Kaputte Ermittler in Krimis...

  • Naja, düster kann es ja auch sein, aber muß es denn unbedingt der sein, der sich dann besoffen hinters Steuer setzt oder zum Alkohol auch noch ein paar Drogen einwirft?
    Im Fall von Mo Hayder schlägt er in einem Band dann auch noch seine Partnerin zusammen, das paßt für mich einfach nicht zum Bild von einem Polizisten, mag es geben ja, aber in den letzten Krimis und Thrillern wird irgendwie suggeriert, das sei normal, anders gibts nicht mehr.... das stört mich.
    Ganz bestimmt gibt es auch bei Polizisten viele mit Alkoholproblemen, das will ich gar nicht leugnen, aber daß man sich im Büro den Wodka auf den Tisch stellt, das mag ich mir einfach nicht vorstellen...

  • Zitat

    Original von Bell


    Zu Wallander: der hatte dann ja auch noch Diabetes!


    Ja! Sehr traurig.
    Im richtigen Leben wäre ich sehr betroffen,
    im Krimi aber - da gelingt mir das nicht - zumindest nicht, wenn es zu viel Raum einnimmt.


    Anders sieht es schon wieder in Romanen aus, in denen ein Psychogramm oder eine eingehende Charakterstudie die Aussage des Buches ausmachen, oder sie zumindest bekräftigen.

  • Wenn sich die Probleme des Ermittlers in den Vordergrund spielen und von der Geschichte selbst ablenken, habe ich damit auch ein Problem. Allerdings denke ich, dass die eine oder andere Macke einfach sein muss oder gibt es etwa in der Realität den perfekten Ermittler?


    Also, familiäre Probleme, ab und zu mal eine Fehlentscheidung etc. sind ganz in Ordnung und schleifen den Charakter etwas ab.


    Inspektor Thomas Lynley (Elizabeth George) z. B. ist ein ganz anständiger Ermittler, nur dass sein Liebesleben manchmal konfus wirkt.
    Und wie Primavera schon anmerkte, Commissario Brunetti (Donna Leon) ist DER "anständige" Ermittler schlechthin (was wiederum in späteren Bänden langweilig werden kann). Aber den 1. Brunetti (Venezianisches Finale) kann ich Dir nur wärmstens empfehlen.

  • Ist sicher richtig, was Du schreibst, Holly, dass es immer mehr Alkoholkranke und psychisch Kranke gibt, aber deswegen ist das noch lange nicht normal. Auch die vielen Trennungen finde ich nicht unbedingt normal.
    Das ist eher ein Alarmsignal unserer Gesellschaft, der es an Sinn und Werten fehlt, wie Babyjane schon geschrieben hat.
    Es gibt schon einige Berufe, in denen man es gerne mit "normalen" Zeitgenossen zu tun haben möchte.
    Für mich gehören da Polizisten ebenso dazu wie Ärzte, Lehrer oder Juristen. Auch einem weinseligen Handwerker mag ich keine Arbeit anvertrauen. Und eine tablettensüchtige Krankenschwester, die morgens an mein Bett torkelt, wäre auch nicht vertrauensfördernd.


    Für mich gibt es also schon ein paar Richtlinien, was ich unter dem viel strapazierten Wort "NORMAL" verstehe, auch wenn mich manche Jung-Eulen jetzt für altmodisch halten werden.


    Sicher darf sich in einem Roman, vor allem Krimi oder Thriller, mehr und anderes tun als im wirklichen Leben. Aber was zuviel ist, ist zuviel und hat bald auch keinen Überraschungseffekt mehr.

  • Also ich mag ja kaputte Ermittler, die Grenze darf aber nicht zu extrem überschritten werden, aber Harry Hole und Rebus mag ich irgendwie.


    Sehr empfehlen kann ich Dir die Krimis von meinem geliebten Arne Dahl, da ermitteln sie im Team (A) und jeder hat sein Säcklein zu tragen und lebt sein Privatleben, aber keiner flippt total aus.


    Für mich immer noch die beste Ermittlertruppe auf dem Krimimarkt!



    schwärmende Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Harry Hole hab ich bisher nur im Schneemann erlebt, da spielt er ja eher eine Nebenrolle, werde ihn aber auf jeden Fall im Auge behalten, die Vorgänger sind auf jeden Fall notiert.


