Hallo, liebe Büchereulen!
In der Sparte Kinder- und Jugendbücher wurden eine Menge Klassiker vorgestellt (z.B. Robinson Crusoe, Gullivers Reisen, Oliver Twist, Die Schatzinsel etc.), bei denen es sich um "Bearbeitungen für die Jugend" handelt.
"Für die Jugend bearbeitet" bedeutet, daß diese Bücher massiv gekürzt und verändert wurden, teilweise entstellen diese "Bearbeitungen" völlig den Sinn des Werks und die Intentionen des Autors.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß Leute, die als Kinder/Jugendliche mit solchen "Bearbeitungen" beglückt worden sind, niemals die unbearbeiteten Versionen anfassen. Besonders tragisch ist das in den Fällen, wo das Original bis zur Unkenntlichkeit entstellt wurde wie z.B. bei Jonathan Swifts bissig-satirischen Roman Gullivers Reisen, von dem gerade mal Lilliput, bestenfalls noch -- na, wie hieß es denn noch? -- das Land der Riesen übrigblieb. Oder bei Charles Dickens' Oliver Twist, dessen scharfzüngige und mitreißende Entlarvung der wirtschaftlichen Versklavung von Menschen (Armen, und insbesondere Kindern) und ihrer bewußten Verwahrlosung in ein süßliches Märchen verwandelt wurde.
Meine Eltern haben mir niemals diese zensierten Varianten in die Hand gegeben -- ich habe diese Machwerke während meines Studium kennengelernt im Zusammenhang mit Untersuchungen zur Trivialisierung klassischer, insbesondere brisanter Stoffe. Und ich muß gestehen, daß ich einigermaßen schockiert war, wie hier bewußt der klassische Stoff entstellt wurde, um eine völlig andere, zur Autorenintention in einem klaren Widerspruch stehenden Aussage in die Köpfe der Kinder/Jugendlichen zu trichtern.
Wie sieht es aus:
Wer von euch hat solche Erbauungsbüchlein geschenkt bekommen?
Wie hat diese Lektüre eure Meinung über diese Klassiker geprägt?
Wer hat später die tatsächlichen Werke gelesen?
Hat das eure Einstellung zu Autor und Buch verändert?
Anm.: Liebe Tanzmaus, das geht nicht gegen dich!!!
Ich bin allerdings ziemlich leidgeprüft, was diese Bücher angeht: Selbst unter Literaturwissenschaftlern ist die Kenntnis dieser Romane von den "Bearbeitungen für die Jugend" derart vorgeprägt worden, daß kaum jemand sich noch die Mühe macht, sich selbst ein echtes Bild davon zu machen.