Renata Petry - Hilgensee

  • Über die Autorin
    Renata Petry wurde in Großburgwedel bei Hannover geboren und lebt heute in Dänemark. Sie hat bereits zwei historische Romane veröffentlicht und war viele Jahre als Juristin tätig.


    Kurzbeschreibung
    Kreuzgang, Kekse, Kapriolen1907. In Hilgensee, einem Stift für adlige protestantische Damen, geschehen merkwürdige Dinge: ein ungeklärter Todesfall, ein geköpfter Hahn in einem Baum, eine erdrosselte Stiftsdame - welch ein Skandal! Der selbstredend schleunigst vertuscht werden soll. Aber die drei Stiftsfräulein Änne, Alwine und Gertrud (gänzlich unterschiedlich in Temperament und Alter) forschen in alten Chroniken nach und kommen einem unschönen, uralten Ritual auf die Spur. Glücklicherweise lässt sich zur Regeneration immer ein entspannendes Teestündchen oder eine abendliche Sherryrunde einschieben, damit der Belastungen für die zarte Konstitution nicht zu viele werden. Doch schließlich wird es brenzlig für die Detektivinnen.


    Meine Rezension
    Zuerst einmal musste ich hier über die Bedeutung der Damenstifte nachlesen – so dachte ich immer, dass es sich hierbei ausschließlich um klosterähnliche Einrichtungen handelt. Doch Damenstifte sind auch adelige Frauengemeinschaften bzw. eine Art Wohnheim für adelige oder wohlhabende unverheiratete Frauen. Um so einen Damenstift handelt es sich hierbei auch.


    Änne von Schalck, ein etwas unbedarftes und weltfremdes älteres Fräulein zieht sich – wohl als Folge einer dramatischen, unerwiderten Liebe - in das Damenstift Hilgensee zurück. Anfangs zieht sie sich dort noch sehr von allen Aktivitäten zurück, doch bald schon schließt sie erste Freundschaften.


    Doch Hilgensee scheint nicht der Ort der Ruhe zu sein, den sie sich erhofft hatte, denn eigenartige Geschehnisse treten auf und dann ist da auch noch ihre Vorgängerin Herma, die eigentlich vor ihrer Zeit sterben musste. Doch was steckt hinter all dem?


    Änne und ihre beiden Freundinnen Alwine und Gertrud begeben sich auf eine nicht ganz ungefährliche Spurensuche...


    Fazit
    Das Ambiente, ein Damenstift um die Jahrhundertwende, hat es mir schon sehr angetan.


    Die Geschichte hat mir außerordentlich gut gefallen: Die Sprache ist der Zeit gut angepasst, sie wirkt nostalgisch und leicht angestaubt (ebenso wie die Fräuleins im Buch *grins*). Über lange Strecken wird die Geschichte sehr cosy erzählt, doch gegen Ende hin kommt bedeutend Rasanz in die Story und man erlebt die eine oder andere große Überraschung.


    Ich möchte daher hier nur wenig auf den Inhalt eingehen, da ich nichts vorab verraten möchte. Das Trio um Änne ist aber ebenso verschroben wie liebenswert und es hat mir großen Spaß gemacht, dieses nette Buch zu lesen.


    Eine sehr schöne und unterhaltsame Erzählung, die für mich nur einen einzigen Wermutstropfen enthielt: Angesichts der vielen Protags wäre hier ein Personenverzeichnis zu Beginn des Buches sehr nützlich gewesen!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Hört sich sehr verlockend an. Ich glaub ich pack das mal auf meinen Wunschzettel. Herzlichen Dank für die Rezi.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Batcat
    Ich weiß nicht, ob das was für Dich ist, aber dieses leicht verstaubte Ambiente hat mich richtiggehend 100 Jahre jünger fühlen lassen. :chen


    Ich denke schon das man sich auf deine Buchtipps verlassen kann. Und ein Stift so um die Jahrhundertwende finde ich schon interessant. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Für Freunde der Minimal-Information verstecke ich konkretere Bezüge auf den Inhalt mit Hilfe der Spoilerinformation. Ohne natürrrrlich wirklich zu spoilern. Das Wichtigste und Spannendste würde ich gar niemals nicht verraten.


    ***


    Renata Petry: Hilgensee – Roman, München 2008, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-24697-2, 478 Seiten, Format: 13,5 x 21 x 3,5 cm, Euro 14,90 [D], 15,40 [A], sFr 25,80.


