieben, doch ihr Partner bekommt es mit der Angst zu tun und recherchiert fleißig über den aktuellen Stand der Wissenschaft in Sachen familiärer Vererbung von Brustkrebs. Die Ergebnisse sind beunruhigend, ab ca. Mitte Dreißig steigt die Gefahr sprunghaft an und der vererbte Krebs scheint ungemein aggressiver zu sein als der „normale“ Krebs.


    Evelyn kann ihre Oma dazu überreden, einen entsprechenden Bluttest zu machen um festzustellen, ob sie als Überträgerin des Brustkrebsgens in Frage kommt. Dies ist nicht einfach, denn die Großmutter hat drei ihrer vier Töchter durch Krebs verloren, leidet selbst daran und würde das Thema am liebsten verdrängen. Doch viel zu lange schon wurde über das Thema „Krebs“ in der Familie geschwiegen.


    Doch die lange Wartezeit, bis die aufwendigen Tests durchgeführt wurden und die Ergebnisse vorliegen, zehren an Evelyns Psyche, dazu kommt auch, dass sich ihr Mann selbständig gemacht hat und vorerst noch wenig verdient. Ihr eigener Job schlaucht sie auch: sie ist noch in den Anfängen ihrer Lehrerlaufbahn und kann noch keinen fertigen Unterricht „aus dem Hut zaubern“, dazu kommen täglich 180 km Fahrt… Schlafstörungen und ein Burn-Out sind die Folge. Eine psychosomatische Reha hilft ihr, wieder zu sich selbst zu finden und ihr den zu gehenden Weg aufzuzeigen…


    Brustkrebs ist ein Thema, das Frauen beschäftigt und ängstigt, die die Brust der Frau eigentlich DAS Weiblichkeitssymbol schlechthin ist und der Verlust der Brüste oft mit einem Verlust der Weiblichkeit gleichgesetzt wird.


    Die Entscheidung, sich als – noch! – gesunder Mensch vorsorglich beide Brüste amputieren und künstlich (durch Eigengewebe oder Silikon) wieder aufbauen zu lassen, ist daher keine einfache. Vor allem, da diese Operationen ja auch aufwendig, schmerzhaft und kompliziert sind. Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen scheint auch noch nicht eindeutig geregelt zu sein – ein weiterer belastender Faktor.


    Doch diese Operation kann eine Entscheidung fürs Leben sein, denn trotz massiver Vorsorgeuntersuchungen kann es bei Entdeckung dieser speziellen Krebsart, die sehr schnell wächst, bereits zu spät sein.


    Unverständlich blieb mir hier das Schweigen, das sich wohl aus Kummer und Betroffenheit über die Familie gelegt hat: Hier ist Reden die einzige Chance – je mehr man über die einzelnen verstorbenen Familienmitglieder weiß, desto größer kann die Chance fürs eigene Überleben sein.


    Vor den Operationen kam mir die Autorin oft sehr dünnhäutig vor – nach den Operationen hat sie zwar auch schlechte Phasen aber ich empfand ihren Schreibstil als viel positiver und lebendiger. Ich denke, sie kann nun endlich wieder aufleben, nachdem das Damoklesschwert nun nicht mehr direkt über ihrem Haupt, sondern deutlich höher hängt. Allerdings ist sie sich natürlich der Tatsache bewusst, dass sie nach wie vor einer Risikogruppe angehört und öfters zu Vorsorgeuntersuchungen muß.


    In einigen Passagen kommt auch ihr Partner Tino zu Wort, was mir gefallen hat, da man so auch die Sicht des Partners erleben konnte.


    Ein sehr interessantes und teils auch informatives Buch! Ich habe es sofort weggelesen wie nix und interessanterweise habe ich heute morgen zeitgleich einen interessanten Bericht dazu bei Stern Online gefunden: hier entlang!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich habe auch gerade heute einen Bericht über die Autorin und über dieses Buch in einer Zeitschrift gelesen.


    Eine sehr schwere Entscheidung, die sie da getroffen hat. Brustkrebs ist auch ohne die vererbte Form eine der tödlichsten Krebsarten; bis er bemerkt wird, hat er oftmals schon so weit gestreut, dass es zu spät sein kann. Meine Tante ist an Brustkrebs gestorben, und das war eine lange und sehr harte Strecke für alle.


    Ich habe das Buch zwar nicht gelesen, habe aber einen großen Respekt vor der Autorin. Weil sie diese Entscheidung für sich getroffen hat und weil sie darüber berichtet.

    Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seinen Boden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.
    (Hermann Hesse)

  • Ich denke auch, daß das Buch wichtig ist, denn diese Entscheidung, sich als (noch) gesunder Mensch diesen Operationen und den entsprechenden Folgen zu unterziehen, ist sicher nicht einfach.


    Dazu kommt wohl, daß auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ein schwieriges, noch nicht eindeutig geregeltes Thema ist.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zitat

    Original von Batcat
    Dazu kommt wohl, daß auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ein schwieriges, noch nicht eindeutig geregeltes Thema ist.


    Von so einer negativen Kostenentscheidung habe ich auch schon im Bekanntenkreis gehört. Es scheint fast zynisch, wenn die Kassen von fehlender Indikation ausgehen und dafür lieber das Kostenrisiko einer langwierigen und teuren Krebsbehandlung eingehen. :-(

  • Ja, vor allem wenn die Mutation nachgewiesen wurde und so feststeht, daß eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Krebs ausbricht (ich meine, es waren 80% - aber ich habe die Zahl nicht mehr im Kopf).


    Der "ererbte" Krebs ist ja ungemein aggressiver als der "herkömmliche" - und das war auch ein Schreckensszenario, das der Autorin enormes Kopfzerbrechen bereitete: Sie stellte sich vor, heute bei der Krebsvorsorge gewesen zu sein... und quasi ab morgen fängt ein Tumor zu wachsen an. Gerade bei dieser aggressiven Krebsart könnte dann ein halbes Jahr ungestörtes Wachstum bis zur nächsten Kontrolle (es ist ja nicht gesagt, daß man ihn bis dahin schon selbst ertasten kann...) schon zu spät sein.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Meine Mutter hatte Brustkrebs und meine Oma Väterlichseits - da bin ich natürlich auch vorsichtig, allerdings lebe ich auch mit der Einstellung, ich kann das jetzt nicht mein Leben davon bestimmen lassen.
    Wenn es natürlich so gravierend in meiner Familie wäre, das alle Frauen an Brustkrebs sterben, dann würde ich mich auch testen lassen.. wie dann die Entscheidung aussehen würde weiß man ja nicht, das kann man immer erst sagen, wenn es soweit ist..