    Arne Dahl hab ich noch nicht getestet, werde ich tun.
    Wallander mag ich nicht so, dabei kann ich das nicht mal genau festmachen warum nicht.


    An Lynley hab ich eben intuitiv auch gedacht, allerdings wirkte der immer so aalglatt...das war irgendwie auch seltsam.


    @ Sylli
    Gerade die von dir genannten Berufe sind aufgrund der Anspannung durch Job und das Leid, das sie oftmals sehen ohne helfen zu können, sicherlich anfälliger für Alkoholismus als die normale Sekretärin oder Friseurin. Dennoch bin ich einfach der Meinung, daß auch in Büchern der Ermittler eben doch ein wenig gesittet sein sollte. Klar darf er sich mal betrinken, aber ständig? Na ich weiß nicht, das mag ich irgendwann dann nicht mehr wissen.

  • BJ starte auf jeden Fall mit "Misterioso", das ist Band 1, man kann zwar die anderen Bände auch einzeln lesen, aber im ersten Band werden erstmal alle vernünftig vorgestellt und man kann spätere Handlungsweisen besser nachvollziehen.


    Lynley mag ich irgendwie nicht, ich hab so zwei drei Bände gelesen, das reichte mir dann auch, nette Krimis, aber für mich auch nicht mehr.



    Dahl fan Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Eine gesittete, aber recht kaputte Ermittlerin hat Oliver Bottini, die ist mittlerweile trockene Alkoholikerin- im ersten Band war sie noch Dauerblau- kämpftaber mit ihren Problemen. Ian Rankins Rebus ist einfach unerreicht, zwar düster, aber realitätsnah düster, da er an seinen Grenzen in seinem Beruf verzweifelt- die Grenzen die BJ meint aber auch nicht überschreitet.

  • Mich nervt das auch teilweise, vor allem wenn es zu stark thematisiert wird und man ständig darauf hingewiesen wird. Ich habe da noch Mankells Wallander in Erinnerung, da hat das am Ende doch nur noch genervt, und man überliest die Stellen und blättert weiter, das kann ja auch nicht im Sinn des Autors sein.

    Manche Autoren übertreiben es einfach auch nur, vielleicht weil der Stoff sonst nix hergibt.


    Andererseits habe ich auch eine Schwäche für eine gewisse Art kaputter Ermittler, ohne jetzt ein Beispiel parat zu haben, wobei es dann auf die Qualität des Autors ankommt, wie er das rüberbringt. Ein genialer Charakter von einem guten Autor in die Welt gesetzt, kann von mir aus solche Probleme haben, aber wenn ein Autor ständig nur auf diese Probleme Bezug nimmt, weil er ansonsten keine richtige Story zusammenkriegt, nee, darauf habe ich keinen Bock mehr.
    Lynley gefiel mir seinerzeit auch ziemlich gut, aber E. George mag ich leider schon lange nicht mehr lesen. Und Brunetti scheint mir nur noch über Wein und Spaghetti nachzudenken, wenn ich in ein Donna Leon Buch schaue, das langweilt auch nur noch.


    Aber abgesehen davon bin ich der Meinung, dass heutzutage in dieser Gesellschaft so gut wie jeder irgendein Problem hat, von daher wäre es verwunderlich wenn diese Ermittler unter einem Glassturz leben und keins hätten.

  • @Babyjane
    Aber gerade in den Berufen, die ich genannt habe, kann sich das niemand erlauben, weil Alkoholismus ein Kündigungsgrund ist.
    Ich weiss aber auch aus eigener Erfahrung (ich arbeite seit 29 Jahren in einem Krankenhaus), dass man sich mit den Krankheiten der Patienten nicht so stark identifiziert, dass man darüber das Gleichgewicht verlieren und seine eigene Existenz in den Sand setzen würde.
    Das passiert wiederum nur in Romanen!

  • Zitat

    Original von Ushuaia
    Aber abgesehen davon bin ich der Meinung, dass heutzutage in dieser Gesellschaft so gut wie jeder irgendein Problem hat, von daher wäre es verwunderlich wenn diese Ermittler unter einem Glassturz leben und keins hätten.


