Genervt bei historischen Romanen

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    Original von Siorac




    Ein weiteres fällt mir gerade ein: Die Auflösung des klassischen Gut-Böse Schemas, in dem jeder Protagonist klar und eindimensional einer der beiden Pole zuzurechnen ist. Ich finde so was einfach langweilig.


    Das hat mir meine letzten historischen Bücher *Die Säulen der Erde* und *Die Liebenden von Leningrad* so verleidet, dass ich nicht mehr gewillt bin, ein historisches Buch anzurühren. Vielleicht mal den Berling probieren... :gruebel.

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    Original von Seestern
    Mir kommt es hier manchmal vor, als werde in diesem Forum zum Teil mit zweierlei Maß gemessen.
    Autoren, die man nicht persönlich kennt, werden in der Luft zerrissen (derbst sogar) und Autoren, die sich bei den Eulen tummeln ein bisschen mit Samthandschuhen angefasst. Sobald sich dann jemand erdreistet, Kritik an den Bücher (wohlgemerkt NICHT an den Personen) zu üben, kommt das Argument Umgangston (Anstand, Höflichkeit, Fairness oder was auch immer) ...
    Und dabei argumentieren diejenigen, die die "Ehre" der betroffenen Autoren so vehement verteidigen und auf eine sachliche Meinungsäußerung pochen, für meine Begriffe eigentlich immer ein wenig unsachlich ...


    Danke, Seestern. Genau das ist einer der Gründe, das ich mich an solchen Diskussionen nicht beteilige. Früher oder später fällt ein Autorenname, der zugleich eine "liebe Eule" ist. Und genau das ist auch der Grund, das ich mir vorgenommen habe, an keiner Leserunde mit Autor, schon gar nicht, wenn er/sie hier auch privat unterwegs ist, mehr teilzunehmen. Mich hemmt es und es ist geht in meinen Augen nicht mehr objektiv zu.


    Aber das gehört nicht zum Thema, entschuldigung. Ich wollte es nur mal loswerden.

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    Original von Alraune


    Meine Frage an die Büchereulen:
    Gehts nur mir so? Bin ich überkritisch? Lese ich zuviel? Erwarte ich zuviel? Oder ist das Genre - im Moment - wirklich sehr ausgelutscht, und es fehlt an neuer Inspiration und neuen Ideen?


    Meiner Meinung nach ist das Genre schon seit 15 Jahren ausgelutscht.
    Als Medicus und Päpstin und Säulen der Erde erfolgreichste Bestseller wurden, sind die ersten auf den Zug aufgesprungen und leider wurde es meiner Meinung nach immer schlechter.
    Ich habe damals alles historische verschlungen - bis ich übersättigt war.
    Und nun geht das Genre bei mir gar nicht mehr:
    teils bin ich schon anspruchsvoller geworden was die glaubhafte Gestaltung, den Plot und die glaubhafte historische Charaktere und Sprache angeht - gerade dadurch, dass ich soviel gelesen habe.
    Und teils ist mir dann auch mehr und mehr aufgefallen, wie viel echter Müll da schnell mit verkauft wird, weil das Genre ja nun gerade so gut geht.
    Die Tatsache, dass ein Autor historische Romane an den Verlag bringt, sagt leider nichts über gute Recherche und gutes literarisches Gespür aus - sondern nur etwas über die Geschäftstüchtigkeit der Verlage.


    Und wenn selbst Follett es nicht mehr schafft eine annähernd authentische und glaubhafte historische Fortsetzung zustande zu bringen - nun dann möchte ich nicht wissen, wie sich all der sonstige historische Kram liest.


    Ich kann auf das Genre insgesamt gut verzichten - und das Etikett "historischer Roman" löst bei mir den "nicht kaufen, nicht lesen" Reflex aus.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

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    Original von janda


    Ich kann auf das Genre insgesamt gut verzichten - und das Etikett "historischer Roman" löst bei mir den "nicht kaufen, nicht lesen" Reflex aus.


    Das geht mir mit Vampirromanen so- also jeder wie es ihm am meisten Lesevergnügen verschaft.

