Katarina von Bredow - wie ich es will

  • Über den Autor
    Katarina von Bredow, geboren 1967, lebt mit ihrem Mann in Smaland in Schweden. Sie hat Kunst studiert und einige Jahre als Fotoreporterin gearbeitet. Seit 1991 schreibt sie Jugendbücher und Romane.


    Kurzbeschreibung
    Jessica ist so verliebt, doch gleich in der ersten Nacht mit ihrem neuen Freund wird sie schwanger. Für alle anderen ist es selbstverständlich, dass sie abtreibt, doch so einfach ist das nicht. Schließlich trifft Jessica die mutige Entscheidung, das Kind zu bekommen.


    Meine Rezension
    Jessi ist 15 und unsterblich in Arvid verliebt. Bei einer Fete kommen sie sich endlich näher…. sehr, sehr nah sogar. Über Verhütung machen sich beide keine Gedanken. Und das, woran keiner gedacht hat, passiert prompt: beim ersten Mal Sex wird Jessi schwanger.


    Erst will sie es nicht wahrhaben, doch irgendwann muß sie es vor sich selbst eingestehen. Vor ihrer besten Freundin. Vor ihrer Mutter… und sie setzt damit eine wahre Lawine an Ereignissen in Gang.


    Siv, ihre Mutter, die so abgeklärt tut und im Buch eigentlich wie ein Gutmensch rüberkommt, reagiert zunächst relativ abgeklärt und souverän. „Schwangerschaft… das kann passieren“. Doch als Jessi Skepsis zu einer Abtreibung äußert, wendet sich das Blatt und Siv wird richtig unangenehm, da sie eine Abtreibung für ihre 15-jährige Tochter als einzig wahre Lösung erachtet.


    Doch so jung Jessi auch ist, eines wird ihr sehr schnell bewusst: es ist ihr Leben und es ist ihre Entscheidung, mit der sie für den Rest ihres Lebens klarkommen muß. Im Gegensatz zu ihrer Mutter ahnt sie, dass ihr Leben einfach nicht mehr dasselbe sein wird wie vorher, egal wie sich entscheidet. Rückhalt erhält sie in dieser Situation erst keinen.


    Doch Jessi kämpft sich durch und nach und nach erhält sie auch Unterstützung in dem Entschluß, den sie gefasst hat.


    Ich finde diesen Roman sehr gut und authentisch geschrieben und gerade für die anvisierte Zielgruppe auch sehr informativ und überzeugend, aber ohne den moralischen Zeigefinger allzu sehr zu erheben. Die Ängste die Jessi in Bezug auf ihre junge Beziehung, ihre Familie und ihr ganzes weiteres Leben bewegen, werden sehr gut transportiert. Die Reaktionen ihrer Umgebung werden durchaus realistisch beschrieben, wenn auch der Charakter ihrer Mutter sehr strange ist. Hier war allerdings der krasse Kontrast zwischen ihrem gelebten Gutmenschentum und ihrer anfänglichen Reaktion auf den Willen ihrer Tochter sehr interessant zu lesen.


    Alles in allem ein Buch, das zum Nachdenken anregt – mich würde hier sehr interessieren, wie die eigentliche Zielgruppe (ich selbst bin aus dem Alter einer Teenieschwangerschaft schon seit 25 Jahren raus *ggg*) das Buch bewertet. Aber das werde ich sicher bald erfahren. :-]

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • OT: Som jag vill vara 2006



    Jessica ist verliebt, verliebt, verliebt. In Arvid. Als sie kurz vor Beginn der großen Party von ihrer besten Freundin Louise erfährt, daß auch Arvid deutliche Anzeichen einer Verliebtheit zeigt, schwebt sie auf Wolken. Die Party erfüllt alle ihre Erwartungen und mehr. Spät nachts landen sie in einem Schlafzimmer. Es ist eine Menge Alkohol im Spiel, trotzdem kommt es zum ‚ersten Mal’. Jessi kann es kaum fassen, ein Traum ist wahr geworden. Auch die folgenden Tage zeigen nichts anderes, glücklich verliebt sein mit fünfzehn ist das Schönste, was es gibt!


