Pseudonym und Vita - Wo liegen die Grenzen?

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    ich weiß nicht, warum du mir immer mit dem Polizisten kommst :gruebel


    Weil du mir immer mit dem Fußpfleger aus Wanne Eickel kommst :lache ;-)


    Zitat

    Original von DraperDoyle
    Das Leben banal? Wenn du damit meinst, dass im echten Leben selten Leichen mit um den Hals gewickelten Gedärmen gefunden werden oder eine vom Leben gebeutelte Mittdreißigerin in Cornwall ihre große Liebe findet, gebe ich dir recht. Aber, ehrlich, das interessiert mich auch nicht.


    Damit meinte ich auch eher die tatsächliche Ermittlungsarbeit, die dahinter steht.


    Zitat

    Original von DraperDoyle
    Yates, Stefánsson, St. Aubyn, um einige meiner augenblicklichen Favoriten zu nennen, schreiben über ganz banale Dinge, über verkorkste Ehen, eine glückliche Kindheit oder ganz banale Midlife-Krisen und das sind doch großartige Bücher.


    Sind das alles Studienfächer? :wow
    Ist da das Leben nicht der Lehrmeister?
    Wissen wir mit dem Herzen nicht viel mehr Dinge, als wir es durch Bücher lernen können?
    Yates kennen wir wohl alle, wenn auch eher dem Namen nach, St.Aubyn ist wohl ein Geheimtipp und welchen Stefánsson meinst du? Den Basketballspieler? ;-)


    Um ganz ehrlich zu sein, kenne ich keinen einzigen der Genannten.
    Asche auf mein Haupt, denn über verkorskte Ehen lese ich nicht gerne, da habe ich eine hinter mir. Das reicht für den Rest meines Lebens. Eine glückliche Kindheit hatte ich dank meiner Eltern im Großen und Ganzen, da möchte ich nicht von einer anderen lesen die viel besser war, denn ich könnte im Nachhinein neidisch werden und mit meinen Zoff beginnen, und die Midlife-crisis ... Blick in den Perso werf ... vergisses!
    Da bin ich mittendrin, da kann ich mir nicht auch noch den Ballast von irgendeinem Schreiberling anhängen, sonst gebe ich mir entweder die Kugel, verlobe mich mit einem 16-jährigen Playmate oder gehe zu Fuß durch die Sahara.
    Schlimmstenfalls erkenne ich die Sinnlosigkeit meines Daseins und geb mir dir Kugel, womit ich natürlich für weitere Bücher aus der Feder des Autoren flach falle ;-)


    Der langen Rede kurzer Sinn:
    Ich habe mein eigenes Leben, da möchte ich nicht auch noch über andere lesen, die keinen Deut besser sind als meines. Ich führe ein stinklangweiliges Leben in der bequemen Sicherheit meiner kleinen Welt.
    Aber ab und zu möchte ich gerne Agent sein, oder Pilot, oder Bergsteiger oder einfach nur die Welt retten, ohne mich weiter als bis zum Kühlschrank bewegen zu müssen ;-)


    Das kann mir leider keiner der von dir genannten Autoren bieten.
    Die bieten mir Leben.
    Mit schönen Worten zwar, aber abgeschmackt und fad.


    LG


    Dirk67 :wave


    Nachtrag:
    Wie oft habe ich mir als Kind gewünscht, das Haus am Eateon Place würde abfackeln, bei den Waltons mal die Daltons vorbeischauen oder bei der "kleinen Farm" mitten im Essen eine Kofferbombe explodieren :lache
    DAS wäre mal etwas gewesen.
    Aber so?
    Reich mir die Butter. Reich mir die Kartoffeln. Reich mir das Salz ... Gute Nacht John Boy, gute Nacht Jimbob ... *komaschnarchen*

  • Nein, das lag einzig an deinen "Inhaltsangaben" ;-)


    Zitat

    Original von DraperDoyle
    Yates, Stefánsson, St. Aubyn, um einige meiner augenblicklichen Favoriten zu nennen, schreiben über ganz banale Dinge, über verkorkste Ehen,


    Zitat

    Original von Dirk67
    ...denn über verkorskte Ehen lese ich nicht gerne, da habe ich eine hinter mir. Das reicht für den Rest meines Lebens.



