Das Glasperlenspiel 1 & 2 - Hermann Hesse

  • Inhalt
    Hesse wählt für seinen Roman einen anonymen Berichterstatter, ein Ordensmitglied der Glasperlenspieler, der das Leben des Meisters Josef Knecht erzählt.
    In der fiktiven Provinz Kastalien werden begabte Knaben in Eliteschulen unterrichtet und erzogen, um später entweder in den Orden der Glasperlenspieler aufgenommen zu werden, oder das hohe geistige und moralische Niveau durch ein entsprechend vorbildliches Leben in die Welt hinaustragen.
    Das Glasperlenspiel ist ein Spiel mit den geistigen Inhalten und Werten unterschiedlicher Kulturen, wobei der Musikwissenschaft eine besonders wichtige Rolle zukommt. Ziel ist es, die wissenschaftlichen Disziplinen in allen nur erdenklichen Varianten zu einer harmonischen Einheit zu verbinden. Dazu ist fächerübergreifendes Denken erforderlich, das den Sinn des menschlichen Geistes für das große Geheimnis des Lebens in seiner Universalität schärfen soll.
    Der 12jährige Josef Knecht wird in einer Eliteschule Kastaliens ausgebildet und erzogen. Er fügt sich problemlos in den Orden, deren Mitglieder sich zu Besitz- und Ehelosigkeit verpflichtet haben und erreicht schon in jungen Jahren die höchste Stufe der Hierarchie, indem er, ohne dies angestrebt zu haben, zum Magister Ludi gewählt wird.
    Am Ende des 1. Bandes hegt Knecht erstmals Zweifel am Sinn und Ziel seines Lebens. Er findet an seinem Amt keine Freude mehr, fürchtet um den Fortbestand Kastaliens und hat Sehnsucht nach der ihm unbekannten "normalen" Welt.
    Mit Hilfe eines ehemaligen Studienkollegen gelingt ihm zwar die Flucht aus seinem bisherigen Leben, aber es soll ihm auch nicht beschieden sein, in der anderen, der realen Welt, Fuß zu fassen.
    Das Buch endet mit verschiedenen Schriften des Magister Ludi, Gedichten und drei erfundenen Lebensläufen aus verschiedenen Zeitaltern.


    Meine Meinung
    Hesses Streben nach Einheit, nach Frieden und Harmonie jenseits aller Religionen, muss sicher vor dem zeitlichen Hintergrund gesehen werden (er begann die Arbeit an diesem Roman 1931 und veröffentlichte ihn 1943 in der Schweiz), doch überwiegt der mystische und philosophische Anteil in seinem Alterswerk für meine Begriffe allzu sehr.
    Die Fantasieprovinz Kastalien ist ein künstliches Gebilde, in dem rein geistige Werte vorherrschen und die Meditation einen sehr hohen Stellenwert einnimmt. Die Ordensmitglieder können sich ein Leben lang jedem beliebigen Studium widmen, wie nutzlos und weltfremd es auch immer sein möge. Kein Kastalier muss seine Zeit jemals mit der Ausübung eines Handwerks vergeuden. Wie dies wirtschaftlich möglich sein soll, verrät der Autor nicht, doch läßt er durchblicken, dass die Provinz Kastalien vor Konflikten mit der "normalen" Welt nicht verschont blieb.
    Mich mit Hesses fremdartiger Gedankenwelt anzufreunden, fiel mir nicht leicht, und ich konnte für dieses Fantasiegebilde nur wenig Sympathie aufbringen. Die tiefschürfenden philosophischen Hintergrundinformationen waren mir zu langwierig und hemmten meinen Lesefluss zeitweilig sehr.
    Außerdem übte die Figur des Josef Knecht keine Faszination auf mich aus. Er war mir von Anfang an zu glatt geschliffen, ein Charakter ohne Ecken und Kanten, ohne Zweifel und menschliche Schwächen, ein Wesen wie aus einer anderen, rein geistigen Welt. Keine pubertären Höhen und Tiefen konnten sein Seelenleben erschüttern, keine erste Liebe ihn aus dem Gleichgewicht bringen, kein ungeliebter Lehrer seinen Widerspruch erwecken. Sogar seine späteren Probleme mit seinem Amt kamen mir künstlich und konstruiert vor. Welche Seelenkämpfe hatte er denn auszustehen? Woran ist er denn letztlich gescheitert? Das alles schildert Hesse nicht so, dass es mich gepackt, dass ich mit Josef Knecht hätte leiden und hoffen können.
    Außerdem war mir Hesses Stil, den ich sonst sehr mag, diesmal zu gehoben. Diese Ausdrucksweise eignet sich tatsächlich vor allem für eine philosophische Lebensbetrachtung.
    So muss ich abschließend feststellen, dass mich weder Sprache noch Inhalt begeistern konnten. Obwohl sich pures Lesevergnügen nicht einstellen wollte, ist im "Glasperlenspiel" dennoch Hesses Genie spürbar, sodaß die Punktevergabe aus der Würdigung desselben resultiert.