    Dann wird Jessi krank, Magen-Darm, denkt sie. Bald geht es ihr besser, aber nicht so recht, eine komische Übelkeit bleibt und Dauermüdigkeit. Kein Wunder, daß sie bald auf so vieles gereizt reagiert. Wird schon besser werden. Denkt sie. Zwischen Schule, einer etwas anstrengenden, weil esoterisch überzeugten Künstlerin-Mutter, und Arvid kommt sie kaum dazu, gründlich nachzudenken. Nur langsam schleicht sich ein Verdacht bei ihr ein und schließlich muß sie sich der Frage stellen, ob sie etwa schwanger ist. Der Verdacht wird Gewißheit. Jessi stürzt in ein tiefes Loch. Als sie endlich wagt, es ihrer Mutter Siv zu gestehen, reagiert diese verblüffend. Für Siv ist Jessis Schwangerschaft ein kleines und vor allem leicht zu lösendes Problem. Mit fünfzehn ist ein Mädchen nicht reif dafür, ein Kind zu haben. Abtreibung, ganz klar. Man muß an die Zukunft denken.


    Für Jessica ist die Sache aber alles andere als klar. Schon beim ersten Besuch bei der Hebamme in der Beratungsstelle, ist sie dabei, einen anderen Weg einzuschlagen. Siv kann es nicht fassen, sie hält Jessi für verrückt. Sie wird auf keinen Fall erlauben, daß Jessi das Kind austrägt. Den nächsten Schock erleidet Jessi, als auch Louise, die weltbeste Freundin, Siv recht gibt. Allein, von der Welt verraten, kämpft Jessica für ihre Entscheidung.
    „Aber wenn die zwei Alternativen, die es gibt, in meinen Augen beide falsch sind, muß ich mich doch für die entscheiden, die mir weniger falsch vorkommt, oder?“ sagt sie.


    Katarina von Bredow ist keine Autorin, die vor heiklen Themen zurückscheut. Gleich ob Geschwisterliebe, Ehebruch oder die Liebe zwischen einer Minderjährigen und einem mehr als zehn Jahre Älteren, sie schreibt die Geschichte, parteiisch, deutlich, intensiv. So auch hier.
    Jessica ist eine sehr überzeugende Heldin, in ihren Schwächen - sie hat eine Menge - wie in ihren Stärken, die sie im Lauf des Romans entwickelt. Selten bekommt man einen so genauen Einblick in die Verwirrungen, Unentschiedenheiten, bodenlosen Ängste im Innern eines sehr jungen Mädchens. Ebenso eingehend werden manche körperliche Veränderungen im Lauf einer Schwangerschaft beschrieben.


    Die starke Konzentration auf Jessica und die Frage nach dem Lebensrecht des Kindes hat aber zur Folge, daß so manche andere Figur bald auf der Strecke bleibt. Siv und Louise als negative Folie zu Jessica sind zuweilen in verdächtiger Nähe zur Karikatur anzusiedeln. Glücklicherweise ist Bredow eine viel zu gute Autorin, um dem nachzugeben, sie ist auch zu ehrlich. Vor allem Louise wird dann in der zweiten Hälfte des Buchs zuerst zu dem ‚Ort’, an dem Jessis Zweifel geäußert werden dürfen, dann zu ihrer glühendsten Unterstützerin. Die Mischung aus schlechtem Gewissen und ehrlicher Anerkennung für Jessis Haltung wirkt ziemlich echt. Auch Siv bekommt noch den großen Mutter-Auftritt, der das Ganze dann aber doch ein bißchen zu rosarot überhaucht.


    Ein sehr interessanter Kniff ist es, der sehr jungen Mutter eine erfahrene Schwangere an die Seite zu stellen. Daß es sich dabei um Louises Mutter handelt, verleiht der Geschichte zusätzlich Spannung. Beziehungen zu Müttern, zwischen Müttern (Siv und Carin sind Freundinnen) und zwischen den beiden Mädchen überkreuzen sich gleich mehrfach. Zuneigung wandelt sich in Abneigung, Abneigung in Zuneigung, neue Allianzen entstehen, nur um im nächsten Moment wieder zu zerfallen.