    Zitat

    Original von DraperDoyle


    eine glückliche Kindheit


    Zitat

    Original von Dirk67
    Eine glückliche Kindheit hatte ich dank meiner Eltern im Großen und Ganzen, da möchte ich nicht von einer anderen lesen die viel besser war, denn ich könnte im Nachhinein neidisch werden und mit meinen Zoff beginnen, ...


    Zitat

    Original von DraperDoyle
    oder ganz banale Midlife-Krisen[/B] und das sind doch großartige Bücher


    Zitat

    Original von Dirk67
    ... und die Midlife-crisis ... Blick in den Perso werf ... vergisses!
    Da bin ich mittendrin, da kann ich mir nicht auch noch den Ballast von irgendeinem Schreiberling anhängen, sonst gebe ich mir entweder die Kugel, verlobe mich mit einem 16-jährigen Playmate oder gehe zu Fuß durch die Sahara.
    Schlimmstenfalls erkenne ich die Sinnlosigkeit meines Daseins und geb mir dir Kugel, womit ich natürlich für weitere Bücher aus der Feder des Autoren flach falle ;-)

  • Zitat

    Original von Dirk67
    Yates kennen wir wohl alle, wenn auch eher dem Namen nach, St.Aubyn ist wohl ein Geheimtipp und welchen Stefánsson meinst du? Den Basketballspieler? ;-)


    Um ganz ehrlich zu sein, kenne ich keinen einzigen der Genannten.


    Vielleicht wäre es besser, du würdest hier nicht von dir auf andere schließen. Yates gehört mit Sicherheit zu den interessantesten Autoren des vorigen Jahrhunderts - es lohnt sich wirklich ihn zu lesen.


    Und nur weil du jemanden nicht kennst, muss es sich nicht unbedingt um einen Geheimtipp handeln. Vielleicht einfach mal die Bücher der Vorgenannten lesen; natürlich ist es aber auch keine Schande unwissend in den kleinen schwarzen Container zu gehen. :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Dirk, wir werden wohl keinen gemeinsamen Nenner finden und es ist wohl müßig, weiterzudiskutieren.
    Du willst unterhalten werden und dich von deinem Leben ablenken lassen, ich wiederum finde das Leben, meines und das von anderen, spannender als jede Kofferbombe und freue mich, wenn mir ein Autor einen weiteren Aspekt des Lebens gut geschrieben nahebringt.
    Das mag dir vielleicht seltsam vorkommen, womöglich als intellektueller Humbug, aber ich glaube doch, dass ich damit nicht als einsame Irre dastehe.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • So habe ich das auch nicht gemeint, DraperDoyle.
    Das ist weder intellektueller Humbug, noch bin ich uninteressiert an den Leben anderer Menschen.
    Du bist auch keine arme Irre!
    Sorry, wenn das so jetzt rüberkam!
    :knuddel1


    Ich bin da aber eher der Typ Mensch, der im realen Leben offen auf andere zugeht, zuhört, spricht, als darüber Bücher zu lesen. Dort bin ich eher ein Mensch der Tat, denn des Philosphierens.
    Ein Buch ist in diesem Sinne für mich immer nur ein komprimierte Imitiataion echten Lebens.
    Ich kann nicht eingreifen oder helfen, und umgekehrt vermag so etwas auch kein Autor.


    Und nun, genug rumgealbert ;-)
    Draußen wartet das Leben, drinnen jede Menge Bücher ... jeder so, wie er mag. Die welt ist zwar nicht endlos, aber verflucht groß ;-)


    Also kein Grund Bürgerkriege anzuzetteln :knuddel1


    LG
    Dirk67
    (Der sich seinem stinklangweiligen Leben widmet. Aber nach Dienstschluss ... da werde ich Blond ... äh ... Bond. James Bond, und rette die Welt ;-) )

  • Niedliches Durcheinander, wie üblich bei diesem Thema.
    Dabei geht es immer um die gleichen Grundfragen.


    Was heißt 'schreiben' und braucht man dazu Talent? Kann man es lernen?
    Was ist Unterhaltung in schriftlicher Form? Und darf man dagegen etwas einwenden?


    Meiner Meinung nach sollte jede und jeder, die sich in irgendeiner Form betätigen, das auf die bestmögliche Art tun. Man kann vieles lernen, aber um zum Besten zu kommen, braucht man bestimmte Voraussetzungen. Es ist sinnlos, Sängerin werden zu wollen, wenn man keine Stimme hat.