    Edit: Andere ISBN eingesetzt, die zum richtigen Titel führt. LG JaneDoe

  • Ich kann mich leider nicht mehr an Details erinnern, weil es bei mir zu lange her ist. Aber, das weiß ich noch, ich fand das Buch wunderbar. Und die Grundaussage, der Unterschied zwischen via activa und contemplativa, und daß man da nicht trennen sollte, das fand ich sehr eingänglich.
    Dies nur als - leider vage - Gegenstimme.

  • Sorry, Bell, den Autor habe ich glatt in den Titel zu schreiben vergessen. Die Arbeitswoche war wohl zu anstrengend.
    In dieser Ausgabe gibt es einen 1. und einen 2. Band, also nicht 2 Teile in einem Band, sondern es sind wirklich 2 Bücher.


    Grisel
    Mich haben Hesses Gedanken und vor allem Charaktere in diesem Roman leider nicht ergriffen. Aber vielleicht habe ich in letzter Zeit zu viel von ihm gelesen. Seine Grundaussage ist letztlich doch immer dieselbe. Der indische Lebenslauf aus dem "Glasperlenspiel" hat mich sehr an Siddhartha erinnert.
    Und ich denke, mit diesen Wiederholungen geht er mir inzwischen auf die Nerven. Muss wohl mal eine längere Pause einlegen.

  • Grisel
    Wenn man mit Hesses Gedankenwelt zum erstenmal konfrontiert wird, ist sie durchaus faszinierend. Und ich mag dieses ganzheitliche Denken, das er vertritt, auch sehr.
    Allerdings ist mir das Mystisch-Philosophische im Glasperlenspiel zuviel geworden, und wenn mich dann die Figuren auch nicht faszinieren und der Stil nicht begeistert, wird es problematisch.
    Da wird nur noch eine gewisse Distanz zu Autor und Werk helfen.

  • Großen Respekt vor jedem, der mit dem Buch "Das Glasperlenspiel" auch nur annähernd etwas anfangen kann! :anbet Ich habe das Buch vor ein paar Jahren von meiner Schwester geschenkt bekommen (weiß der Himmel, was sie sich dabei gedacht hat :grin) und seither steht es dekorativ in meinem Regal. Ich bin nicht über 8 Seiten hinausgekommen, weil ich nichts verstanden habe. :bonk

  • Zitat

    Original von Frühlingswiese
    Ich bin nicht über 8 Seiten hinausgekommen, weil ich nichts verstanden habe. :bonk


    Versuche nicht krampfhaft, es zu verstehen.


    Lass es einfach auf dich wirken.


    Mich hat das Buch fasziniert.