    Deutschland 1904: Nachdem ihre Familie die Heirat mit einem nicht standesgemäßen Wissenschaftler erfolgreich hintertrieben hat, tritt die 30-jährige Annette „Änne“ von Schalk in Hilgensee ein, einem Stift für adelige protestantische Fräulein. Kaum angekommen, fragt sie sich schon, ob das die richtige Entscheidung war. Ihre Stiftsschwestern sind eine Ansammlung sonderbarer Charaktere und ausgerechnet die ihr unsympathischste, Vikarin Alwine von Hohenhagen, wird ihre Mentorin.


    Änne kann in der Damenrunde weder mit einem attraktiven Äußeren noch mit einer eindrucksvollen Familie punkten. Ihre skandalumwitterte französische Großmutter, die Comtesse de Clarigny, ist eher keine Empfehlung. Besondere Interessen und Talente hat Änne auch nicht. Nur, weil sie angibt, gerne zu lesen, landet sie als Assistentin von Elsbeth von Hasleben in der Stiftsbibliothek.


    Elsbeth passt es gar nicht, dass man ihre eine Mitarbeiterin aufzwingt, denn sie hat ein Geheimnis, das Änne von Schalk nicht lange verborgen bleibt – wenn sie auch erst einer Interpretationshilfe der lebenserfahrenen Gertrud von Rohda bedarf, um die Zusammenhänge zu begreifen.


    Änne staunt: Die über siebzigjährige Gertrud ist ja gar nicht so hinfällig, wie sie immer tut, sondern pfiffig und kreativ und hat es faustdick hinter den Ohren. Sie hat auch gleich einen originellen Plan parat, wie man Elsbeth von Hasleben helfen könnte. Doch ehe ihr Hilfsprogramm greifen kann, geschieht Dramatisches: Stiftsschwester Dorette von Schlohfeld entdeckt einen geköpften Hahn, der an einem Apfelbaum aufgeknüpft wurde, und erleidet vor Schreck einen Schlaganfall. Und Elsbeth von Hasleben wird tot in der Orangerie aufgefunden.


    Der gockelhaften junge Assessor aus der Residenzstadt erklärt nach einer hastigen Ermittlung den Todesfall zum Selbstmord. Mit diesem Ergebnis sind Alwine von Hohenhagen und Gertrud von Rohda gar nicht einverstanden. Sie beschließen, selbst nachzuforschen und hätten dabei aus verschiedenen Gründen gerne die Unterstützung von Änne von Schalck. Änne ist nicht begeistert von der Idee, aber Alwine und Gertrud können sehr überzeugend sein. Und es gibt ja auch mehr als genügend mysteriöse Ereignisse im Damenstift, denen man dringend auf den Grund gehen müsste:



    Nachdem auch Änne beginnt, Stimmen durch die Wand ihres Zimmers zu hören, schließt sie sich den detektivischen Stiftsschwestern an. Als weitere geköpfte Kreaturen auf dem Gelände gefunden werden, wissen die drei Damen, wo sie mit ihren Nachforschungen ansetzen müssen. Sie stöbern in den Chroniken des Stifts und kommen einem uralten, schaurigen Ritual auf die Spur. Zu ihrem Entsetzen verdichten sich die Hinweise, dass es nicht bei geköpften Tieren bleiben wird.


    Den drei Damen wird zweierlei klar: Sie müssen jetzt schnell handeln, ehe es zu einem weiteren Mord kommt. Und sie sind dabei auf sich allein gestellt, denn diese Geschichte glaubt ihnen kein Mensch. Was sie nicht wissen: Die Übeltäter haben inzwischen mitbekommen, dass zumindest Änne von Schalck ihnen dicht auf den Fersen ist ...


    Renata Petry beschreibt ihre Charaktere und deren Tun in dem liebevoll-spöttelnden Ton, in dem man oft die Eskapaden geschätzter aber leicht verschrobener Zeitgenossen zu schildern pflegt. Dies tut sie, ohne je respektlos zu werden oder die Personen vorzuführen. Da ist Änne von Schalck, bieder, farblos, schlecht frisiert, die angesichts der schrecklichen Ereignisse in Hilgensee über sich hinauswächst. Oder die spitzzüngige Vikarin Alwine von Hohenhagen mit dem spöttischen Blick, einer tragischen Familiengeschichte und der befremdlichen Vorliebe fürs Kartenlegen. Und, nicht zu vergessen, Gertrud von Rohda, die gern mal die senile alte Schachtel spielt, wenn es ihren Plänen nützlich ist, die aber in Wahrheit sehr gewitzt ist und über eine Menge verblüffender Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt.