  • Ich glaube das Problem ist einfach eine Uebersaettigung mit immer dem gleichen Stil. So zwischendurch hat mir z.B. auch das Lesen der ersten hist. Romane von Iny Lorentz sehr gefallen. Tolle Unterhaltung eben, dann ist es nicht so wichtig, dass es nicht 100% realistisch ist. Aber das reicht eben nicht um mich ueber mehrere Buecher bei der Stange zu halten. Dann hatte ich nach dem zweiten hier schon meine Probleme mit den wiederholten Hosenrollen geschildert, also wo sich Frauen in entsprechender Kleidung als Maenner ausgeben und durch das Mittelalter laufen.


    Die andere Seite ist die Erwartungshaltung, seichte Unterhaltung kann da seinen Platz haben. Und da hab ich auch nicht immer die gleiche sondern das aendert sich nach meiner Laune. Inzwischen eiche ich fuer seichte Unterhaltung aber lieber auf Krimis auf, ja Regionalkrimis am liebsten. Aber auch da kann ich mir sehr gut vorstellen, dass ich frueher oder spaeter auf Uebersaettigung stosse.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Beatrix ()

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    Original von beowulf


    Du solltest doch die grundlegende Definition von Reinhard Mey auf seiner LP "Die Zwölfte" kennen :grin


    Danke, dass Du mich daran erinnerst, weswegen ich meinen Accountnamen gewählt habe. :grin


    Hab mich sowieso schon über mich selbst geärgert, dass ich mich nicht lieber auf meine Finger setzte. Wenn ich an die Leserunde denke, die Gheron mit soviel fundiertem Wissen und in absolut netter, kompetenter Form begleitet hat, wird mir eh wieder klar, dass dieses Ehepaar es gewiß nicht nötig hat, über Anspruch an sich selbst zu diskutieren!


    :wave

  • die goldhändlerin und den ersten teil der wanderhure (und bedingt auch noch teil 2) habe ich genossen. bei der kastratin und der tatarin war mir das strickmuster dann ein wenig zu langweilig und der historische hintergrund zu dünn. sicher, es mag frauen gegeben haben, die, aus welchem grund auch immer, kurzfristig in männerhosen schlüpfen mussten, aber für mich hat das spiel "wird sie entdeckt und wenn ja, wie, und was passiert mit dem mann, in den sie sich verguckt hat" auf dauer etwas an reiz verloren.
    die fürstin hat mich vom historischen hintergrund (junger alter fritz, maria theresia) sehr interessiert, aber es zeichnete sich schon ab, was mE in der letzten zeit ohnehin zugenommen hat: deutlichste sex- und brutalszenen.
    ich bin nicht prüde, aber früher wurde so etwas nur angedeutet und der phantasie des lesers überlassen (so trug rhett seine scarlett in der nacht der zeugug des dann durch fehlgeburt verlorenen kindes "hinauf in die weiche, alles umwirbelnde finsternis" :-)
    ich gönne dem ehepaar lorentz seinen erfolg von herzen und bewundere fleiß und vielseitigkeit (fantasy, bergbauerngeschichten) würde mir aber im historischen bereich mehr abwechslung wünschen. wie gesagt, MEINE meinung. wenn, wie die verkaufszahlen es ja zeigen, viele das anders sehen, mögen sie sich noch an den urenkeln der wanderhure und der x-ten hosenmamsell erfreuen. es gibt ja zum glück noch ausreichend ausweichmöglichkeiten.
    wie zb die hier schon genannte iris kammerer.
    zu deren neuestem buch "varus" ich gern zu einer privaten leserunde einladen möchte.
    ein entsprechender thread wird gleich eröffnet :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Mir gefaellt es, wenn eine Meinungsaeusserung so formuliert wird wie eben von drehbuch: frei von persoenlichen Angriffen auf Autoren oder Leser der betreffenden Buecher.