    Man sollte nichts auf morgen verschieben, wenn man es genausogut auch übermorgen erledigen kann. (Mark Twain)

  • Es fällt mir ziemlich schwer, was zu dem Roman zu schreiben beziehungsweise ich hoffe meine Gedanken werden bei dem Tippen klarer und ich kann meine Empfindungen in Worte fassen.
    Ich kann mit Sicherheit sagen, dass mir das Buch gut gefallen hat, aber es bleibt der Eindruck, dass ich es oder seine Aussage nicht im Ganzen erfassen konnte. Vielleicht liegt es daran, dass ich noch nicht viel von Hesse gelesen habe , vielleicht fehlt mir auch einfach noch Erfahrung, ich weiß es nicht.


    Aber um das Buch zu beurteilen, muss man es wohl eh am besten in drei Abschnitten einteilen. Zum einen ist da die Einleitung, dann die eigentliche Lebensgeschichte Knechts und dann als letztes Gedichte und ausgedachte Lebensläufe von Knecht.


    Die Einleitung fand ich ziemlich theoretisch und trocken und dadurch recht schwierig zu lesen, aber nicht uninteressant. Ich musste mich aber sehr konzentrieren und einige Passagen auch mehrmals lesen. Aber trotzdem erinnerten mich Hesses Schilderungen des „feuilletonistischen Zeitalters“ stark an unsere heutige Zeit und der daran geübten Kritik konnte ich in weiten Teilen auch zustimmen.


    Leichter zu lesen war dagegen die Lebensbeschreibung von Knecht selbst im Hauptteil. Sie ist sehr flüssig geschrieben in einem schönen Stil, bei dem ich das Gefühl hatte, dass jedes Wort an dem für ihn perfekten Platz sitzt. Allerdings bin ich mit der Person Knecht an sich nicht wirklich warm geworden, sie blieb immer distanziert. Er wird mir einfach –bis auf den Schluss- zu perfekt dargestellt, alle mögen ihn, er ist schon früh was Besonderes, hat keine Fehler oder auch nur Macken.


    Aber am schwierigsten war für mich der letzte Teil. Mit Gedichten kann ich sowieso nicht oft was anfangen, und so fiel es mir auch hier schwer ihnen etwas zu entnehmen. Bei einigen Gedichten kann ich mir zwar vorstellen, welche Situation in Knechts leben sie widerspiegeln, aber mehr auch nicht. Die Lebensläufe dagegen waren für sich interessant zu lesen. Aber es fällt mir schwer diese in Bezug zu Knecht zu setzen.


    Insgesamt hat mir das Buch aber wirklich gefallen, auch wenn das bisher vielleicht anders klang. Es ist sehr philosophisch angelegt und regt einem zum Nachdenken an.

  • Liebe Isiera, schön, dass Du so eine schöne Rezi zu unserer Leserunde geschrieben hast.
    Ich sitze auch schon die ganze Zeit und überlege, was ich schreiben kann ohne was zum Inhalt zu verraten.


    Vieles stimmt einem sehr nachdenklich. Das Glasperlenspiel ist ein Buch, welches man nicht einfach so mal lesen kann. Man braucht Zeit und Muse (und das nicht nur wegen der ellenlangen Sätze). So den ein oder anderen Schachtelsatz musste ich 2x lesen.


    Bei der Bewertung schwanke ich zwischen 6-8 :gruebel und gebe Hesse 7 Punkte für sein Werk. :wave

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Ich kann eigentlich nur jedem Mut machen, der mit dem Glasperlenspiel anfangen möchte: Die Einleitung ist furchtbar zäh, aber ist man da erstmal durch, wird es wesentlich besser und interessanter.
    Ich kann persönlich mit dem frühen Hesse wesentlich mehr anfangen - besonders Unterm Rad finde ich toll, aber Demian ist auch gut. Dementsprechend ist das Glasperlenspiel eher nicht so mein Fall. Ja, ohne Frage, es ist faszinierend geschrieben, wie gewohnt bei Hesse. Dennoch, aus ausnahmslos allen anderen Hesse-Büchern die ich bisher gelesen habe, habe ich mehr mitnehmen können als aus diesem - und das auf einer wesentlich höheren Seitenzahl. Aber: Die Stimmung, die in dem Buch rübergebracht wird, ist ziemlich geheimnisvoll und faszinierend und allein dafür lohnt es sich meiner Meinung nach, es zu lesen.