    Selbst die Nebenfiguren haben es in sich: die plagiierende Stiftsdichterin Cornelie ... die Priorin, die ihre ganz eigenen Pläne verfolgt ... der eitle Assessor und seine flatterhafte Verlobte ... die jungen Stiftsfräulein, die sich um die paar wenigen attraktiven Männer in ihrem Umfeld balgen ...


    Auch wenn der hochdramatische Showdown dank Gertrud von Rohda und der beherzten Priorin ein paar herrlich komische Momente hat, wird die Geschichte an keiner Stelle albern oder lächerlich. HILEGENSEE ist ein unterhaltsamer Krimi im historischen Ambiente mit sympathisch-schrulligen Charakteren und einem leicht ironischen Erzählton. An die drei grundverschiedenen adeligen Detektivinnen im Damenstift könnte man sich gewöhnen, doch Serienheldinnen werden sie wohl nicht werden. Schade, eigentlich.


    Im Fortgang der Geschichte wünscht man sich manchmal eine Auflistung der Personen, denn all die adeligen Familiennamen sind nicht einfach zu merken und auseinander zu halten: Wer war noch mal das Fräulein von Dechow? Ach ja, Cornelie, die abschreibende Dichterin! Doch auch wenn man sich bei den vielen „vons“ konzentrieren muss – dem spannenden und amüsanten Lesevergnügen tut das keinen Abbruch.


    Die Autorin
    Renata Petry wurde in Großburgwedel bei Hannover geboren und lebt heute in Dänemark. Sie hat bereits zwei historische Romane veröffentlicht und war viele Jahre als Juristin tätig.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Änne von Schalck ist das, was man damals als Alte Junger bezeichnet hat. Nach einer nicht standesgemäßen Liebe zieht sie sich ins evangelische Damenstift Hilgensee zurück. Die Eingewöhnung fällt ihr schwer und zunächst ist sie nicht begeistert, als ihre Stitfsschwestern Alwine und Gertrud sie ungefragt "adoptieren". Bald jedoch erwächst aus der Zwangsgemeinschaft eine echte Freundschaft und als sich mysteriöse Dinge auf Hilgensee ereignen, ist die Abenteuerlust der drei Damen schnell geweckt und die beginnen auf eigene Faust zu ermitteln.


    Renata Petry hat ein atmosphärisch Dichtes und sehr vergnügliches Bild eines Damenstiftes zu Beginn des 20. Jahrhunderts gezeichnet. Ihre Protagonistinnen sind liebevoll gezeichnet und manchmal sehr verschroben. Die spannende Geschichte wird immer mit einem Augenzwinkern erzählt und neben dem Krimiplot gibt es durchaus auch Passagen, bei denen man herzhaft lachen kann.


    Ich hatte eine äußerst vergnügliche Woche in Hilgensee. Die Protagonistinnen sind mir ans Herz gewachsen und ich fand das Damenstift klasse. Bis zum Schluss habe ich mitgerätselt und lag zumindest zur Hälfte völlig falsch. Ich fand die Auflösung spannend und die letzten Seiten dieses Buches hatten dann noch sehr rührende Momente.


    Für Fans von Tante Dimity und Miss Marpel ist dieses Buch uneingeschränkt empfehlenswert. Die Protagonisten sind mindestens genauso schrullig *g*


    Von mir gibts 9 Punkte


    EDIT: Rezi ergänzt

  • Kurzbeschreibung:
    Kreuzgang, Kekse, Kapriolen 1904. In Hilgensee, einem Stift für adlige protestantische Damen, geschehen merkwürdige Dinge: ein ungeklärter Todesfall, ein geköpfter Hahn in einem Baum, eine erdrosselte Stiftsdame - welch ein Skandal! Der selbstredend schleunigst vertuscht werden soll. Aber die drei Stiftsfräulein Änne, Alwine und Gertrud (gänzlich unterschiedlich in Temperament und Alter) forschen in alten Chroniken nach und kommen einem unschönen, uralten Ritual auf die Spur. Glücklicherweise lässt sich zur Regeneration immer ein entspannendes Teestündchen oder eine abendliche Sherryrunde einschieben, damit der Belastungen für die zarte Konstitution nicht zu viele werden. Doch schließlich wird es brenzlig für die Detektivinnen.