    Es ist mir dabei gleichgueltig, ob es sich bei genannten Autoren und Lesern um liebe Eulen, boese Eulen, ambivalente Eulen oder andere Voegel handelt. Es ist fuer mich einfach eine Frage des respektvollen Umgangs miteinander.


    Als Autor wuensche ich mir, dass mir ein Leser sagt, wenn er mein Buch nicht mochte. Natuerlich wuensch' ich mir noch mehr, dass alle von meinem Buch schier hin und weg sind, keine Frage, aber da wir hier nicht bei Wuensch-dir-was sind, bescheide ich mich mit dem zweitbesten und Aeusserungen wie: "Das Buch war langweilig." "Das Buch fand ich unoriginell, habe ich schon tausendmal so gelesen" oder "Das Buch war mir in weiten Teilen zu kitschig." So etwas zu lesen, ist selbstredend nicht angenehm, aber dafuer nuetzlich.


    Mit "Das Buch war so voll Scheisse, dass ich das volle Kanne knallpeng an die Wand krachern lassen musste", muss ich natuerlich auch leben und bin bisher auch nicht daran gestorben. Allerdings bin ich der Meinung, dass solche Aeusserung mehr ueber den Schreiber aussagt als ueber mein Buch, weshalb ich mir erlaube, sie zu ignorieren, was mir bei Aeusserungen der ersten Art nie einfiele.


    Dass wir leidenschaftlich, emotional und spontan ueber Buecher reden, finde ich schoen.
    Dass wir gewisse Grenzen, die einen schuetzenden Puffer darstellen, einhalten, aber auch.


    Alles Liebe von Charlie
    (die denen, die die Lust am Genre verloren haben, gern noch "Gertrude und Claudius" des gestern verstorbenen John Updike sowie "Kristus" von Robert Schneider freundlichst empfehlen moechte.)

  • Hallo, Alraune!


    Zitat

    Original von Alraune
    Ich finde es ein bisschen schade, dass es hier so ein ein wenig in die Beurteilung reingeht - ich hatte keinesfalls beabsichtigt, irgendeine Autorenschelte zu betreiben oder auch nur das gesamte Genre abzuqualifizieren ( Iris :-)).


    Ich habe dich auch nicht so verstanden, dass du Autorenschelte betrieben hättest. Aber einzelne Beiträge liefen und laufen tw. in diese Richtung. Jeden einzelnen zu zitieren wäre nicht gegangen, mir ging es um eine grundsätzliche Darstellung der Voraussetzungen.


    Zitat

    Ich lese seit 44 Jahren intensiv, da wollte ich einfach mal wissen, ob diese "Müdigkeit" in Bezug auf historische Bücher ein rein persönliches Problem ist.


    Das ist es sicher nicht. Ich kriege auch die Motten, wenn ich eine große Buchhandlung betrete und den obligatorischen "HR-Stapeltisch" sehe, auf dem immer die gleichen Ölschinkendetails, immer die gleichen Titelschemata und -schlagwörter und immer die gleichen Signalwörter im Klappentext um die Gunst der Buchkäuferinnen buhlen. Da frage ich mich oft ernsthaft, ob den Gestaltern sonst nix einfällt. :lache


    Zugegeben, meine aktuellen Titel liegen häufig auch auf den Stapeltisch -- und das ist gut so, denn bei mir war der Verlag so schlau, ein aus dem Einerlei einigermaßen herausstechendes Cover zu gestalten (man darf die Bücher bloß nicht auf den Thriller-Stapeltisch legen, weil Thriller-Bücher wiederum alle schwarz mit grellem Motiv und Einworttitel sind, da ginge der Varus glatt unter :lache).


    Im Grunde ist es nicht fair gegenüber Autoren und Lesern, viele Bücher wie früher die Heftromane zu präsentieren, indem nur auf Signalwirkung hingearbeitet wird (das ist keine Bewertung der Heftromane!). Aber der Massenmarkt funktioniert nun einmal so. Nichtsdestotrotz ist nicht in jedem Roman, der auf diesen Tischen liegt, dessen Einband ein Dekolleté und ein Die ...in-Titel ziert, und dessen Klappentext eine Liebesgeschichte vor bunter Kulisse ziert, jenes knallbunte Laientheater zu finden, das viele dort automatisch erwarten.


