Die Rückseite des Schutzumschlages sagt zum Buch
Die vierzehnjährige Anaid führt mit ihrer Mutter Selene ein zurückgezogenes Leben in einem kleinen Dorf in den Pyrenäen. Sie ahnt nicht, welche Geheimnisse die Frauen ihrer Familie hüten...
Über die Autorin sagt der Klappentext:
Maite Carranza, 1958 in Barcelona geboren, studierte Anthropologie und arbeitete als Gymnasiallehrerin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen und Drehbüchern widmete. Sie hat über vierzig Titel veröffentlicht und wurde mit bedeutenden Literaturpreisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Serra-D'Or-Preis und dem Edebé-Preis für Kinderliteratur.
Eine Anmerkung vorweg:
Dieses Buch habe ich einem 13-jährigen blinden Mädchen vorgelesen.
Das haben wir gelesen oder: eine ungefähre und gar durchaus nicht vollständige Inhaltsangabe
Die handelnden Personen in diesem Buch sind fast durchweg weiblich. Es gibt die eine oder andere Randfigur männlicher Art, aber diese spielen, wie das bei Randfiguren so üblich ist, keine besonders große Rolle.
Das Buch spielt in der heutigen Zeit, Dinge wie Telefon, Computer, Flugreisen etc. sind also alltäglicher Bestandteil auch des zurückgezogenen Lebens in Urt, dem Dorf, in dem die Geschichte ihren Ausgang nimmt. Dort wohnen Selene und ihre Tochter Anaid. Demeter, die Großmutter Anaids, die früher auch Mitglied des Haushaltes war, ist bei einem Gewitter ums Leben gekommen. Was Anaid nicht weiß und was man vor ihr auch verborgen gehalten hat, ist die Tatsache, dass ihre Mutter, die Großmutter und einige andere Frauen des Dorfes Hexen sind, und zwar Hexen der sogenannten Omar. Diese sind im Gegensatz zu den Hexen der bösen, blutrünstigen Odish sterblich, Mensch, Tier und Natur sehr zugewandt und hilfsbereit. Die Omar üben Berufe aus wie Hebamme, Ärztinnen, Lehrerinnen. Die Odish hingegen sind unsterblich, sie trinken das Blut junger Mädchen und Babys, sie sind grausam und nur am Erhalt und Ausbau ihrer Macht interessiert, auch verfolgen sie die Omar.
Die Omar gehören verschiedenen Klans an, so gehören Selene, Demeter und wohl auch Anaid zum Wolfsklan.
Der Erzählfluss der Geschichte wird unterbrochen von Prophezeiungen und sogenannten Abhandlungen, aus denen sich die Historie der O – quasi der Urmutter der Hexen -, ihrer Töchter Odi und Oma lesen lässt sowie die Erwartung der Auserwählten, auf die die Omar große Hoffnungen setzen.
Anaid, ein Mädchen von 14 Jahren, aber sehr klein und dünn, das sich selber auch für häßlich hält, ausgesprochen klug und lernbegierig, stellt eines Morgens fest, dass ihre Mutter Selene verschwunden ist. Sie sucht sie im Wald, durchforstet Kleiderschrank, die Emails, die Bankbuchungen, findet aber keine Spur von ihrer Mutter. Anaid wird von einigen Frauen des Dorfes und ihrer Tante Criselda langsam damit vertraut gemacht, dass auch sie eine Hexe ist, sie beginnen mit dem zauberischen Unterricht, da Anaid, die ihre Mutter suchen will, nicht unvorbereitet auf ihre Reise gehen soll. Von den Omar wird Selene als mögliche Auserwählte angesehen, es deutet aber auch einiges darauf hin, dass sie eine Verräterin ist und sich den Odish angeschlossen hat.
Ich möchte hier nicht zu viel von dem Inhalt erzählen, nur so viel: Anaid macht sich schließlich zusammen mit Tante Criselda auf die Suche nach Selene, sie fliegen zunächst nach Silizien, wo sie von Valeria, der Delfin-Klan-Chefin und einer mächtigen Hexe, einiges lernt. Auch von einem anderen Klan, dem Schlangenklan, wird sie Wertvolles lernen. In anderen Szenen des Buches wird von Selene erzählt, wie sie sich mit Salma, einer sehr mächtigen Odish, zusammentut, wie sie in der Welt der Finsternis von ihrer Tochter gefunden wird.
Wie und ob Selene die Omar verraten hat, ob sie wirklich die Auserwählte ist, welche Rolle Valeria, Tante Criselda und andere Hexen spielen, wer die Gräfin ist, das sei hier nicht verraten.
Meinung
Maite Carranza hat in überaus spannendes Buch geschrieben. Es hat uns beide nicht losgelassen und wir haben es in Rekordzeit gelesen. Ob die in professionellen Besprechungen gerühmte wortgewaltige Sprache für Jugendliteratur wirklich so ungewöhnlich ist, vermag ich nicht zu beurteilen, sie überfordert die jugendliche Leserin meiner Meinung nach aber keineswegs.
Sehr gelungen fanden meine Zuhörerin und ich die Schilderung über Anaid, ihr Ausgegrenztsein, ihre Einsamkeit, ihr Neid auf die anderen, so „normalen“ Mädchen. Sie hat bespielsweise in ihren ganzen 14 Jahren noch keine Geburtstagsparty mitgemacht. Sie wünscht sich eine Freundin, wird aber nur gehänselt. Um sich zu rächen, missbraucht sie ihre hexerischen Fähigkeiten, schämt sich deshalb aber sehr.
Auch die anderen Personen sind sehr schön gezeichnet, ihr Tun und Handeln gut und nachvollziehbar beschrieben. Als erwachsene Leserin hätte ich mir die eine oder andere Szene vielleicht etwas ausführlicher gewünscht, aber es ist in erster Linie ein Jugendbuch. Für meine kleine Zuhörerin war es „genau richtig“. Für das blinde Mädchen waren die Beschreibungen, sei es personeller oder landschaftlicher Art, wie ein Film, eben Kopfkino vom Feinsten.
Die Schilderungen der Hexerei/Zauberei waren teilweise wirklich zauberhaft, sie haben in uns beiden den Wunsch geweckt, das auch zu können.
Am Ende des Buches fehlt das Wörtchen „Ende“. Es ist zwar in sich abgeschlossen, aber es bleiben doch einige Fragen offen (was ist mit Frau Olav, die eine Odish ist, aber trotzdem Anaid schützt?), so dass die Neugier auf den zweiten Band sehr groß ist.
Vordergründig ist "Der Klan der Wölfin" ein Mädchenbuch, da, wie schon gesagt, männliches Personal sehr rar eingesetzt wird. Ich persönlich fände es aber schade, wenn es nur auf diesen Begriff reduziert würde. Denn es ist einfach eine großartige Geschichte.
Von uns beiden gibt es zehn von zehn möglichen Sternen.