Genervt bei historischen Romanen

  • Hi,


    ich wags mal, hier ein wenig Dampf abzulassen....


    Ich habe mich immer extrem für Geschichte interessiert. Und ich habe immer gerne historische Romane gelesen. Mit den Jahren immer mehr, weil irgendwann auch Leute, die etwas davon verstehen (auch wenn nicht alle Historiker sind :-)) oder sich wenigstens die Zeit genommen haben, anständig zu recherchieren, angefangen haben, so etwas zu schreiben.


    Ich hab mich gefreut. Nachgewiesene, nachgeprüfte historische Ereignisse eingebunden in einen romanhaften, der Fantasie der Autorin/des Autoren entsprungenen Kontext. Toll!


    Dann kamen recht schnell die "Frauen"-Romane. Starke, kluge, nicht nachgebende, ihren eigenen Weg gehende Frauengestalten. Meist mit irgendwelchen (nicht unbedingt übersinnlichen) besonderen Fähigkeiten. Auf einer Mission. Frauengestalten, die man so eigentlich erstmal nicht mit den jeweiligen Epochen verbunden hat. Es gab sie - immer. Das wurde mir dann klar, als ich tiefer in die Historie eintaucht bin. Heureka!


    Dann setzte bei mir so langsam die Langeweile ein. Bücherreihen auf Bücherreihen wurden publiziert. "Die Tochter der..." "Die Hebamme von...", "Die ....bäckerin" ... (man/frau setze beliebig ein)... Diese Aufzählung ist keineswegs eine Abqualifizierung der jeweiligen Autorin/Autoren, soll nur exemplarisch stehen...


    Die letzten Bücher, die ich in diesem Genre gekauft/geschenkt bekommen habe, habe ich nicht mal zu Ende gelesen. Zu vorhersehbar der Plot, zu "bekannt" die Story. Zum Teil auch - meiner Meinung nach - zu schnell und bruchhaft geschrieben. Nicht entwickelt, zu viele unlogische Wendungen, zu stereotypenhaft (für mich).


    Erinnert mich ehrlich gesagt an den 4. Sequel von irgendeinem Kinofilm, nimm "Rambo", oder auch "Piraten der KaribiK" ...


    Ich habs jetzt aufgegeben. Ich kaufe in dieser Hinsicht nichts mehr. Möchte auch nichts mehr geschenkt bekommen.


    Meine Frage an die Büchereulen:
    Gehts nur mir so? Bin ich überkritisch? Lese ich zuviel? Erwarte ich zuviel? Oder ist das Genre - im Moment - wirklich sehr ausgelutscht, und es fehlt an neuer Inspiration und neuen Ideen?


    Ich harre eurer Meinungen :-)


    Liebe Grüße
    Alraune

  • Als Buchhändler verwalte ich diese ewig gleich aussehenden und vom Klappentext her gleichklingenden historischen Romane stapelweise, schiebe sie auf den Tischen und im Regal hin und her, ein nichtendenwollender Strom des scheinbar selben Buches - nur der Verlag wechselt.
    Aber so lange es funktioniert - und das tut es - wird sich daran allerdings nichts ändern. Solche "Modewellen" gibt es aber in jedem Genre, (siehe den Rattenschwanz an Kirchenthrillern im Kielwasser von Dan Brown), das kann man nur aussitzen - und auf bessere Zeiten hoffen!

  • Hallo,


    ja ich denke da hast Du wohl recht. Aber sollche Genre-Häufungen kommen in Wellen immer mal wieder vor.


    Im Moment sehr gut zu beobachten bei dem Vampir-Romanen. jeder will auf dieser Welle mitschwimmen, weshalb es leider auch viel Mist gibt.


    Ich lese selber sehr gerne historische Romane, jedoch auch Fantasy. In beiden Bereichen ist "Vorsicht" geboten.


    Gerne stöbere ich daher nach älteren Werken, die oft sogar oop sind.

    liebe Grüsse melanie


    Wenn man Engeln die Flügel bricht, fliegen sie auf Besen weiter !
    :keks


    :lesend )

  • Du sprichst mir aus dem Herzen, deswegen habe ich historísche Romane auch satt. Der Plot besteht meistens aus mittelalterlichen / neuzeitlichen Emanzen, denen irgendein böser Bube / die Familie (oder alle beide) was will.