    Als nicht gelungen jedoch muß man die Darstellung der Männerrollen bezeichnen. Die Männer sind als zumindest die Uneinsichtigen, Verständnislosen nicht nur überzeichnet, sondern wirklich einseitig angelegt. Jessis Vater hat sie und Siv verlassen, Louises Vater will eigentlich keine weiteres Kind, Arvids Vater geht ziemlich weit, um seinen Sohn aus der Verantwortung zu nehmen. Am schlimmsten erwischt hat es Arvid. Die Autorin gibt ihm keine Chance. Die Liebesgeschichte ein wenig schwach auf der Brust, Jessi hält Arvid seit der Party eigentlich eher auf Abstand und im Ungewissen, obwohl sie doch so sehr in ihn verliebt sein soll. Vor allem aber wird die Frage ihrer Schwangerschaft nicht mit ihm diskutiert. Arvid erfährt erst davon, als Siv eine elterliche Krisensitzung einberuft, bei der nicht nur Arvids Eltern aus allen Wolken fallen. Sein anschließendes Verhalten ist für einen Fünfzehjährigen geradezu übermenschlich gefaßt, selbst an den Stellen, an denen er sich gleichfalls für die Abtreibung ausspricht. Tatsächlich erscheint Jessica gerade in ihrer Beziehung zu Arvid sehr Ich-bezogen, ihm bliebt nur ‚Hurra’ zu rufen, ‚laß uns eine glückliche Familie werden’.


    Durch die Undifferenziertheit bei der Darstellung der Männerfiguren entsteht in den Beziehungen zwischen den Figuren eine beträchtliche Lücke, die die Autorin bedauerlicherweise vor allem mit Beschreibungen der angenehmeren Seiten der Schwangerschaft und Gedanken an kleine Kinder füllt, die zuweilen etwas süßlich geraten.
    Bredow erzählt in ihrer gewohnten klaren Sprache, mit einem wachen Sinn für Alltagsdetails. Die Dialoge sind am Anfang ein wenig hölzern, gewinnen dann aber. Bredows Stärke liegt unstreitig in den Beschreibungen von Jessicas Gefühlswelt. Sie machen das Buch zu einer sehr interessanten Lektüre.
    Die Geschichte enthält nicht wenig Fragen und Probleme, die zur Diskussion anregen, trotz ihrer Einseitigkeit und trotz der starken Emotionalität, die den Text durchzieht. Der Taschentuchfaktor ist bei mindestens achteinhalb von zehn Päckchen Papiertaschentücher anzusetzen.


    Die Klappbroschur konnte mich, wie üblich, nicht begeistern, auch kam mir das Buch recht schwer vor für ein Taschenbuch von ca. 270 Seiten. Cover und farbliche Ausstattung sind dafür gelungen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Hm, das ist wirklich ein schwieriges Thema, allerdings halte ich die Botschaft des Buches, wenn ich das Euren Rezensionen richtig entnommen habe, für ziemlich bedenklich.
    Im Dunstkreis meiner Tochter bekommen zwei Mädchen ein Baby, beide wollen es behalten. Bei beiden habe ich das Gefühl, ein Kind ist ein Fluchtpunkt, ein Ideal, das dem Leben Sinn gibt und gleichzeitig deutlich sichtbares Zeichen des Erwachsenseins. Und bei beiden habe ich deutlich den Eindruck, sie sind sich nicht über die Konsequenzen im Klaren. Damit meine ich nicht einmal die erschwerte Schul/Ausbildung, die immer angeführt wird. Vielmehr scheinen sie zu glauben, dass "Mutterglück" den Drang nach Teenagervergnügungen, Partys, Radtouren mit Freunden, Konzerte, ersetzen würde. Dass es das in wenigsten Fällen tut, darf ich immer wieder von meinem Freund erfahren, der in einer betreuten Mutter-Kind-WG arbeitet.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Hm. Brummundgrummel.
    Das war meine erste Reaktion auf das Buch.