    "Ich bin dreimal angeschossen worden – was soll man da machen." (Robert Enke)


    "Accidents" happen in the dark.

  • Die Einleitung fand ich -wie einige andere hier auch- ziemlich zäh und habe ehrlich gesagt die zweite Hälfte auch nur überblättert. Als die Handlung danach richtig losging, las es sich schon angenehmer. Nichtsdestotrotz war mir vieles zu weitschweifig, zu ausholend-philosophisch. Da gerade ich leider leicht ins Überfliegen.


    Das Szenario, das Hesse in dem Buch beschreibt, hat mich dagegen positiv überrascht - von der Gründung von Kastalien nach einem der Weltkrieg über die Blütezeit hin zum drohenden Fall der Bildungs-Elite. Auch war das Leben von Knecht mit seinen (Um)Entscheidungen für mich gut nachvollziehbar.


    Sicherlich ein Buch, das man in einigen Jahren noch einmal lesen und neues daran entdecken kann.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Ich lese das Glasperlenspiel jetzt zum zweiten Mal. Manches war mir vom ersten Mal noch gut in Erinnerung, manches gar nicht.
    Die von manchen als zäh empfundene Einleitung fand ich höchst interessant in der Beschreibung des feuilletonistischen Zeitalters. Die gibt doch jede Menge Denkanstöße.


    Fasziniert war ich auch von der Idee von der von der "normalen" Welt isolierten Bildungseinrichtung, wenn sie mir auch utopisch erscheint. Es ist ein wohltuender Gegensatz einer Welt, in der Schüler die Möglichkeit haben, ohne Zeitdruck sich mit Themen befassen zu können, bei denen keiner fragt, wozu das denn im späteren Leben nützlich ist, zu der heutigen Bildungslandschaft, in der es nur noch darum geht, in möglichst kurzer Zeit das in die Schüler hineinzupressen, was für die Wirtschaft von Nutzen ist.


    Natürlich kann man mit der Hauptperson wegen seiner Perfektheit nicht so warm werden. Aber es geht hier doch meines Erachtens um ein ideales, utopisches Bildungssystem, da sind natürlich auch seine Hauptpersonen utopisch.


    An Hesse gefällt mir immer wieder, wie er Menschen mit den verschiedensten Lebensläufen und -entwürfen beschreibt, die sich gegenseitig achten, voneinander lernen und sogar Lebensfreundschaften schließen können.

  • Ich habe das Glasperlenspiel in den letzten Jahren zweimal angefangen und muss gestehen, ich habe es nach 70 oder 80 Seiten jedesmal aufgegeben. Was mich, außer diesem fast krampfhaften Streben nach Vollkommenheit störte, war die Unterwürfigkeit des Schülers, die fast einer Anbetung des Lehrers glich. Ich bin sehr sprachverliebt und liebe Hesse sonst sehr, vor allem wegen seiner leidenschaftlichen Sehnsucht nach dem Guten und Vollkommenen und seiner Poesie. Aber dieses Buch nimmt mich nicht wirklich mit. Es ist mir zu verkopft. Ich will aber trotzdem versuchen, es zu lesen, vielleicht packt es mich ja dann.

  • Zitat

    Original von leselampe
    Was mich, außer diesem fast krampfhaften Streben nach Vollkommenheit störte, war die Unterwürfigkeit des Schülers, die fast einer Anbetung des Lehrers glich.


    Ich habe weder etwas Krampfhaftes noch eine Unterwürfigkeit empfunden.

    Zitat


    Es ist mir zu verkopft. Ich will aber trotzdem versuchen, es zu lesen, vielleicht packt es mich ja dann.


    Ich kann nicht behaupten, dass es mich "gepackt" hat. Auch beim zweiten Mal war es anstrengend. Aber es gefällt mir, muss aber nicht jedem. Also zwing dich nicht.