    Da muss ich eine ganze Reihe meiner Kolleginnen (männliche Autoren trifft dieses "Schicksal" seltener) in Schutz nehmen, denn für Aufmachung, Einband, Titel, Werbetexte zeichnet der Verlag verantwortlich, nicht die Autoren!!! :wave

  • Zitat

    Original von Siorac
    Ich kenne „Die Fürstin“ nicht, muss mir also mit der Kurzbeschreibung aus Amazon behelfen (ich weiß, die sind oft unpassend):


    Eine Frau kämpft um den Thron und um ihre Liebe ... Charlotte stammt aus einem verarmten Adelshaus und muss sich als eine von acht Töchtern glücklich schätzen, einen Mann gefunden zu haben, der bereit ist, um sie zu freien. Ausgerechnet sie soll dem Fürsten Carl Anton den ersehnten Thronfolger schenken. Charlotte ahnt nicht, dass dies für den Regenten die einzige Möglichkeit ist, das Reich vor seinem gefährlichsten Feind zu schützen. Wird es der jungen Fürstin Charlotte gelingen, nicht nur das Volk in ihrer neuen Heimat, sondern auch ihren Gemahl für sich zu erobern?


    Öhhhm, nein, geht man hier nach, bleibe ich bei Berling.


    Nach Klappentexten und Aufmachung allein sollte man nie gehen. :lache


    Ich wiederhole: Klappen- und Werbetexte werden nicht von den Autoren geschrieben, sondern von Lektoren oder jemandem aus der Marketingabteilung (je nach Verlag und/oder Popularität des Autors). Bei vielen "Programmfüllern" schreibt den sogar ein/e Praktikant/in, die/der vom Inhalt des Buches nicht viel mehr kennt als ein Kurzexposé mit Handlungsabriss. Die Personaldecke in den Verlagen ist dünn; denn allzu viele Buchkäufer denken, dass Bücher immer noch billiger sein müssten, und dann wird in diesem Bereich halt rigoros gespart.
    Gleichzeitig müssen gerade im Massenmarkt bestimmte Signalworte genannt werden, die dem Einkauf im Buchhandel und möglichst auch den Spontan- und Schnellkäufern unter den Verbrauchern die Entscheidung leicht machen.


    Um das mal an einem anderen Beispiel zu zeigen: :grin

    Zitat

    Die geheimnisvolle Festung Masyaf, uneinnehmbar gelegen im wilden Noisir-Gebrige zwischen Antioch und Tripolis, wird im 12. Jahrhundert zum Hauptsitz der Assassinen. Von hier sendet Sheik Sinan, im Heiligen Land gefürchtet als "Der Alte vom Berge", seine Jünger aus - Selbstmordattentäter, die ohne jedes Zögern politische Meuchelmorde ausführen. Der prächtige Garten seines Harems "Das Paradies" - mit erlesenen Jungfrauen von sagenhaftem Liebreiz - wird zum einzig ersehnten Ziel seiner Assassinen, für das sie bereit sind ihr Leben zu geben. Auch Sayf und sein Freund El-Mansur brennen darauf, vom Sheik auf eine "Mission ohne Wiederkehr" geschickt zu werden, denn nur dann öffnet sich das Tor zum "Paradies", hinter dessen hohen Mauern die von beiden heiß geliebte Melusine festgehalten wird. Doch dann wird ein Mordanschlag wird auf den "Alten vom Berge" verübt, und die Freunde stoßen auf ein gefährliches Geheimnis ...


    Ich habe die Signalwörter fett hervorgehoben. Kleiner Kritikpunkt meinerseits hinsichtlich der Frage nach einem wirkungsvollen Werbetext (oder das, was derzeit dafür gehalten wird): Das Adjektiv "politisch" ist eigentlich ein No-Go.


