Mal eine Ethik-Frage an die Autoren

  • Hallo,


    diese Frage geht mir schon seit geraumer Zeit im Kopf herum und daher stelle ich sie jetzt einfach mal so behutsam wie möglich:


    Folgendes Szenario: Stellt Euch ein Dorf, ein Stadtteil, einen Wohnblock vor und unter den Einwohnern lebt ein Schriftsteller/in, die/der seine Mitbewohner...sagen wir...in stark überzeichneter Form in seinem Buch unterbringt. Verwurstet sozusagen.


    Frage: darf die/der das eigentlich ohne zu fragen?


    Ich kam durch Zille drauf und durch Fotos, die man ja auch nicht einfach von anderen Menschen schießen darf.


    Aber wie seht Ihr das?


    Würde mich wirklich mal interessieren und ich hoffe auf viele Beiträge von Euch.


    Gruß
    Baumbart

  • Mmh, Du nennst das Thema "eine Ethik-Frage an Autoren", fragst aber dann "darf man das".


    Man darf Persönlichkeitsrechte nicht verletzen. Wenn Figuren wiedererkennbar sind, und diese Figuren kommen schlecht weg, kann es passieren, daß das Buch eingestampft oder korrigiert werden muß (hierfür gibt es einen sog. "Freistellungsparagraphen" in den allermeisten Autorenverträgen - es kann also zu Lasten des Autors gehen!). Es kann auch Beleidigungs-, Verleumdungs- und Schadenersatzklagen nach sich ziehen, mit recht ungewissem Ausgang. Es hängt auch davon ab, wie prominent die betroffenen Personen sind. Der böse Nachbar, der sich wiederfindet, hat auf dem Klageweg geringere Chancen als der angemeierte Schlagerstar - abhängig wiederum davon, ob es um eine Tatsachenbehauptung geht oder um eine erkennbare Verballhornung der Figur. Im letztgenannten Fall müssen Prominente einiges über sich ergehen lassen. Aber auch nicht alles.


    Mit Ethik und Moral hat das nur vor allem im sozialen Bereich zu tun. Wer seine Nachbar- und Verwandtschaft in einem Roman verwurstet, ohne daß jedermann sofort erkennt, daß hier Nachbar Schulz und da Tante Ursel gemeint sind, die Insider es aber sofort merken (oder zu merken glauben), riskiert private Probleme, aber in den seltensten Fällen Klagen und öffentliche Proteste. Aber ist gibt alles. Im Zweifelsfall wenigstens Publicity für das Buch.


    Generell gilt für Bücher das, was auch im normalen Leben gilt. Wenn man jemanden beleidigt oder verleumdet, muß derjenige belegen können, daß es tatsächlich passiert ist. Jemand, der sich in einer Figur zu erkennen glaubt, und deshalb eine Klage anstrengt, muß auch schlüssig beweisen können, daß er tatsächlich gemeint ist. Das ist häufig nicht so einfach. Und es hängt auch vom "Wie" ab. "Heiner Meier ist ein Arschloch" ist rechtlich eindeutiger als "Horst hielt Heiner Meier für ein Arschloch."

  • Zitat

    Original von Tom
    Mmh, Du nennst das Thema "eine Ethik-Frage an Autoren", fragst aber dann "darf man das".


    Ja...und was war an der Fragestellung falsch, daß Du mmhen mußtest?


    Laut Lexikon ist der Begriff Ethik so definiert: Ethik [griech.], meist mit Moralphilosophie synonym gebrauchter Begriff für einen seit der Antike zentralen Bereich der Philosophie, der die Frage zu beantworten sucht, an welchen Werten und Normen, Zielen und Zwecken die Menschen ihr Handeln orientieren sollen. Gegenstand der Ethik ist das Bemühen, 1. den Geltungsanspruch der jeweiligen Moral auf Wohlbegründetheit zu überprüfen, 2. ein oberstes, vernünftiges Prinzip zu finden, womit die Werte, Normen und Ziele in ihrer Rangordnung beurteilt und gegebenenfalls neue einsehbar begründet werden können, 3. dadurch zur Verbesserung menschl. Zusammenlebens beizutragen.
    (c) Meyers Lexikonverlag.