    Beim Schreiben ist es auch so. Tatsächlich werden mehr Bücher von Menschen geschrieben, die schon in sehr jungen Jahren zeigen, daß sie eine gewissen Affinität zum Umgang mit Sprache haben.
    Die gute Aufsätze schreiben, lustige Briefe an Freunde und Mama und Papa. Oft mündet das in Berufe, die das Abfassen schriftlicher Texte erfodern. Jede Begabung bedarf der Übung.
    Und zuweilen mündet es in die Schriftstellerei.
    Das ist die Regel.


    Es gibt aber auch die Ausnahme, Menschen, die das Bedürfnis haben, sich schreibend zu betätigen, aber durch ihre Lebensumstände in Berufen sind, denen Schreiben fern ist. Trotzdem schreiben sie und manche gelangen auch zur Veröffentlichung.
    Die Ausnahmen bestätigen die Regel.


    Nun müssen wir aber unsere Zeitumstände mitbedenken. Wir leben in Zeiten einer Massenproduktion von Büchern. Diese Mengen von Büchern, die schiere Quantität, die produziert wird und erworben werden kann, gab es nie zuvor. Das Buch ist ein Gegenstand des alltäglichen Konsums geworden.
    Um sich in der Menge überhaupt noch durchzufinden, sind Vitae von AutorInnen Orientierungspunkte. Und da wird es nun heikel.


    Man möchte schließlich ein 'gutes' Buch. 'Gut' ist etwas, das von Profis stammt, von ExpertInnen. Also suchen wir nach den entsprechenden Signalen.


    Autorin A schreibt SciFi. Die Vita sagt, sie hat Physik studiert. Unsere innere Ampel schaltet auf 'Grün'.


    Autor B schreibt Krimis. Die Vita sagt, er sei mal als Polziereporter unterwegs gewesen. Unsere innere Ampel schaltet auf Doppelgrün.


    Autor C schreibt Gedichte. Die Vita sagt, er ist gelernter Heizungsmonteur. Ampel auf rot.


    Das Problem ist, daß wir zum einen diese Informationen nicht überprüfen können. Sie können falsch sein, um uns, den Käuferinen und Käufern, ein Produkt mit einem bestimmten Wert anzudienen.
    Zum zweiten hindern uns solche Informationen daran, Texte daran zu messen, was der eigentliche Maßstab sein sollte, nämlich der Umgang mit dem Werkstoff Sprache.
    Tatsächlich können die Gedichte des Heizungsmonteurs die eigentlich wichtigen Texte sein und die der vermeintlichen ExpertInnen wertlos. Am Umgang mit der Sprache gemesen.


    Ich halte gerade detailliertere Vitae in der Unterhaltungsliteratur für gefährlich. Sie sind auf das jeweilige Genre zugeschnitten. Sie sind nur vermeintlich Orientierung. Sie täuschen über den Inhalt hinweg.


    Bei einem Roman soll der Inhalt nicht eine an gegebenen Fakten meßbare Ausstattung sein, sondern die schriftliche Gestaltung.
    Wie viele Romane ertrinken in einer Informationsflut der Realia, während die Figuren schwach bleiben, ihr Handeln nicht nachvollziehbar, die Geschichte mehr erahnbar, als fühlbar oder gar erkennbar ist.
    Was habe ich als Leserin davon, wenn ich den Frankfurter Hauptbahnhof in allen Einzelheiten vor mir sehe oder eine Küche aus dem Jahr 1403, wenn mir ansonsten nur Klischees und Stereotypen begegnen?
    Nichts.


    Und darin besteht für mich der eigentliche Betrug. Via vermeintlichem ExpertInnentum vor allem im Bereich der Unterhaltungsromane werden Leserinnen und Leser von dem, was Schreiben, was ein Buch ausmacht, immer weiter fortgeführt. Das Lesen, das eine höchst komplexe Aktivität (!) ist, wird reduziert auf etwas, das sich 'Unterhaltung' nennt und immer häufiger nur ein Reflex ist, das Hervorrufen eines immer blasser werdenden Wohlgefühls.