    Soviel zur Erstellung von Werbetexten und dazu, dass nicht einmal Peter Berling davon verschont bleibt. ;-)



    Zitat

    Wenn Du mit "Schinken" meinst, dass das Buch sperrig ist und sich weniger leicht wegliest, hast Du aber sicher Recht.


    Berling ist keineswegs "sperrig"! Er schreibt anders als viele der bisher genannten Autoren, aber -- anders als z.B. Dorothy Dunnett gelegentlich (!) -- keineswegs "sperrig".
    Seine "horizontalen" Szenen sind auch nicht weniger deftig als die anderer genannter Autoren. Anders, ja. Eher wie die Erotik bei Cornwell. Und dieses "anders" muss man -- gerade bei den letztgenannten -- mögen, das ist Geschmackssache!

  • Zitat

    Original von Siorac
    @ Voltaire: Ich danke Dir für Deine Worte. Du hast meine Gedanken besser formuliert, als ich das gekonnt hätte. Es ist m.E. mehr als absurd, Verkaufszahlen als Indikator für Qualität herzunehmen. Wo gibt's denn so was? Oder schauen etwa mehr Menschen das "Nachtstudio" als das "Dschungelcamp"?


    Ich hab den Fred jetzt noch mal gelesen und bin nirgendwo auf die Aussage gestoßen, dass Verkaufszahlen ein Indikator für Qualität sind. Ich bin immer wieder erstaunt, was hier alles in Postings reininterpretiert wird.


    Meine Aussage war, dass es sich um Autoren handelt, die erfolgreich veröffentlicht haben, sprich ihre Bücher bei renommierten Verlagen herausgebracht haben. Wäre das so, wenn ihnen jegliches Talent zum Schreiben fehlt?


    Zudem wird hier von den Eulen-Vorlieben und Geschmäckern immer wieder auf die 99 % der restlichen Leser Deutschlands geschlossen und das kann man meiner Meinung nach nicht. Wir sind eine Randerscheinung aber nicht die Masse.

  • Was mich an fast allen historischen Romanen der derzeitigen Unterhaltungsliteratur stört, ist, dass ich das Gefühl habe, dass es den Autoren darum geht, eine Geschichte in einem abenteuerlichen Ambiente zu schreiben und dabei die Fantasie des Lesers zu bemühen und nicht so sehr darum das historische Setting glaubhaft zu machen und erlebbar.
    Mich stört, dass in allen historischen Unterhaltungsromanen, die ich in letzter Zeit gelesen habe, die Autoren sich keine Mühe mehr geben, sich dahinein zu versetzen, wie Menschen mit den Werten dieser Zeit, der Erziehung dieser Zeit, der Sprache dieser Zeit aufgewachsen sind und was das für die Charaktere bedeutet.
    Besonders auffällig wird es bei Frauenrollen, die sich "emanzipieren".


    Ich glaube schon (und es ist auch historisch belegt), dass Frauen aus ihren tradierten Rollen ausgebrochen sind - doch oft wird eine emanzipatorische Haltung in den Romanen formuliert mit Floskeln und die Frauen sind so beschrieben, als ob da eine Frau des 21. Jahrhunderts in eine Zeitmaschine geraten ist. Da stimmt weder Sprache, noch Motiv.


    Das meiste, was da an historischen Romanen gehandelt wird, sind reine Fantasy - Romane.


    Und da sich das nicht nur häuft, sondern in der Überzahl ist, geht mir das Genre inzwischen sehr auf die Nerven.


    Ich lese gerne mal seichtes - aber dann aus unserer Zeit. Bei historischen Romanen fühle ich mich da eher verarscht.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Was mich viel mehr stört als der Boom an sich - der Buchhandel verdient sehr gut daran, ohne großen Aufwand - ist die Tatsache, das fast alles, was auf diesem Gebiet erscheint beinahe mit Gewalt in diese eine Richtung gepresst wird. Covergestaltung und Klappentext bedienen eine Zielgruppe, ob das Buch dazu passt oder nicht ist da zweitrangig und viele Perlen gehen in diesem Einheitsbei einfach unter. Wie auch in anderen Bereichen fehlt den Verlagen hier meiner Meinung nach der Mut zur Individualität, der Mut, es ausserhalb der eingefahrenen Wege mit etwas eigenem zu schaffen.
    Natürlich ist es leicht, sich einfach ins gemachte Bett zu legen, und ich bin sicher nicht so naiv, das ich die Hintergründe nicht begreife, ich finde es trotzdem oft schade, wie gute Bücher und ihre Autoren zugunsten der schnellen Massenvermarktung hier verheitzt werden.
    Natürlich sing gute Abverkäufe gut für die Autoren - doch was machen sie nach dem Boom?