    Oh das meinte ich auch nicht, Probleme dürfen sie gerne haben, die Grenze ist für mich da erreicht, wo sie selbst straffällig werden oder mich mit ihrer weinerlichen Art nerven.

  • Zitat

    Original von Sylli7
    @Babyjane
    Aber gerade in den Berufen, die ich genannt habe, kann sich das niemand erlauben, weil Alkoholismus ein Kündigungsgrund ist.
    Ich weiss aber auch aus eigener Erfahrung (ich arbeite seit 29 Jahren in einem Krankenhaus), dass man sich mit den Krankheiten der Patienten nicht so stark identifiziert, dass man darüber das Gleichgewicht verlieren und seine eigene Existenz in den Sand setzen würde.
    Das passiert wiederum nur in Romanen!


    Richter und Beamte sind aber unkündbar.... ;-)
    Die müßten sich schon mehr leisten, als alkoholabhängig zu sein. Bei Ärzten etc. kenne ich mich da nicht aus. Kann mir aber nicht vorstellen, daß die alleine Abhängigkeit als Kündigungsgrund bestand hätte. Weiß ich aber nicht.....
    Wie gesagt, von mir aus können die sich ja auch im realen Leben wie auch im Buch wegschädeln wie sie wollen, ich finde es halt nur absonderlich, wenn sie im Dienst oder während der Arbeit total weggebeamt sind. (hier spreche ich jetzt nicht von der Realität, sondern von Büchern)


    Andererseits kann ich schon verstehen, wenn gewisse Ereignisse im Beruf zu einem Trauma werden, aber da muß man dann halt mit umgehen lernen.
    Ich selbst schleppe ganz bestimmt das ein oder andere Päckchen mit mir herum, was ich dienstlich erlebt habe, aber deshalb begehe ich keine Straftaten.
    Damit meine ich weniger, daß man sich mit den Patienten wie du sagst so stark identifiziert, sondern mehr, daß man sich selbst hilflos fühlt und eben in eine Sucht flieht. Nachvollziehbar finde ich das schon, mir geht es halt nur auf den Wecker, das es kaum noch Protagonisten in Krimis zu geben scheint, die eben kein Suchtproblem haben...

  • Bei den Krimis sind kaputte Ermittler offenbar genauso in Mode wie bei den historischen Romanen Frauen, die als Mann verkleidet rumlaufen.


    Ich muss allerdings sagen, dass es mich bei Harry Hole (Alkoholismus) nicht so nervt wie die missratenen Kinder von Erlendur.
    Tatsächlich fällt mir im Moment kein "normaler" Ermittler ein.
    Lincoln Rhyme (Jeffery Deaver) hat keine Laster, ist aber als Querschnittsgeähmter auch nicht gerade ein typischer Kommissar. :gruebel

  • Zitat

    Original von Babyjane


    Oh das meinte ich auch nicht, Probleme dürfen sie gerne haben, die Grenze ist für mich da erreicht, wo sie selbst straffällig werden oder mich mit ihrer weinerlichen Art nerven.


    kann es sein dass das was damit zu tun hat, dass sowieso alles immer etwas extremer zu werden scheint? Filme oder gerade Thriller driften meiner Meinung nach in den letzten Jahren etwas zu sehr in Extreme ab, es muss immer blutiger werden, wo es völlig unnötig ist. Die Autoren scheinen ein bisschen einen Wettlauf zu veranstalten, wer das nächste blutige oder grausame Sahnehäubchen draufsetzen kann - also so empfinde ich es ganz persönlich jedenfalls im Thrillerbereich. Eigentlich denke ich dass die detaillierten Schilderungen, die man heutzutage manchmal liest, vor 10, 15 Jahren so nicht zu lesen bekommen hätte.


    Und im Krimibereich sind Ermittler die dann ihrerseits Straftaten begehen, vielleicht dann nur ein anderer Auswuchs davon.

  • :gruebel
    Darüber hab ich noch nie nachgedacht, also ihn anzuschreiben.
    Allerdings kann ich mir wirklich nicht vorstellen, daß es da so gravierende Unterschiede geben sollte, zumindest nicht in den Bereichen, die mir bei Deaver aufgestoßen sind.
    (Die Filme auf seiner Buchgrundlage fand ich allerdings meist gut....also Knochenjäger und so...)