    Das ist eine Folge der Massenherstellung des Buchs, das vor allem eins ist: Produkt. Konsumgut. Die Demokratisierung des Lesens, eine ganz wichtige Forderung der Aufklärung, ist umgeschlagen und richtet sich de facto gegen die Leserinnen und Leser, die dem Buch, dem Umgang mit Sprache eigentlich fortschreitend entwöhnt werden.


    Eine 'gefälschte' Lebensbeschreibung und das dazu passende Pseudonym sind nur ein Teil dieser Entwicklung.


    Der Ruf nach 'Unterhaltung' ist deswegen nicht falsch, aber es müßte dringend definiert werden, was Unterhaltung eigentlich ist. Was in einem Buch alles aufgegeben werden darf, Fähigkeiten des Ausdrucks, sprachliche Mittel, Umfang des Wortschatzes, Grammatik gar, nur um 'Unterhaltung' nicht zu beeinträchtigen?
    Die eben viel zu oft mit 'Konsumieren' gleichgesetzt wird.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Suzann
    Um beim Thema "Karl May" zu bleiben, drängt sich mir nach DDs Beiträgen die Frage auf, ob seine Winnetou- und Kara Ben Nemsi-Geschichten "besser" gewesen wären, wenn er Geographie, Ethnologie, Geschichte und sonstwas studiert und sein Leben als Globetrotter verbracht hätte? Oder hätte der nüchterne Realismus seiner Erfahrungen den seltsamen "Zauber" den seine Werke für mich hatten, zerstört? :gruebel


    Suzann,


    Karl May ist ein Phänomen in der deutschsprachigen Unterhaltungsliteratur und keines, ich sage es gleich, das mich glücklich macht.
    Aber es ist interessant.


    Den 'Zauber', den Du erwähnst, empfand ich bei einigen seiner Romane, die ich als Jugendliche gelesen habe, auch. 'Der Schatz im Silbersee' gehörte zu meinen Highlights, mit den Indianerbüchern konnte ich weniger anfangen, mit den Romanen, die im Nahen Osten spielen, dafür umso mehr.
    Dort war May tatsächlich. Die Begegnung mit der Realität vor Ort scheint ihn hart getroffen zu habenm, will man seinem Biografen glauben. Aber May hatte ein sehr unglückliches Leben und war psychisch nicht grad stabil.


    Seine Bücher allerdings sind typische Produkte des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts, er war ein sog. Kolportageschreiber, ein Vielschreiber, wie es zahllose, männliche wie weibliche gab, weil sich das Druckwesen im Deutschen Reich rasant ausbreitete und 'Stoff' gebraucht wurde. Das ging damals schon auf Kosten der Qualität.


    May ist sprachlich und gestalterisch eine ziemliche Katastrophe. Damit fällt er aber unter den Kolportage-AutorInnen seiner Generation keineswegs auf.
    Wenn man aber mehr Abenteuer - und Reiseliteratur kennt, fällt er sehr wohl auf.
    Friedrich Gerstäcker, eine Generation älter, ist ein weit besserer Schriftsteller, ebenso Cooper oder Mayne Reid. Auch Dumas oder Jules Verne. Es gab viele in dem Genre, Abenteuer - und Reisegeschichten sind ein typisches Genre zwischen ca. 1840 und 1920.


    May verzaubert vor allem, wenn man keinen Vergleich hat. Das Problem bei ihm ist das relativ beschränkte Schreib - und Erzähltalent. Ein Fachstudium hätte das nicht ausgeglichen.
    Die Frage wäre eher, ob ein geregeltes Leben ihn hätte wenigstens konzentrierter schreiben lassen und ob das eventuell etwas Qualität beigetragen hatte.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Autorin A schreibt SciFi. Die Vita sagt, sie hat Physik studiert. Unsere innere Ampel schaltet auf 'Grün'.


    Autor B schreibt Krimis. Die Vita sagt, er sei mal als Polziereporter unterwegs gewesen. Unsere innere Ampel schaltet auf Doppelgrün.