  • Mir ist das auch schon aufgefallen. Ich selbst habe noch nicht so viele historische Bücher gelesen und da kommt dann natürlich bei mir in dieser Hinsicht auch noch keine Langeweile auf. Aufgefallen ist es mir in den Regalen der Buchhandlungen und ich habe mich schon länger gefragt, ob die nicht doch alle gleich sind. Gut wahrscheinlich unterscheiden sich einige im Schreibstil, aber die Abhandlung wird sich wohl immer recht ähnlich sein. Ich werde wohl noch ein paar dieser Bücher lesen, weil ich ja wie gesagt erst mit historischen Büchern angefangen habe und auch die Frauengeschichten für mich noch nicht ausgelutscht sind.

    :wave Gruß Dany


    Die Wirklichkeit ist etwas für Leute, die mit Büchern nicht zurechtkommen.
    Leserweisheit

  • Ich lese nach wie vor sehr gern historische Romane, allerdings achte ich dabei auf Qualität.
    Die Bücher mit dem typischen "Die ...in" Titel und der für die dargestellte Zeit völlig unglaubwürdigen superemanzipierten Heldin, die sich als Mann ausgibt, lese ich nicht.


    Die Bücher von Rebecca Gablé, Brigitte Riebe, Sabine Weigand und Tilman Röhrig (ohne Anspruch auf Vollständigkeit, es gibt noch mehr "anspruchsvolle" Autoren!) kann ich aber uneingeschränkt empfehlen: bei ihnen merkt man, dass die Autoren etwas von der Materie verstehen. Ebenso ist "Die zwölfte Nacht" von Charlotte Lyne für mich eine Neuentdeckung gewesen und ich hoffe, dass da noch viel nachkommt.


    Generell achte ich aber darauf, nicht pausenlos historische Romane zu lesen, sondern zwischendrin immer wieder mit meinen anderen Lieblingsgenres (Krimi/Thriller und Biographien) abzuwechseln.

  • Hallo, Bodo!


    Die Gefahr, verheizt zu werden, ist da, das spüre ich selbst auch gelegentlich. Ich selbst versuche mich ganz bewusst thematisch aus diesem Schema fernzuhalten -- auch weil ich in dieser Form gar nicht erzählen kann!


    Der leichte Unterhaltungsroman ist eine ganz eigene Kunst, und wer das drauf hat, bringt eine ganz eigenständige Leistung!
    Allerdings werden in diesem Genre inzwischen auch Texte publiziert, die sprachlich und erzählerisch das Niveau von Mittelstufenaufsätzen kaum übersteigen und denen deutlich anzumerken ist, dass die/der Autor/in zwar von ihrem eigenen Bild (!) einer Epoche total fasziniert ist, aber eigentlich keine Ahnung davon hat.
    Das ist bei Lesefutter auch nicht wichtig. Hauptsache, bestimmte Versatzstücke werden geliefert und die Story läuft irgendwie, am Ende schleift man den Text per Textredaktion auf gewünschten CW-Wert.
    Das klingt brutal, aber angesichts der bereits erwähnten dünnen Personaldecke (Lesefutter muss billig sein!) ist kaum mehr zu leisten!


    Man darf nicht vergessen, dass der massenhafte Abverkauf solcher Bücher eine finanzielle Existenzgrundlage für Verlage und Buchhandel ist und oft erst die mutigen Projekte (neue Autoren, interessante Themen, anspruchsvollere Texte etc.) ermöglicht -- die allerdings von den Endkunden nur extrem selten in derselben Masse abgegriffen werden wie das Lesefutter.


