Mit einem guten Titel bekommt man mich ja immer. Macht, Sex, Suizid und der Sinn des Leben - und das alles in einem Buch, was will man mehr. Aber, oooops, es geht gar nicht um Macht, sondern um Energie. Die Hauptfiguren in diesem Buch sind die Mitochondrien, unsere kleinen Kraftwerke bakteriellen Ursprungs. In sieben Teilen erklärt der Autor, welche Rolle der Mitochondrien in unserem Leben haben.
In Teil 1 geht es darum, wie Mitochondrien überhaupt in unsere Zellen gekommen sind. Alle multizellulären Lebewesen auf unserer Erde bestehen aus eukaryotischen Zellen (solche mit Zellkern). Der Autor argumentiert, dass der bedeutsame Schritt zur Komplexität nicht die Bildung eines Zellkerns war, sondern die Bildung von Zellen, die Mitochondrien enthalten. Er stellt verschiedene Theorien vor, wieso wir Mitochondrien in unseren Zellen haben.
In Teil 2 geht es um die Bedeutung der Atmungskette, darum, wie Mitochondrien Energie erzeugen und einen Einblick in die Entstehung von Leben auf der Erde.
In Teil 3 geht es um die Frage, warum Bakterien seit 2 Milliarden Jahren existieren und eine nahezu unlimitierte biochemische Vielseitigkeit entwickelt haben, aber in Größe und Komplexität immer begrenzt geblieben sind. Der Autor erklärt, warum das Leben auf anderen Planeten (wenn es eins gibt) vielleicht niemals über das Bakterienstadium hinaus kommt, wie Mitochondrien es ermöglichen, dass sich komplexe mehrzellige Lebewesen entwickeln konnten, und warum Bakterien selbst nie diesen Schritt gegangen sind, obwohl Mitochondrien selbst doch einmal Bakterien waren.
In Teil 4 geht es um Frage, wieso Zellen eigentlich ihre Individualität aufgeben und sich einem größeren Ganzen unterordnen und die Rolle der Mitochondrien dabei. Mitochondrien leiten den programmierten Zelltod ein, wenn eine Zelle sich danebenbenimmt (z.B. sich bei Krebs ungehemmt vermehrt). Über jeder Zelle hängt praktisch das Damokles-Schwert des programmierten Zelltods und deswegen scheren Zellen nicht aus der Gemeinschaft aus (oder wenn doch, werden sie eliminiert). Mit dem programmierten Zelltod begehen die Mitochondrien aber selbst Suizid, da sie mit der Zelle sterben. Hier also ein weiterer Bezug zum Titel.
In Teil 5 geht es um die Evolution von warmblütigen Lebewesen auf der Erde und um die Frage, ob Leben "von Natur aus" immer komplexer wird. Also, ob es eine Art natürliche Kraft gibt, die uns eine Rampe zu immer größerer Komplexität hochtreibt.
In Teil 6 geht es um Fragen, warum wir eigentlich zwei Geschlechter haben und nicht nur ein einziges oder unendlich viele (und diese Frage ist gar nicht so abwegig. Anscheinend gibt es einen Pilz mit 28.000 unterschiedlichen Geschlechtern. Und jeder kann mit jedem, nur nicht mit dem eigenen Geschlecht. Ich muss nun aber diejenigen enttäuschen, die jetzt wilde Orgien vermuten: der Pilz zieht es vor, keine Körperflüssigkeiten mit seinem Sexualpartnern auszutauschen. :grin) In diesem Kapitel erfährt man spannende Dinge. Wie zum Beispiel, dass es eine Fruchtfliegenart gibt, bei denen die Spermien so groß sind, dass die Hoden des Männchens 10 % des Körpergewichts ausmachen. Was das Männchen etwas retardiert zurücklässt
In Teil 7 geht es darum, warum wir altern und warum wir sterben (und man ahnt es fast: die Rolle der Mitochondrien dabei). Und auch im solche Fragen, ob Unsterblichkeit oder die Verlängerung des Lebens möglich ist.
Der Autor ist nicht ganz so begnadet darin, komplizierte Inhalte einfach zu kommunizieren, wie zum Beispiel Simon Singh. aber das macht er dadurch wett, dass er regelmäßig Zusammenfassungen einfügt, die es ermöglichen, den roten Faden wiederzufinden, auch wenn man unterwegs mal ausgestiegen ist, und bei Fremdwörtern und komischen Namen von irgendwelchen Einzellern immer mal wieder in Klammern einfügt, was das noch für ein Viech war. Insgesamt war es ein spannendes Buch, das auch mit sehr viel Humor geschrieben ist. Das Buch ist für interessierte Laien geschrieben, aber Grundkenntnisse, wie eine Zelle aufgebaut ist und funktioniert, schaden nicht, da er das nicht alles noch mal ausführlich erklärt.
Wer schon immer mal die Antwort auf die Frage nach dem Universum, dem Leben und allem wissen wollte und nicht bei Douglas Adams nachschauen will, ist mit diesem Buch gut bedient (und ich glaube, ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage, dass Nick Lanes Antwort nicht "42" ist ;-)).
Leider gibt es keine deutsche Übersetzung.
Über den Autor
Nick Lane hat Biochemie am Imperial College, University of London studiert. In seiner Doktorarbeit ging es um freie Radikale und den Metabolismus von transplantierten Organen. Er hat auch lange daran gearbeitet, Organe, die transplantiert werden sollen, so vorzubereiten, dass sie anschließend noch funktionieren. In seinem ersten Buch Oxygen: the Molecule that made the World ging es um die Rolle des Sauerstoffs für die Evolution. Er hat außerdem viele Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften wie "Nature", "Scientific American", "New Scientist", "The Lancet" und dem "British Medical Journal" veröffentlicht. In seiner Freizeit klettert er gerne an Felswänden hoch und sucht Fossilien. Er lebt mit seiner Frau Ana Hidalgo und seinem Sohn Eneko in London. Power, Sex, Suicide: Mitochondria and the Meaning of Life war auf der Short-List für den Aventis Prize for Science Books.
Homepage des Autors: www.nick-lane.net
[edit]vermurksten Satz berichtigt
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