Lesezwänge // Bücherfolter
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Zitat
Original von Manuela2205
Give me five!
Da kann ich mich wirklich anschießen!
Ich schaue vor dem Kauf oder Beginn des Lesens immer auf die Gesamtseitenzahl. Mitten auf einer Seite aufhören zu Lesen könnte ich auch nicht, da muss erst eine neue Seite oder ein Absatz kommen. -
Mir fällt da auch nur ein mir selbst auferlegter Zwang ein: Ich brauche Kapitel zum Lesen! Das wird mir in meinem aktuellen Buch sehr deutlich, denn "Die Rückkehr der Eskatay" hat keine Kapiteleinteilung und ich geh' bald drauf dabei! Ich brauche das einfach, dass alle 20 Seiten mal eine fett gedruckte Überschrift kommt und ich mich darauf einstellen kann, dass jetzt etwas anderes kommt.
In der Schule hatte ich die für mich lesetypischen LKs, Englisch und Deutsch, und in beiden Fächern haben die Lehrer es geschafft, aus dem ein oder anderen Autoren ein schwarzes Schaf zu machen. Ich mache seit Jahren einen weiten Bogen um Thomas Mann, nur weil man mich mal durch die Buddenbrooks gequält hat und das einfach ein grausames Erlebnis war. Die Seitenzahl war erschlagend, selbst für einen Leistungskurs. Und wenn einem dann das Thema nicht sonderlich liegt, geht das schief.
Eine Vorliebe konnte ich hingegen innerhalb dieser aufgezwungenen Bücher für die Werke Shakespeares entwickeln. Da hat selbst die Lehrerin es nicht geschafft, ihn mir auszutreiben. Dafür hat sie es auf der anderen Seite dazu gebracht, dass ich um Bücher über Frauenschicksale heute in vielen Fällen einen weiten Bogen mache. Das haben wir bis zum Erbrechen behandelt und irgendwann konnte ich diese Titel einfach nicht mehr sehen. -
Frage: Gibt es typische Körperreaktionen beim Zwangslesen?
Steena sprach von "Erbrechen", bei hestia2312 stellten sich die "Nackenhaare" auf und Lucy1987 spürt einen "Druck im Nacken". Ist also die Magengegend und der Nacken das Schmerzzentrum des Leseleidens? Wo juckts euch bei der Pflichtlektüre?ZitatOriginal von Bell
Das nicht-drüber-hinweg-lesen muss m.E. nicht einmal mit Respekt zu tun haben - wenn ich ein Buch freiwillig lese, dann will ich ja auch, dass es sich mir erschließt, wenn mich das Buch so wenig reizt, dass ich mir gar keine Mühe geben will, wenn es kompliziert oder auch mal langweilig wird, dann ist das Buch eben nichts für mich.Ja Bell, manchmal stellen sich aber auch Erfolgserlebnisse ein, wenn man durchhält, obwohl es kompliziert und langweilig scheint, denn auch Bücher haben ihre Höhen und Tiefen oder gewinnen erst von den späteren Seiten her ihre Qualität.
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Ich glaube bei "Pflichtlektüre" traf bei mir die Ausdrucksweise "Druck im Nacken am ehesten zu...
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Etwas lesen müssen ging bei mir noch nie! Egal wie gut das Buch sein mag, wenn ich es lesen muß, geht bei mit garnichts, dann lehne ich es ab! Zum Glück ist mir das seit der Schule nicht mehr passiert.
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Leserunden entwickeln sich hin und wieder zu lesezwängen, aber ich bin schul- und uni-gestählt: ich kau mich durch das zäheste buch, das dauert meisstens ob des unwillen länger, und weil ich meisst zwischen 5 und 15 bücher nebeneinander lese, ziehen sich zwangsbeglückte bücher in die länge, wenn's gar nicht mehr geht, lese ich quer...
ärgerlich ist hier auch wieder das posten: denn wenn man sich über ein buch ärgert, oder es etwa besonders fruchtbar war, verliert man nochmal soviel zeit beim ausformulieren seiner gedanken; aber wenn man sich keine gedanken zur lektüre macht, und diese nicht mit jemandem teilt, der das buch auch gelesen hat, braucht man gleich gar nicht lesen...
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In Adalbert Stifters Erzählung "Die Narrenburg" findet sich auch das Motiv der aufgezwungenen Lektüre:
“Jeder (...), dem die Burg als Erbschaft zufiel, mußte(...) zweierlei Dinge leisten: erstens mußte er schwören, daß er getreu und ohne geringsten Abbruch der Wahrheit seine Lebensgeschichte aufschreiben wolle, und zwar von der Zeit seiner ersten Erinnerung an bis zu jener, da er nur noch die Feder zu halten im Stande war. Diese Lebensbeschreibung solle er dann Heft für Heft, wie sie fertig wird, in dem feuerfesten Gemache hinterlegen, das zu diesem Zwecke in den roten Marmorfels gehauen war, der sich innerhalb der Burg erhebt; – zweitens mußte er schwören, daß er sämtliche bereits in dem roten Steine befindlichen Lebensbeschreibungen lesen wolle, wobei es ihm aber nicht gestattet ist, irgendeine von dem Gemache ihrer Aufbewahrung wegzutragen."Kennt ihr vielleicht auch Bücher, in denen vom Zwangslesen gesprochen wird? Das würde mich sehr interessieren.