    Der beste Buchtitel bis jetzt: Die Templerin - ohne das Buch gelesen zu haben behaupte ich jetzt einfach mal, dass die Tempelritter vermutlich nicht einmal Putzfrauen haben.

  • Wenn von einer Sache zu viel kommt, dann nervt es mich auch schnell. Bei historischen Romanen geht es mir noch nicht so, und ich hoffe, das bleibt auch noch eine Weile so :grin, aber mir geht es bei Vampirromanen so. Davon bin ich so übersättigt, das ich erstmal keinen mehr in die Hand nehmen werde.


    Mir geht es auch oft bei TV Serien so - nur mal so als Beispiel - wenn die zu Tode produziert werden und die Ideen wirklich schon hinken, dann reicht es.


    Ich denke nicht, das Du alleine damit stehst, Alraune. Es gibt sicher für jeden etwas, von dem er schnell übersättigt ist :-)
    Im Moment kommt es mir sowieso so vor, als wenn jeder neue Hype bis auf´s Grausigste ausgelutscht wird ... :gruebel

  • Das Problem bei historischen Romanen ist, dass es keine Qualität wie bei *Der Name der Rose* mehr gibt. Oder episches wie *Die Säulen der Erde* - was immer man auch von denen halten mag.
    Nur noch anspruchslose Emanzen-Romane verbunden mit Liebesgeschichtchen. Im Grunde hilft nur eins, nämlich nicht mehr kaufen, damit dieser Sumpf ausgetrocknet wird. Solange es genug tun, wird der Mist auch geschrieben.

  • Zitat

    Original von Nomadenseelchen


    Nur noch anspruchslose Emanzen-Romane verbunden mit Liebesgeschichtchen.


    Das finde ich auch, allerdings lese ich die Emanzen Geschichten noch gerne. Nur Liebesgeschichten sind heute irgendwie überall drin :gruebel Manchmal passen sie sehr gut und manchmal könnte ich auch gut drauf verzichten.

  • Zitat

    Original von Abendstern28w


    Das finde ich auch, allerdings lese ich die Emanzen Geschichten noch gerne. Nur Liebesgeschichten sind heute irgendwie überall drin :gruebel Manchmal passen sie sehr gut und manchmal könnte ich auch gut drauf verzichten.


    Was mich stört ist, dass gerade im Mittelalter an eine gottgegebene Ordnung geglaubt wurde, da wollte kein Bauer auf einmal Händler oder König werden; schon gar keine Frau.
    Im vikorianischen Zeitalter galt es schon als verrucht, wenn eine Frau Zeitung las oder die falschen Bücher.
    Emanzen, die alle Männer mit ihren Fähigkeiten hinwegfegen, passen einfach nicht da rein. Ich habe noch ein Buch zu lesen, in welchem ein Jahr im Mittelalter realistisch beschrieben wird; die Frauen hatten es hart genug, wenn man *Eine Frau steht ihren Mann* lesen möchte reicht das vollkommen, da braucht es kein Emanzengeschwatz mehr.

  • Nur drei Namen auf die die Diagnose, der ich im Übrigen dankbar zustimme, nicht zutrifft:


    Peter Berling
    Dorothy Dunnett
    Robert Merle


    ... sind jedem empfohlen der anspruchsvolle historische Romane schätzt und vom üblichen Histoblödsinn die Nase voll hat.


    @ Alraune: Schon mal was von diesen Autoren gelesen?

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Siorac ()

  • Zitat

    Original von Nomadenseelchen
    Das Problem bei historischen Romanen ist, dass es keine Qualität wie bei *Der Name der Rose* mehr gibt. Oder episches wie *Die Säulen der Erde* - was immer man auch von denen halten mag.

    Die gibts schon noch. Man muss nur ein wenig Suchen und manchmal etwas warten. Versuchs mal mit den Büchern von Rebecca Gablé.


    Ansonste kann ich den Tenor dieses Threads nur :write

  • Joi, eine Menge Antworten in der kurzen Zeit ... Danke!
    Ja, ich denke schon, es gibt da einen Zeitgeist, manchmal vielleicht auch das "auf einen Zug aufspringen". Legitim, durchaus. Aber für Vielleser eben halt tw. nicht sehr prickelnd...