    Inhalt:
    Nach einer unglücklichen Liebe tritt Änne von Schalk in Hilgensee ein, einem Damenstift für adelige Fräulein - Austritt nur durch Heirat oder Tod. Etwas verunsichert und auch schüchtern begegnet sie ihren Stiftsschwestern - einer Gemeinschaft äußerst sonderbarer, verschrobener Wesen, eine absonderlicher als die andere. Da haben wir Cornelie, eine verkannte Dichterin (mit einer tiefgründigen Liebe zu Fontane ;-)), die forsche und pfiffige Gertrud von Roda (aus einer Familie von Schnapsbrauern ;-)) und viele mehr. Alwine von Hohenhagen, die Vikarin, nimmt Änne unter ihre Fittiche und führt sie im Hause ein - von Änne wird diese aufgezwungene Begleitung gar nicht gewürdigt, denn sie findet die doch recht freche und forsche Alwine einfach unsympathisch. Ännes Aufgabe im Stift wird es, wegen fehlender anderer Begabungen, der Bibiothekarin Elsbeth von Hasleben zur Hand zu gehen. Prompt entdeckt sie deren scheinbar langgehegtes Geheinmis, beschließt ihr mit einer List zu helfen - doch die Ereignisse überschlagen sich: Ein Hahn wird geköpft an einem Baum aufgefunden, die Finderin erleidet den Schlag und auch Elsbeth von Hasleben wird tot aufgefunden. Der Justizassesor ist sich sicher: Selbstmord - doch die Schwestern glauben das nicht, und weil Änne sich schuldig am Tod ihrer Mitschwester sieht, beginnt sie mit Getrud und Alwine zu ermitteln... wiederwillig zwar, doch als sie beginnt "Stimmen" zu hören, wie auch die verstorbene Mitschwester, deren Zimmer sie nun bewohnt, beginnt sie doch sich für die Geschehnisse zu interessieren... und die patente Getrud hat da so eine Idee, was in den heiligen Hallen von Hilgensee so vor sich geht...


    Meine Meinung:
    Das Buch und seine Charaktere vermitteln eine ganz eigene Stimmung - die nämlich der Damenstifte anfang des 20. Jahrhunderts. Unverheiratete Fräuleins, "abgeschoben" in ein Damenstift, sonderbare Persönchen aller Altersstufen und allesamt etwas verschroben. So präsentieren sich hier die Damen des Stiftes - ein Wenig wie Trotzkopf für Erwachsene ;-)


    Sprache und Stimmung des Buches sind Zeit und Ort angemessen angepasst - man fühlt sich in eine fremde Zeit (und auch Welt) versetzt, wie es man sich heute gar nicht mehr so wirklich vorstellen kann. Die Personen sind vielschichtig gezeichnet, jede für sich sehr genau ausgeformt und jeweils mit einigen klischees der unverheirateten jener Zeit (so denke ich mir) bestückt - einem Faible für Kartenlesen, Dichtung, schlecht sitzende Frisuren, übermäßige Schüchternheit oder Bissigkeit oder Biederkeit und das Ringen um die wenigen attraktiven Männer, allen voran Arzt, Gutsvorsteher, Kirchenmusikant und weitere. Das Ambiente des ganzen Buches ist stimmig und passend. Der Ton des Buches ist leicht ironisch, die Geschichte in sich logisch, wenn auch teilweise etwas sehr phantasievoll. Das Buch ist ausgeschmückt mit witzigen Details und trotz der etwas gehobenen Umgangsweise und des Sprachtonus liest es sich gut und flüssig. Man meint fast, bei den Damen im Stift zu sein und mit ihnen über Spitzendeckchen und Morgenandacht reden zu können.


    Ebenso wie meine Vorrezensenten muss ich sagen, dass eine Personenübersicht dem ganzen wirklich den letzten Pfiff gegeben hätte. All die adligen Namen waren doch recht viel des Guten.


    Alles in Allem bekommt das Buch von mir gute 7 von 10 Punkten.

    "Show me a girl with her feet planted firmly on the ground and I'll show you a girl who can't put her pants on." (Annik Marchand)

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