Gruss Timo -
Wenn ich die Antworten hier so lese, komme ich mir mit meinen internen Lesezwängen ja recht einsam vor. Also ich kenn das, dass man auch ohne einen äußeren Zwang ein Buch zu Ende liest, auch wenn ich nicht muss. Ist hohl, zugegeben, und trotzdem tu ich's, obwohl ich's ganz genau weiß. Manchmal wird das Buch dann schneller gelesen, aber so ganz abbrechen, das "wage" ich so gut wie nie.
Ich überlege gerade, was die Ursache dafür ist. Ich glaub, es ist zum einen für die persönliche Statistik der bereits gelesenen Bücher. Zum andern vielleicht so eine absurd-irrationale Haltung "Ich lass mich von deinem schlechten Stil nicht aufhalten, ich schaff dich schon!"
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Ich habe für mich auch festgestellt, dass Leserunden nichts für mich sind, ich möchte lieber alleine lesen. Nach Beendigung des Buches tausche ich mich aber sehr gerne mit anderen aus.
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Lesezwänge/ Bücherfolter sind bei mir schon 30 Jahre vorbei und dabei bleibt es auch.:winkt
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@ Annorra
Ich weiß, dass einige Menschen Klassikerlektüre nicht abbrechen können oder gar einige Seiten überblättern können, weil sie meinen, sie verpassen etwas. Ich persönlich glaube ja nicht, dass ich so schrecklich viel verpasst habe, als ich die 100. bis 120. Seite Schlachtbeschreibung bei Tolstoi überblättert habe. Aber einige sind der Überzeugung, dass einem mit solch einem Leseverhalten der Sinn eines gesamten Buches entschwindet.Schlechten Stil mag ich nicht - so ein Buch fliegt schlimmstenfalls hochkant durch die Gegend. (Naja, meistens kann ich mich beherrschen und bring es zur Bib. ;-))
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Manchmal stört mich dieser innere Lesezwang an Leserunden auch. Am Anfang war das alles kein Problem, aber mittlerweile melde ich mich immer häufiger wieder ab, weil es einfach nicht geht und ich lieber was anderes lesen möchte. Dann gibt es aber auch wieder Bücher, bei denen ich unheimlich gerne in der Leserunde teilnehme, wie jetzt Der Joker von Markus Zusak.
Zum Glück gibt es ja immer die Option sich auch wieder abmelden zu können... am schwierigsten ist es auch immer bei Leserunden zu denen ich das Buch noch gar nciht habe... sind es welche zu SuB-Büchern von mir, dann kann ich mich eher aufraffen und doch mitlesen. -
Zitat
Original von Annorra
Wenn ich die Antworten hier so lese, komme ich mir mit meinen internen Lesezwängen ja recht einsam vor. Also ich kenn das, dass man auch ohne einen äußeren Zwang ein Buch zu Ende liest, auch wenn ich nicht muss. Ist hohl, zugegeben, und trotzdem tu ich's, obwohl ich's ganz genau weiß. Manchmal wird das Buch dann schneller gelesen, aber so ganz abbrechen, das "wage" ich so gut wie nie. Ich überlege gerade, was die Ursache dafür ist. Ich glaub, es ist zum einen für die persönliche Statistik der bereits gelesenen Bücher. Zum andern vielleicht so eine absurd-irrationale Haltung "Ich lass mich von deinem schlechten Stil nicht aufhalten, ich schaff dich schon!"So einsam musst du dich mit deinen Lesezwängen gar nicht fühlen. Ich jedenfalls verspüre ähnliche Zwänge. Bei mir: aus statistischer Eitelkeit? Behauptungswillen? Die Germanistenkrankheit, gegen Bücher analytisch anzurennen? Trotzdem bleibt bei mir die Lust nie auf der Strecke. Aber Lesen heisst bei mir auch Arbeit, die erst richtig Freude macht, wenn man auch ein bisschen schwitzt.
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Nun ja, bei einigen Schullektüren oder bei denen an der Uni hab ich mich teilweise doch arg gequält und hätte sie am liebsten in die Ecke gefeuert. Vor allem auch dieses ewige Zerkauen hat einem dann den restlichen Spaß daran verdorben.