    Siorac
    Peter Berling? - Ja - Die "Gral-Saga"
    Dorothy Dunnett: nein, noch nicht. Danke für den Tipp!
    Robert Merle: auch noch nicht, aber vor allem, weil ich das, was ich von ihm gesehen habe (franz. Epoche) nicht so prickelnd für mich finde. Trotzdem - ich werde auch ihm jetzt einen dritten Blick widmen, danke!


    Liebe Grüße
    Alraune

  • Zitat

    Original von Alraune
    Die letzten Bücher, die ich in diesem Genre gekauft/geschenkt bekommen habe, habe ich nicht mal zu Ende gelesen. Zu vorhersehbar der Plot, zu "bekannt" die Story. Zum Teil auch - meiner Meinung nach - zu schnell und bruchhaft geschrieben. Nicht entwickelt, zu viele unlogische Wendungen, zu stereotypenhaft (für mich).


    Aber dann scheint ja nicht das Genre an sich dein Problem zu sein (wenn du dir immerhin noch solche Bücher gekauft hast), sondern dass sie nicht gut sind. Quasi eine andere Baustelle.


    Ich würde auch eine Templerin "schlucken", solange mir glaubhaft gemacht werden kann, wie es zu ihrer Existenz kommen konnte. Vielschichtige, glaubhafte Figuren, ihre Interaktion; eine spannende Handlung, die überraschen kann; das Gefühl, Einblick in eine mir fremde Welt tun zu können; eine schöne Sprache, all das macht ja ein gutes Buch aus. Das alles kann auch "Die Schnürsenkelhändlerin" bieten. Oder bei "Der Name der Nelke" fehlen.

  • Mir geht's genauso. War frueher das Genre der historischen Romane das am meisten gelesene bei mir, inzwischen les ich nur noch sehr selten in diesem Bereich und bin sehr vorsichtig geworden mit der Auswahl an Autoren in diesem Bereich. Sharon Penman kann ich empfehlen (leider nur wenig auf deutsch uebersetzt) und Dorothy Dunnett steht auch noch auf meiner Wunschliste.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Mir wurde hier bereits schon aus der Seele gesprochen. Ich denke auch, es ein "Trend" ( wie Bodo schon bemerkte schwamm damals auch so ziemlich jeder auf der "Kirchenkrimi-welle" mit ) und daher wird auf dem Markt sehr viel zu dieem Thema geboten. Ich denke nicht, dass man alle Autoren in einen Topf werfen kann, es gibt schon einige sehr gute darunter :-) Aber wie so in einigen Genres muss man Geduld beim suchen haben ;-)
    Früher habe ich hist. Romane sehr gerne gelesen, heute lese ich nur noch wenige, dafür eher historische Biografien.

  • Also eigentlich bin ich nicht befugt, mich hier zu äußern, weil ich mit Donna Cross und der Päpstin den Trend der historischen Romane für mich abgeschlossen habe. (Ja, ich fand den Roman so fürchterlich.) Zuvor habe ich einiges von Noah Gordon gelesen, das ich nicht so schlecht fand, allerdings war ich da noch relativ jung und gebe keine Garantie für diese Einschätzung. Aber literarisch und erzählerisch waren die historischen Romane für mich schnell uninteressant.
    Allerdings würde ich das nicht am Genre selbst festmachen. Wirklich hochwertige Literatur und gute Geschichten kommen eben nicht fließbandartig auf den Markt, man kann nicht jeden Monat einen wirklich tollen neuen historischen Roman erwarten.


    Ich habe nach Cross Romane mit historischen Stoffen von Stefan Zweig, Feuchtwanger und Eco gelesen und fand die teilweise sehr schön. Vielleicht sollte man sich, wenn man das Bedürfnis nach historischen Stoffen hat, also ein wenig mehr an den älteren Autoren orientieren.

  • "Mir wurde hier bereits schon aus der Seele gesprochen."