    Autor C schreibt Gedichte. Die Vita sagt, er ist gelernter Heizungsmonteur. Ampel auf rot.
    magali


    Ich glaube, dass man die Vita von C so in dieser Form niemals lesen wird. Es ist durchaus möglich, dass ich in der Vergangenheit Bücher von Heizungsmonteuren oder Fußpflegern mit Gewinn gelesen habe, nur werden sie entweder irgendwann einmal an einer Hochschule vorbeigelaufen sein, einen Hilfsjob mit Kurisositätsfaktor oder Abenteureranstrich getätigt haben oder aber ihre Biographie wird eben reduziert auf "lebt in Berlin" oder "lebt in Wanne-Eickel". In Einzelfällen wird vielleicht auch mal ein Exemplar aus dem Proletariät zum Liebling der Kulturszene erklärt (Clemens Meyer? Der zugegeben auch Kreatives Schreiben studiert hat). Ein Filmtipp dazu wäre HENRY FOOL von Hal Hartley, in dem ein Müllmann den Literaturnobelpreis gewinnt.


    Die "Hausfrau aus Passau" scheint mir ein besonders auf Kinderbücher beschränktes Beispiel zu sein. Nur da wird eine solche Vita tatsächlich als besondere Qualifikation herausgestellt.

  • Also ich lasse mich vom Leben außerhalb des Buches beeinflussen. So wie ich durch lesen im Forum neugierig werde auf Bücher von Autoren, die ich ohne etwas über sie zu wissen nie in die Hand genommen hätte, so beeinflussen mich auch Fernsehauftritte und Forendiskussionen Bücher nicht zu lesen, die ich sonst meinem Beuteschema zugerechnet hätte.


    Edith meint das sei zu kryptisch: Ein Krimi, der im Marinemilieu und auf der Gorch Fock spielt interessiert mich und von einem Autor, von dem ich noch nie etwas gehört habe hätte ich das Buch sicher gekauft. Nachdem ich aber (nicht im Sinne einer Klappentextvita) über und von dem Autor etwas aus dem wahren Leben kenne, lasse ich das, da ich mit dem Buch keine unbelastet Beziehung eingehen kann.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Zitat

    Original von beowulf: Also ich lasse mich vom Leben außerhalb des Buches beeinflussen. So wie ich durch lesen im Forum neugierig werde auf Bücher von Autoren, die ich ohne etwas über sie zu wissen nie in die Hand genommen hätte, so beeinflussen mich auch Fernsehauftritte und Forendiskussionen Bücher nicht zu lesen, die ich sonst meinem Beuteschema zugerechnet hätte. Edith meint das sei zu kryptisch: Ein Krimi, der im Marinemilieu und auf der Gorch Fock spielt interessiert mich und von einem Autor, von dem ich noch nie etwas gehört habe hätte ich das Buch sicher gekauft. Nachdem ich aber (nicht im Sinne einer Klappentextvita) über und von dem Autor etwas aus dem wahren Leben kenne, lasse ich das, da ich mit dem Buch keine unbelastet Beziehung eingehen kann.


    Würde das nicht in letzter Konsequenz bedeuten, die Finger von jedem Schriftsteller zu lassen, der jemals auf einem Eulentreffen aufgekreuzt ist und sich Dir persönlich vorgestellt hat?
    Es ist nicht so, dass ich diese Haltung nicht nachvollziehen kann und zuweilen auch selbst praktiziere (die Rede ist in diesem Fall nicht von einem Eulenautoren, sondern einer Begegnung auf einer anderen Lesung), aber um beim konkreten Beispiel zu bleiben möchte ich das kurz erklären.


    Johanna hat damals auf den ersten Roman von Jan von der Bank hier im Forum aufmerksam gemacht (Monate bevor übrigens der Schriftsteller hier im Forum aufgetaucht ist). Verlagswerbung und Cover des Thrillers hätten mich nur bedingt zu einem Kauf und zur Lektüre veranlasst, ebenso wenig wie der Vorschlag zu einer Leserunde, da ich mich ungern am Leserhythmus anderer orientiere. Entscheidend für den Roman waren Thematik und Johannas Empfehlung und ich war streitfreudig genug, meine Meinung in einer Leserunde kundzutun, wenn das Buch ein Flop gewesen wäre.
    Das war es nicht. Ganz im Gegenteil, ich habe mich bestens unterhalten.


