Und wie ist das mit dem Titel eines Buches?

  • Zitat

    Nicht böse sein, Eric, aber die Frage, wer denn nun im Elfenbeinturm sitzt, würde ich vermutlich anders beantworten als jemand, der im Verlag arbeitet ...


    Hallo Iris,


    es ist alles Ansichtssache. Eine Buchhändlerin wie Wolke würde diese Frage wieder ganz anders beantworten.


    Viele Grüße


    Eric :write

  • Buchtitel sind so eine Sache für sich, doch leider werden sie bei einigen Verlagen ebenso wie die Cover nach dem Zufallsgenerator ausgesucht. Ich habe mich früher in meiner aktiven Fanzeit oft über verfehlte Titel und Cover in SF- und Fantasybereich geärgert. Vor allem bei Letzterem gingen mir die Muskel bepackten Schwarzenecker-Klone und ihre wenig bekleideten Gefährtinnen auf den Geist.


    Da ist selbst jedes Nackenbeißercover besser!


    Bezüglich der Titel unserer eigenen Romane kann ich allerdings nicht klagen. Es hätte auch weitaus schlimmer kommen können und nur in Ausnahmefällen spürbar besser.


    Auch Iris kann mit ihren Titeln leben, denn "Der Tribun" und "Die Schwerter des Tiberius" sind in meinen Augen sehr einprägsam. Das Beispiel, das MaryRead aufgezeigt hat, auch, allerdings eher als abschreckendes Beispiel. Jeder Parfümhersteller weiß, dass man einen edlen Duft mit gutem Namen nicht in einfachen Packpapier verkauft.


    Liebe Grüße
    Gheron :wave

  • Hm...mag ja vielleicht eine etwas naive Frage einer Leserin sein, aber wonach meint denn der Verlag zu gehen, würdet Ihr sagen?


    Umfragen (Repräsentativ oder nicht)? Also, ich habe - außer in diesem Forum noch nie etwas davon mitbekommen, daß der Leser auch tatsächlich gefragt wird, wo denn die Interessen liegen und habe eher immer das Gefühl, als ob ich hinter den Büchern, die mich interessieren, geradezu hinterherrennen muß und trotz manchmal abschreckender Titel und haarsträubender Klappentexte das "Wagnis Buch" eingehen muß.


    Lieben Gruß
    Baumbart

  • Nicht nur bei Buchtiteln schlagen Verlage zuweilen recht eigenwillig zu, auch bei der Veröffentlichung von Kurzgeschichten kann es durchaus passieren, daß der Text unter einem ganz anderen Titel erscheint. Bei meinen redaktionellen Beiträgen für "P.M." (80er) habe ich irgendwann darauf verzichtet, einen Titelvorschlag zu machen, weil die Redaktion doch was ganz Anderes genommen hat, dafür wurde an den Texten zumeist überhaupt nichts verändert. Meine erste größere Short-Story-Veröffentlichung (Playboy, 1990) hieß "Wenn Harry anruft ...", daraus hat die Redaktion ungefragt "Hallo Liebling, hier spricht Harry" gemacht, und ein halbes Jahr später aus "Der Besucher" (Playboy, 1991) "Auf Sendung mit dem letzten Schuß", ein Titel, den ich bis heute nicht begriffen habe. Allerdings war es bei Anthologie-Veröffentlichungen dann immer so, daß die Geschichten unter meinen Titeln erschienen sind; so ist z.B. "Der Besucher" nochmals im Krimi-Jahresband 1992 bei Heyne veröffentlicht worden, dieses Mal unter dem Originaltitel. Ähnlich ging's bei zwei Ferienreadern bei Lübbe, aber all diese Anthos waren unter der Herausgabe meines damaligen Agenten erschienen; die Redaktionen haben generell wenig an den Sachen gemacht. Ich bin gespannt, wie meine Story in der c't heißen wird, die übernächste Woche (c't 21/04, am 1. Oktober) erscheint - sie heißt bisher "Downlink".


    "Radio Nights" hatte den Arbeitstitel "Fuck Radio". Es war mir bei diesem Arbeitstitel irgendwie klar, daß er so nicht genommen werden wird, und deshalb habe ich mir auch keine großen Gedanken darüber gemacht, bis es zur Titeldiskussion kam. Da haben dann mein Lektor und ich mehrere Vorschläge gesammelt, bis schlußendlich alle "Radio Nights" (mein Vorschlag) goutierten, der wurde dann genommen. Mein nächster Roman (Sommer 2005) heißt "Taxi ins Wohnzimmer", und ich bin eigentlich ziemlich sicher, daß er auch unter diesem Titel erscheint. Meine Erfahrungen im Umgang mit Verlagen sind in dieser Hinsicht also ziemlich gut, aber es hängt eben sehr vom Verlag ab, vom Programm innerhalb des Verlages, aber auch vom Genre usw.