ZitatOriginal von Leserättin
Und jetzt les ich, was mir gefällt und was mir nicht gefällt, das geht dann eben ab zu Tauschticket oder ebay, wieso sollte ich mich zwingen, ein Buch zu lesen, das mir keine Freude an der Lektüre bereitet?
Das kann ich nur unterschreiben!! -
Timo
Ein Ex-Freund von mir hat sehr häufig den Ausdruck Lesedisziplin gebraucht. Er war der Meinung, dass man sich beim Lesen ruhig ein bisschen plagen darf. Erst dann hat man nach beendeter Lektüre ein Erfolgserlebnis und darf ruhig auch ein wenig stolz auf sich sein.Von ihm habe ich diese Einstellung übernommen. Als ich noch jung war, habe ich Bücher bei Nichtgefallen auch öfter ohne schlechtes Gewissen abgebrochen. Das kommt jetzt nur mehr vor, wenn ich so wenig verstehe, dass ich das Buch auch auf chinesisch lesen könnte.
Ich kenne also das Gefühl des Quälens durchaus, aber auch das anschließende Erfolgserlebnis, weil ich hin und wieder im Kaufrausch doch Bücher erwerbe, die meine Erwartungen leider nicht erfüllen.
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Ich hab mich gerade durch Dorothy Dunnetts "Caprice and Rondo" gequält, House of Niccolò 7. Mit den Nicco-Bänden verbindet mich eine Art Hassliebe. Einerseits finde ich toll, wie DD schreibt, wie sie falsche Fährten legt und wie komplex die Geschichte ist, und außerdem will ich endlich wissen, wie es ausgeht, was ich ja erst im letzten Satz vom Epilog des 8. Teils erfahren werde. Andererseits mag ich Lymond einfach lieber als Nicholas bin ich jedes Mal froh, wenn ich ein Buch der Reihe durch habe und erstmal etwas Schlichteres lesen kann.
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Zitat
Original von BelleMorte
Meine Lesezwänge: ich muß vor dem Lesen immer nachsehen, wie viele Seiten das Buch hat und ich muß Kapitel zu Ende lesen oder auch Abschnitte. Außerdem muß ich ständig nach Büchern spechten.Ha, dass mach ich auch Ich lese auch immer kapitelweise. So ist mir das noch gar nicht weiter bewusst geworden. Ich hab es halt immer gemacht...
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Liebe Büchereulen,
ich habe bisher mit viel Interesse eure Beiträge verfolgt. Spaßeshalber habe ich angefangen, eine kleine (nicht ganz ernst gemeinte :-]) Typologie der Zwangsleser zu entwerfen. Sie ist natürlich noch nicht komplett. Vielleicht habt ihr ja Verbesserungsvorschläge oder weitere Ideen. Erkennt sich der eine oder andere wieder? Viel Spass beim Lesen:
1. Der PFLICHTLESER :heul: er quält sich bei der Pflichtlektüre, die von den Bildungsinstitutionen vorgeschrieben wird. Er leidet vor allem unter dem ewigen Zerkauen der Texte. Häufige Folgewirkung: gewisse Autoren und Bücher werden ihm ein Leben lang verleidet.
2. Der LESE-STATISTiKER :schnaps: er quält sich mit reizlosen Büchern ab, um eitel seine persönliche Lesestatistik zu erhöhen. Die Seitenzahl ist ihm heilig.3. Der LESE-TROTZKOPF :beleidigt: er bietet dem Buch Trotz wie einem Gegner. Seine Parole: "Ich lese Dich, Buch, gerade weil du mich daran hindern willst. Du kriegst mich nicht klein. Ich bin stärker als du."
4. Der READ&WORKAHOLIC :boxer: Lesen ist für ihn Arbeit. Er steht unter dem Zwang, ununterbrochen lesend arbeiten zu müssen. Nur wenn er beim Lesen schwitzt, empfindet er Stolz und Freude. Später klopft er sich selbst auf die Schulter, weil er durchgehalten hat mit seiner Lektüre.
5. Der LESE-PEDANT :lupe: er liest peinlich genau jedes Wort in einem Buch. Preussische Lesedisziplin, Zucht und Ordnung. Er darf nichts verpassen und muss stets die Seite, das Kapitel oder den Absatz zu Ende lesen, bevor er seine Lektüre unterbricht.
6. Der LESE-MÄRTYRER :heiigenschein: er nimmt schweres Leseleid auf sich um seines Glaubens willen: der Glaube, dass sich der Sinn des Buchs nur erschliesst, wenn man alles liest, der Glaube, dass man dieses kanonische Buch der Weltliteratur gelesen haben muss.
7 etc.
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Hallo Timo,
danke für deine Antwort, dass du auch ähnliche Zwänge kennst.
Übrigens: tolle, unterhaltsame Leser-Typologie
Viele Grüße
Annorra