    mir auch.
    als junges mädchen las ich mit begeisterung (aus der stadtbücherei) sämtliche angélique-bände und auch die mehrbändigen schmonzetten von juliette benzoni. damals war zum einen die vielfalt noch nicht so arg groß, zum anderen war es ja nur geliehen und gratis, kostete also weder geld noch platz.
    heute geht es mir damit meist anders.
    natürlich möchte ich gern, wenn mir der held/die heldin besonders ans herz gewachsen ist, wissen, wie es "weitergeht".
    aber das kann ich mir doch - manchmal besser als der verfasser (ich denke da vor allem an ripleys "scarlett" :schlaeger ) - auch selbst ausmalen.
    von wenigen ausnahmen abgesehen (zB "louisianatrilogie" von bristow, "welfentrilogie" von kempff, worin auch keine einzelschicksale zu tode geritten werden, sondern mit den protagonisten auch der historische hintergrund wechselt) halte ich mich in der letzten zeit zunehmend von allen mehrteilern fern, vor allem von solchen, bei denen ich den eindruck habe, dass der autor lediglich (aus seiner sicht verständlich) auf der erfolgswelle weiterzuplantschen sucht und mir nichts eigentlich neues bietet.
    ich brauche keine geschichten, in denen, nur ein wenig neu dekoriert, erst frau, dann mann, dann tochter verschwinden (und natürlich wieder auftauchen, damit auch noch "die enkelin" verramscht werden kann).
    es gibt genügend beispiele von autoren, die es mit jedem buch schaffen, mir neue welten zu eröfnen:
    titus müller, guido dieckmann, sabine weigand und viola alvarez fallen mir da auf anhieb ein.
    :wave


    edit:
    "Stefan Zweig, Feuchtwanger und Eco"


    jaaa, aber die "fordern" mich ehrlich gesagt mehr. und manchmal möchte ich nur interessant unterhalten werden.

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

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  • Ich halte die Klage bezüglich eines Genres für falsch. Es gibt gute Bücher und es gibt schlechte Bücher und es gibt mittelmäßige Bücher. Gibt es eine Modewelle, dann gibt es mehr Bücher und damit auch mehr mittelmäßige und schlechte Bücher in einem Genre. Ich habe letztes Jahr 40 historische Romane gelesen, davon waren etwa vier, also 10% schlecht und ebenso etwa vier, also 10% Spitzentitel, weitere fünf bis sechs waren mittelmäßig, der Rest war gut und verursachte ein akutes Lesevergnügen ohne tieferen Nachhall- also wählt euch etwas entsprechend dem Geschmack aus und es gibt immer wieder schöne Neuentdeckungen, wie 2008 eben Charlotte Lyne oder Deana Zinßmeister, aber auch immer wieder den Blick auf Klassiker wie Sinuhe oder Desiree.


    Edith meint das es so eine Schwemme auch beim historischen Krimi und Lokalkrimi gibt- und auch da gibt es viel Müll aber auch Highligts wie Susanne Eder und Britt Reißmann oder Rita Hampp, alles Autoren, die ich ohne Eulen nie entdeckt hätte.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Zitat

    Original von drehbuch
    "Stefan Zweig, Feuchtwanger und Eco"
    jaaa, aber die "fordern" mich ehrlich gesagt mehr. und manchmal möchte ich nur interessant unterhalten werden.


    Diese drei sind für mich Unterhaltung pur. Wenn mein Gehirn sich diesem Niveau verweigert, ist es Zeit für eine RTL-Session für mich. :grin

  • Stimmt, diese Bücher sind alle irgendwie gleich - aber es gibt auch wohltuende Ausnahmen. So hab ich mich mittlerweile darauf verlegt, historische Romane
    - aus anderen Epochen als dem Mittelalter
    - mit Männern als Protagonisten
    - und in anderen Ländern als Deutschland spielend
    zu lesen. Da funktioniert für mich noch das, was einen guten historischen Roman ausmacht.
    Aber so lange die Leser das immer gleiche wollen werden die Verlage auch das immer gleiche in anderer Farbe drucken

  • Auch mir wurde hier schon aus der Seele gesprochen...ergo muß ich das nicht nochmal ausführen. Außer, dass es tatsächlich für ALLE Genres gilt und es IMMER schwierig zu sein scheint, die guten Bücher....welches ein sehr individueller Begriff ist...für sich selbst heraus zu finden. Ich mag z.B. grundsätzlich keinen billigen Abklatsch irgendeines Buches.


    Zitat

    Original von keinkomma


    Aber so lange die Leser das immer gleiche wollen werden die Verlage auch das immer gleiche in anderer Farbe drucken


    Fragt sich nur noch, woher die Verlage das denn wissen wollen, was wir lesen möchten? Ich habe wirklich noch nie eine Umfrage gesehen, geschweige denn an einer teilgenommen. :gruebel


    Apell und gleichzeitig Vorwurf an die Verlage: "Hey, würdet IHR denn gerne jeden Tag Kartoffelbrei essen?"