    Hätte ich eher fragen sollen, ob ihr Autoren so etwas machen würdet?


    Deiner Antwort entnehme ich, daß Du zumindest es nicht so ohne weiteres tun würdest, Tom. Aber auf Deiner HP unter den Schreibtipps habe ich gelesen, daß ein Schriftsteller eigentlich so arbeiten sollte, mit den von Dir genannten Einschränkungen natürlich.


    Und das hat mich nachdenklich werden lassen, ehrlich gesagt....:-)

  • Zitat

    Original von Baumbart
    [quote]Original von Tom
    Deiner Antwort entnehme ich, daß Du zumindest es nicht so ohne weiteres tun würdest, Tom. Aber auf Deiner HP unter den Schreibtipps habe ich gelesen, daß ein Schriftsteller eigentlich so arbeiten sollte, mit den von Dir genannten Einschränkungen natürlich.


    Und das hat mich nachdenklich werden lassen, ehrlich gesagt....:-)


    Man kommt doch gar nicht umhin, Versatzstücke aus der eigenen Lebenswelt einzubauen -- angepaßt an die Geschichte und ihr Umfeld. Woher, dachtest du, haben wir unsere Ideen?

  • In nahezu jedem fiktiven Roman wird vom Autor reale Personen mit verwurstelt. Das kann gar nicht ausbleiben, selbst wenn es unterbewußt geschieht. Die Protagonisten ähneln immer irgendwelchen Figuren im Umfeld des Schriftstellers, weil er sich unter bestimmten Charakteren automatisch eine ihm bekannte Person vorstellt. In aller Regel aber fällt das nicht auf.
    Schreibt man aber über ein Stadtviertel oder einen Ort mit authentischem Hintergrund, dann können natürlich auch echte Personen einfließen. Doch dort empfiehlt es sich schon, ein wenig vorsichtig mit seinen Informationen umzugehen. Nicht immer kommt die Wahrheit in solchen Fällen gut an. Es ist auch oft eine Frage der Menschlichkeit und des Mitgefühls.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    Schreibt man aber über ein Stadtviertel oder einen Ort mit authentischem Hintergrund, dann können natürlich auch echte Personen einfließen. Doch dort empfiehlt es sich schon, ein wenig vorsichtig mit seinen Informationen umzugehen. Nicht immer kommt die Wahrheit in solchen Fällen gut an. Es ist auch oft eine Frage der Menschlichkeit und des Mitgefühls.


    Wenn der Zeitpunkt der Handlunge lange genug her ist, stört es auch keinen mehr --- trotz des alten Sprüchleins de mortuis nil nisi bene.

  • Zitat

    Original von Iris
    Woher, dachtest du, haben wir unsere Ideen?


    Soso...


    Ich danke Euch...hatte mich wirklich erst ein wenig davor gefürchtet, die Frage zu stellen...aber Eure Antworten stellen mich doch sehr zufrieden, muß ich sagen.


    :wave
    Baumbart

  • Hallo, Baumbart.


    Zitat

    Deiner Antwort entnehme ich, daß Du zumindest es nicht so ohne weiteres tun würdest, Tom. Aber auf Deiner HP unter den Schreibtipps habe ich gelesen, daß ein Schriftsteller eigentlich so arbeiten sollte, mit den von Dir genannten Einschränkungen natürlich.


    Siehe Antworten von Iris und Demo.