    Vielleicht hat Jan von der Bank sich hier im Forum nicht immer ganz geschickt und berechenbar und vor allem nicht eulenkonform verhalten, was die eine oder andere Eule ihm hätte auch direkt sagen können. Vielleicht wäre ein Hinweis in Sachen Werbung und homöopathische Dosen auch angebracht gewesen.
    Das wird mich jedoch nicht davon abhalten, den "Leichenfänger" zu lesen und mich nicht scheuen, bei kontroversen Ansätzen in der Leserunde in die Diskussion zu gehen.

  • beowulf


    danke für diese sehr beo-untypoische klare Aussage after all these years. :lache



    Diese Einstellung ist natürlich alles andere als selten. Aber sie ist problematisch. Wird damit nicht das Buch mit der Autorin gleichgesetzt? Das ist doch ein Unterschied. Ein Mensch ist weit komplexer als ein Buch.
    Es gibt unzählige Autorinnen und Autoren, mit denen ich persönlich wenig hätte anfangen können oder anfangen kann, die ich persönlich sogar unsympatisch finde.
    Trotzdem können sie etwas schreiben, das ich großartig finde. Der Text zählt.
    Funktioniert auch umgekehrt, es gibt schreibende Menschen, die ich sehr mag, aber ihre Texte kann ich nicht lesen, weil ich sie grauselig finde.


    Wenn man etwas aus dem Leben einer Autorin als Grund nimmt, ihr Buch nicht zu lesen, tut man nichts anderes, als die Person abzustrafen. Das ist jeder/jedem vorbehalten. 'Mit dir rede ich nicht', heißt das.
    Das ist aber keine Entscheidung eines Lesenden. Sie ist textfern und damit irrelevant in bezug auf das Buch.


    Aber es ist natrülich zugleich die Gefahr, die der Einsatz einer Vita beim Produktmarketing mit sich bringt. Und der direkte Umgang von Autorinnen und Autoren mit dem Lesepublikum, z.B. in einem Forum, wie diesem hier.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus


  • Wenn ich aus dem Leben eines Autors etwas kenne (oder um näher am Thema zu bleiben- meine etwas zu kennen) lese ich das Buch mit einer vorgefassten Meinung. Dabei interessiert es mich wenig, wenn die ehemalige Richterin Liebesromane schreibt oder historische Romane, wenn ich sie im Gerichtssaal erlebt hätte als Richterin die ich für mies halte, hätte ich ohne Vorbehalte kein Buch in die Hand genommen und hätte ich sie als Richterin geschätzt eben die Bücher mit einer positiveren Grundeinstellung gelesen. Sollte z.B. Voltaire auf den Gedanken kommen "Mein Leben als heimlicher Trainer des HSV" auf den Markt zu 0bringen- ich würde das Buch kaufen und mit wohlwollendem Hintergrund lesen. Sollte Oskar Lafontaine auf den Gedanken kommen historische Romane über den Schulalltag im Mittelalter zu schreiben liesse ich das Buch eher liegen, auch wenn ich die Thematik interessant fände. Ich meine so tickt der Mensch ganz allgemein.

  • beowulf



    nein, so tickt der Mensch allgemein nicht.
    So ticken nur Menschen, die daran glauben, daß Exptertentum grundsätzlich den Ausschlag gibt. Das ist eine Legende.
    :grin



    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich stimme beo zu. Aus Lesersicht. Ich kenne ja mittlerweile viele KollegInnen persönlich, sei es durch FB, Montségur oder Treffen auf Messen etc. Dadurch lese ich diese Autoren mit anderen Augen. Ich lese auch Bücher, die ich sonst kaum gekauft hätte, positivstes Beispiel ist das Kind auf der Treppe, das eine echte Entdeckung für mich war. Oder Fitzek. Aber ich gebe zu, es gibt auch die andere Seite. Ist mir jemand komplett unsympathisch, lese ich Bücher nicht, die sonst mein Beuteschema wären. Es gibt da einen Fantasyautor, den ich einfach unmöglich finde, und obwohl seine Bücher durchaus gut klingen, bringe ich es nicht über mich, sie zu kaufen. Klar ist das falsch und aus Autorensicht auch beängstigend, aber ich denke trotzdem, dass das nur menschlich ist. Auch ein Buch will mir was sagen und somit ist "mit dir rede ich nicht" nicht so abwegig. Dafür finde ich die Wiener Kollegin Beate Maly so entzückend und sympathisch, dass ich demnächst in ein mir total fremdes Genre vordringen werde. C'est la vie. Ich behaupte nicht, dass alle Menschen so sind, aber es ist eine menschlich verständliche Sache. :-)