    Teenager-Rebellion und/oder Erwachsene spielen ist bei Jessi nicht der Grund. Es ist eher so, daß sie etwas getan hat, was einschneidende Folgen hat und nun versucht, das in ihren Augen Beste daraus zu machen.


    Bredow sagt nicht, daß es hinterher leicht wird. Sie sagt aber auch nichts über das Hinterher. Das ist allerdings auch schwierig, weil das wohl individuell höchst unterschiedlich ausfallen kann
    Man erfährt zwar, daß Jessica auch Gespräche bei der Sozialberatung hat, einige Themen, über die sie informiert wird, werden aufgezählt. Genauer geht die Autorin nicht darauf ein, das ist aber auch nicht ihr Thema. Es geht wirklich nur um die Entscheidung als solche.


    Was wenigstens noch ansatzweise diskutiert wird, ist die Frage der Adoption. Dazu gibt es einiges Interessantes, es wird allerdings die schwedische Rechtslage geschildert. Andererseits muß man sehen, daß das Buch keine romanhafte Darstellung der Informationen über Teenager-Schwangerhaften ist, es geht wirklich um die Literariserung des Problems.
    Es gibt keine Anhagn mit Kontakt-Adresse, es ist wirklich 'ein Roman.


    Bredow konzentriert sich direkt auf die Frage: Abtreibung ja oder nein. Sie läßt ihre Protagonistin sagen, daß beides nicht ideal ist, ich habe den entscheidenden Satz ja oben zitiert.


    Die Frage ist eben, ob es reicht, einen Roman für junge Mädchen zu schreiben, der sich allein auf diese Frage konzentriert. Gelegentlich eiert sie mir schon ein wenig zu stark in Richtung 'Pro Life', um das mal ganz offen zu sagen. Trotzdem läßt sie nie Zweifel am emotionalen Druck, der auf Jessi lastet, gleich, wie sie sich entscheidet. Das ist auch ganz toll geschildert.


    Man kann ihr auch vorwerfen, wie ich es oben getan habe, daß sie das Thema so ausschließlich als Frauenfrage behandelt. Es ist streckenweise schon eine kuschelige Schwangeren-Welt. Das Problem mit der Schule - Jessi wollte eigentlich nach dieser Klassenstufe aufs Gymnasium - wird auch zu schnell abgeschlossen.
    Vor allem bleiben die Männer draußen. Es zählt nur Jessis Wille.
    Ich gebe zu, daß ich, bei allem Verständnis für ihre Skrupel und obwohl ich ihre Entscheidung akzeptiert habe, ihr doch gelegentlich gern eine gelangt hätte.
    :grin



    Das Buch provoziert, Bredow eben.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • ja, das habe ich auch so verstanden, dass es auch um pro und contra Abtreibung geht. Aber ist dann die Botschaft "Seht her, selbst unter schwierigsten Bedingungen kann mädchen ihr Kind austragen"? Gruslig.


    Außerdem stört mich (vielleicht interpretiere ich das falsch), dass Jessi als stark und mutig rüberkommt, die selbständig ihre Entscheidung trifft. Nun mögen sich viele Teenager damit gerne identifizieren, aber die wenigsten sind selbst stark, mutig und selbständig, jedenfalls nicht genug, um ein Kind großzuziehen. Wenn ihnen dann ein Vorbild präsentiert wird, das nahezu unerreichbar ist, finde ich das noch grusliger.


    OK, es ist Literatur, vielleicht sollte ich es mal lesen. Oder ein Jugendbuch schreiben, in dem erklärt wird, wie das ist mit den Bienen, den Blumen und den Babys :grin

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • So, die Zielgruppe in meinem Haushalt hat mir gerade das Buch überreicht mit den Worten, dass die Heldin so unerträglich naiv wäre, dass sie das Buch nicht zu Ende lesen könne.
    Nun werde ich es mir selbst mal zu Gemüte führen, ich bin gespannt...

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)