    Lesefutter gibt es in vielen Genres, nicht nur im Historischen Roman. Es gibt "freche Frauen", Krimis, Fantasy usw. Im historischen Genre erscheint es uns deshalb so ärgerlich, weil wir mit dem Begriff "historisch" einen Bildungsanspruch verbinden. Der ist natürlich beim "historischen Lesefutter" bestenfalls ein Bildungsanstrich. :grin

  • Mir war gar nicht bewußt, dass einige Autoren unter anderen Namen veröffentlichen. Jetzt weiss ich aber, warum sich viele Bücher so ähnlich sind.

  • Ihr Lieben und Guten (und alle Ihr, die Ihr genau das nicht seid, dieses hier aber trotzdem lest, so wie ich),


    tja. Dann reihe ich mich mal ein in die Riege derer, die eben auch historische Romane lesen. Es ist ja bereits betont worden, dass die Spanne auch in diesem Genre sehr weit reicht.


    Und wenn ich schon mal dabei bin, oute ich mich weiter: Ich habe sowohl "Sinuhe, der Ägypter", "Henri IV" und "Ben Hur" in meinen Bücherkisten als auch ein bis drei Bände in der Preislage Barbara Cartland und ähnlicher Nackenbeißer.


    Und ja, es gibt Momente, da lese ich auch gerne letzteres. Warum auch nicht? Mal ist mir eben auch nicht immer nach Feinschmeckermenü, mal darf es auch ein Burger mit Pommes und Brause sein. Die Mischung macht es. Hauptsache, ich muss hinterher nicht spülen.


    Was gerne vergessen wird beim Einschimpfen auf das Genre: Es gab und gibt sie ja, die AutorInnEn, die gründlich recherchieren, die ihre Phantasie mit Fakten düngen, auf dass sie reichlicher sprieße. Alles weitere ist und bleibt doch Geschmacksfrage.


    Gisbert Haefs' Stil mochte ich auch schon mal. Mittlerweile habe ich ihn über. Na und? Mir gefällt die Schreibe von Iny Lorenz nicht so gut wie beispielsweise die von Ines Thorn. Na und? Vermutlich wird mir etwas von Iris Kammerer mehr zusagen als etwas von Tanja Kinkel. So what?


    Die je nach persönlicher Befindlichkeit mehr oder weniger einladenden Stapel in den als Buchhandlung maskierten Gemischtwarenläden, die sind ja nicht alles, was auf dem Markt erhältlich wäre. Und wenn man nicht weiß, was lesen, ist doch oft auch geschultes Personal gern behilflich.


    Dass aber, bloß weil "irgendwie historisch Gemeintes" gerade schwer en vogue ist, auch nur ein einziges hoch literarisches Werk weniger gelesen würde, glaubt ja wohl hoffentlich niemand.


    Oder hängen die Verkäufe der Neuen Zürcher Zeitung davon ab, wieviel BILD-Zeitungen auf der Ladentheke liegen?


    ______


    Edit(h) ON
    Die "Paarung" der AutorInnEnNamen ist zufällig, die Nennung nicht.
    Edit(h) OFF

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

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  • Eigentlich stelle ich es mir ziemlich schwierig vor, einen guten historischen Roman zu schreiben.
    Eine Historikerin mag ja ihre Epoche bis ins kleinste Detail kennen. Aber was bringt's, wenn auch die unwichtigste Nebenfigur authentisch ist, die Autorin sich aber leider keine guten Geschichten ausdenken und nicht gut schreiben kann.
    Andererseits geht auch der tollste Plot vorn Baum, wenn die Geschichte in irgendeine Epoche verpflanzt wird, und die historischen Details mal kurz bei Wiki zusammenrecherchiert werden.


    Wie geht ihr denn vor, nehmt ihr eine Epoche und denkt euch die Geschichte dahinein, oder habt ihr einen Plot und sucht euch dann eine geeignete Ära?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)