    Man beobachtet, hört zu, kennt Leute. Der eine hat eine skurille Macke, der andere sieht seltsam aus, der dritte kleidet sich unkonventionell. Verrühren, ein bißchen Sahne drauf, fertig ist der frische Protagonistenkuchen. Vielleicht wird die Macke leicht variiert, vielleicht macht man aus dem eiförmigen Muttermal ein dreieckiges, vielleicht ändert man den Hang zu altrosa in einen zu neongrün. Aber die Vorbilder unserer Geschichten wandern durch deutsche Straßen. :grin Manch ein Vorbild findet sich in mehreren Figuren, manche Vorbildergruppe wird zu einer Figur eingedampft. Je nachdem, wie's paßt. Wichtig ist, daß vor dem geistigen Auge - auch dem des Lesers - eine neue Figur entsteht, eine konsistente und glaubwürdige.


    Aber ich würde in einem unfreundlichen/unerfreulichen Kontext niemals eine Figur so besetzen, daß sich ein vermeintliches Vorbild direkt wiedererkennen könnte. Nicht einmal bei Leuten, die ich nicht mag - die sind es mir nicht wert.

  • Zitat

    Original von Tom


    Aber ich würde in einem unfreundlichen/unerfreulichen Kontext niemals eine Figur so besetzen, daß sich ein vermeintliches Vorbild direkt wiedererkennen könnte. Nicht einmal bei Leuten, die ich nicht mag - die sind es mir nicht wert.


    Das kann ich mir beim besten Willen gar nicht vorstellen - daß es Leute geben sollte, die Du nicht magst.

  • dann sollt ich mal nicht erwähnen das ich ein selbst meiner kollegin in meinem buch umbringen will?
    aber das brauch ich als ist meine persönlich rache für ihre existenz.

  • natürlich verwende ich auch bekannte und kollegen in meinen büchern, durchaus manchmal so, dass man sie durchaus erkennen kann, auch wenn das nicht immer sehr vorteilhaft ist, aber ich achte schon darauf, dass ich keinen ärger mit den anwälten kriege

  • Bei dem Verbot gibt es aber eine Einschränkung: Absolute Personen des öffentlichen Lebens müssen eine "Behandlung" in einem Werk auch hinnehmen, weil sie in der Öffentlichkeit stehen. Sonst wären Satiren auch gar nicht möglich. Die Grenze ist natürlich auch hier bei Beleidigungen oder Verleumdungen, denn das Persönlichkeitsrecht ist genauso geschützt. Anders ist das bei relativen Personen des öffentlichen Lebens, die eigentlich nicht der Allgemeinheit bekannt sind, aber durch ein Ereignis kurz allgemeine Bekanntheit erlangten, z.B. ein Privatmann, der in der Zeitung abgebildet war, weil er jemandem das Leben gerettet hat, o.ä.

  • Ich handhabe das so, dass ich aus mehreren beobachteten Personen eine Einzige mache, sodass der Moment des Wiederentdeckens nicht vorhanden ist...

  • Reicht es nicht einfach, den Namen zu ändern? Ich hab vor kurzem eine Geschichte geschrieben, wo eine Person aus der Umgebung vorkam. Initalien: K und H. Da hab ich im Vornamenbuch nach K-Namen gesucht, nix gefunden und dann Christian genommen und im Schriftstellerlexikon H nachgeschlagen. Heraus kam Christian Hagenau- erkennt niemand wieder. Außerdem ändere ich das wirkliche Geschehen immer ab, sodass sich die beschriebene Person wahrscheinlich (hoffentlich!) selbst nicht erkennt.

  • Zitat

    Original von hinterwäldlerin
    Reicht es nicht einfach, den Namen zu ändern? Ich hab vor kurzem eine Geschichte geschrieben, wo eine Person aus der Umgebung vorkam. Initalien: K und H. Da hab ich im Vornamenbuch nach K-Namen gesucht, nix gefunden und dann Christian genommen und im Schriftstellerlexikon H nachgeschlagen. Heraus kam Christian Hagenau- erkennt niemand wieder. Außerdem ändere ich das wirkliche Geschehen immer ab, sodass sich die beschriebene Person wahrscheinlich (hoffentlich!) selbst nicht erkennt.


    jep so würde ich das auch machen. als erstes immer namen ändern und dann auch noch nen bisschen mit anderen personen mixeen