    Lg Claudia

  • Ich moecht' als (Extrem!-)beispiele mal Heimito von Doderer und Knut Hamsun anfuehren, ueber die ich eine ganze Menge weiss, das ich lieber nicht wuesste. Als edles Jungmenschlein wollt' ich die nicht lesen und fand es geradezu empoerend, dass ein Prof das von mir verlangen wollte.
    Ich liebte dafuer Dostojewskij.
    Irgendwann wusste ich dann leider ueber den auch was, was ich nicht wissen wollte.
    Ich haette gern etwas daran geaendert, dass fuer mich "Verbrechen und Strafe" der schoenste Roman der Welt ist. Den schoensten Roman der Welt geschrieben zu haben, verdienen schliesslich nur Gutmenschen.
    Es ist aber Dostojewskij, der ihn geschrieben hat. Und ich, der verzichten muesste oder aber lernen, dass es die Aufgabe von Schriftstellern ist, gute Buecher schreiben. Nicht, gute Menschen zu sein. Jedenfalls nicht mehr, als das auch die Aufgabe von Fusspflegern, Tieraerzten, Landschaftsgaertnern, Archaeologen und Zoowaertern sowie natuerlich Hausfrauen ist.
    Das Leben ist unfair, gell? Nicht mal im Fussball gewinnen immer die nettesten Jungs.
    Ich hab mir dann Doderer und Hamsun gekauft.


    Viele Gruesse von Charlie

  • Zitat

    Original von beowulf
    Sollte z.B. Voltaire auf den Gedanken kommen "Mein Leben als heimlicher Trainer des HSV" auf den Markt zu 0bringen- ich würde das Buch kaufen und mit wohlwollendem Hintergrund lesen.


    Lieber Beo,
    das baut mich jetzt wirklich hammermässig auf. :grin
    Habe gerade mit der Niederschrift begonnen.... :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Habe den ganzen Thread jetzt mehr oder weniger gründlich gelesen und finde ihn sehr interessant, weil mich dieses Thema persönlich auch in naher Zukunft betreffen wird. Ich vertrete Claudias Meinung, dass es möglich sein sollte, wenn ein Autor sich nicht beim Schreiben in nur eine Schublade pressen lassen will, sondern in vielen Genren schreibt. Wie ich auch. Im Herbst erscheint mein Debüt, ein Erzählband. Wahrscheinlich auch im Herbst ein Erotikroman in einem anderen Verlag. Zunächst dachte ich, ich würde letzteren unter Pseudonym herausbringen. Jetzt bin ich da aber gar nicht mehr so sicher. Und auch mein Krimi, der noch bei meiner Agentin liegt und auf seine Vermittlung wartet, würde ich gern unter meinem eigenen Namen veröffentlicht sehen. Von den Romanen in meiner Schublade nicht zu reden. Und da finden sich auch nochmal ganz unterschiedliche Genres.


    Mal sehen, was die Verlage sagen. Aber gefühlsmäßig würde ich schon gern, dass der Leser sieht, wie vielseitig ich bin.


    LG Cornelia

  • Cornelia : Und was würdest du machen, wenn du ein Verlagsangebot bekommst, bei dem gleich von Haus aus gesagt wird: Unter Pseudonym? Verlage sind nämlich gerade im Moment ganz versessen auf Pseudonyme. Ich finde Vielseitigkeit wichtig, aber ich sehe auch die Notwendigkeit, gerade im Romanbereich, klare Grenzen zu ziehen. Und ich habe kein Problem damit. Vor drei Jahren hätte ich auch noch gedacht wie du. Hätte gewollt, dass mein Name auf dem Cover steht. Bloß ist es ja nicht weniger meins, wenn ein anderer Name drauf steht, besonders dann, wenn ich auch öffentlich dahinter stehe. So ein zweiter Name bietet auch Chancen. Nicht um den Leser zu belügen, aber um im komplexen Buchmarkt eine neue "Marke" zu etablieren. So sehe ich das inzwischen. Das macht mich nicht weniger vielseitig, ich gebe nur meinen vielen Seiten verschiedene Titel, damit nicht alles verschwimmt.


    lg und willkommen bei den Büchereulen :wave Claudia