Klappentext:
"Wenn die Seiten dieses Buches den einen oder anderen glücklichen Vers gewähren, so möge mir der Leser die Unhöflichkeit verzeihen, daß ich ihn mir als erster angemaßt habe. Unsere Nichtigkeiten unterscheiden sich kaum; es ist ein bedeutungsloser und zufälliger Umstand, daß du der Leser dieser Überlegungen bist und ich der Verfasser."
Meine Meinung
Jorge Luis Borges gehört zu den wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts, und das obwohl er nie ein längeres Prosawerk verfasst hat - eine erstaunliche Leistung in unserer romanlastigen Zeit. Leider gehört er auch zu den Autoren, die man kennt, aber kaum liest.(Das ist zumindest mein Eindruck, belehrt mich eines besseren.)
Der Sammelband "Im Labyrinth" vereinigt einige seiner bekanntesten Erzählungen, Essays, Fragmente und Gedichte. Darunter ist so vielfältiges wie ein Essay über die unterschiedlichen Übersetzungen von Tausendundeine Nacht in deutscher, englischer und französischer Sprache, die Beschreibung einer fiktiven Bibliothek des Weltwissens oder eine Erzählung über einen Mann, der im Moment seiner Erschießung ein Drama verfasst, dass nie ein Mensch lesen wird. Was all diese Texte vereint ist die Suche nach einer "Wahrheit". Das kann die Suche nach einer perfekten Sprache, nach dem Schlüssel zum Verständniss der Welt, nach dem perfekten Kunstwerk oder nach Gott sein. All diese Suchen scheitern letztendlich und der Leser findet sich in einer Welt zurückgelassen, in der jeder Sinn fraglich ist.
Borges Texte sind keine leichte Lektüre. Mitreißende Erzählungen oder Protagonisten, in die man sich Hereinversetzen kann, findet man kaum. Es braucht sicherlich einige Leseerfahrung und eine Bereitschaft in die Tiefenschichten eines Textes einzudringen, um aus der Lektüre von Borges eine fruchtbare Erfahrung zu machen. Wer aber Freude am Hintergründigen hat, am Spiel zwischen Fiktion und Wirklichkeit, ist beim Altmeister der lateinamerikanischen Literatur gut aufgehoben!
Unbedingt lesenswert!