  • Zitat

    Original von Baumbart
    Hm...mag ja vielleicht eine etwas naive Frage einer Leserin sein, aber wonach meint denn der Verlag zu gehen, würdet Ihr sagen?


    Ich kann nur zitieren, was man mir sagt: "Wir wissen, was unsere Leser wollen."


    Eine Antwort auf die behutsame Frage, woher man das wissen, habe ich bislang noch nicht bekommen.

  • Zitat

    Original von Gheron
    Auch Iris kann mit ihren Titeln leben, denn "Der Tribun" und "Die Schwerter des Tiberius" sind in meinen Augen sehr einprägsam.


    Gheron, was Der Tribun angeht, standen mir anfangs wirklich die Haare zu Berge, aber man hat ja nix zu melden. Beim zweiten Band habe ich mir dann erst gar keine Gedanken über einen Titel gemacht; als ich erfuhr, was man sich im Verlag ausgesucht hatte, wäre ich beinahe rücklings vom Stuhl gefallen. Kein Wort darüber! Nur eines: der Unterschied zwischen "brauchbar" und "unsinnig" liegt manchmal nur in einem einzigen Wort.
    Naja, ich habe erstmal geschluckt und dann getüftelt ... ein Wort ändern, ein einziges Wort. Okay, das Wort ("Schwerter") war schnell gefunden, aber wie das begründen??? Denn wenn ich gesagt hätte, daß es sich um eine Vergil/Ovid/Lukan-Reminiszenz handelt (lat. enses/Schwerter wird dichterisch für "Soldaten", "Heer" verwendet), dann wäre der Vorschlag sofort abgeschmettert worden!
    Aber ich wollte den Titel ohnehin irgendwie in die Geschichte integrieren -- das fiel mir bei "Schwerter" sehr leicht. Und mit dieser Begründung wurde die Änderung als Kompromiß tatsächlich vorgenommen.

  • Zitat

    Original von Iris
    Denn wenn ich gesagt hätte, daß es sich um eine Vergil/Ovid/Lukan-Reminiszenz handelt (lat. enses/Schwerter wird dichterisch für "Soldaten", "Heer" verwendet), ...


    Interessante Info. Danke Iris.
    Gibt es noch mehr Buchtitel (die Dir oder den anderen bekannt sind), die solche "versteckten" Bedeutungen beinhalten?


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Interessante Info. Danke Iris.



    Zitat

    Gibt es noch mehr Buchtitel (die Dir oder den anderen bekannt sind), die solche "versteckten" Bedeutungen beinhalten?


    Spontan fällt mir da Gothes Wahlverwandtschaften ein, wo er einen Begriff aus den Naturwissenschaften (Stand: Goethezeit!) verwendet, um das metaphorisch auf menschliche Beziehungen anzuwenden.
    Günther Grass' Ein weites feld ist eine Fontane-Reminiszenz (der Vater der Effi Briest redet sich mit dem Spruch immer aus allem raus).
    Ecos Name der Rose bezieht sich direkt auf ein Zitat Bernards von Morlay (De contemptu mundi):
    "Stat rosa pristina nomine, nomina nuda tenemus."
    ("Die Rose von einst steht nur noch dem Namen nach, wir behalten nur bloße Namen.")


    Heutzutage wird das seltener, da zumindest in den Publikumsverlagen die Titelentwicklung mit dem Inhalt des Buches nicht viel zu tun hat.

  • Zitat

    Heutzutage wird das seltener, da zumindest in den Publikumsverlagen die Titelentwicklung mit dem Inhalt des Buches nicht viel zu tun hat.


    Die meisten Leser heutzutage bemerken diese Anspielungen sowieso nicht.


    Ich kann mir gut vorstellen, daß Verlage darauf achten, daß es denselben oder einen ähnlichen Titel schon vor kurzem gegeben hat. Und nunja mit einem etwas reißerischen Titel verkauft sich manches Buch wohl auch etwas besser.

  • Der Titel eines Buches oder Filmes unterliegt dem Urheberrecht und dem sog. Titelschutz, der mit dem Erscheinen des Buches/Films wirksam wird. Wer einen Titel schon vorher schützen will, kann das z.B. über den Titelschutzanzeiger tun. Grundsätzlich recherchieren die Verlage, ob ein Titel bereits existiert und/oder geschützt ist. Das gilt aber nur für echte Eigenkreationen. "Der Tribun" z.B. ist nicht wirklich schutzwürdig, weil es keine eigenständige Formulierung ist, sondern eigentlich nur eine Bezeichnung. Es gibt haufenweise Bücher, die ähnliche oder gleichlautende Titel haben. "Die Schwerter des Tiberius" hingegen dürfte durchaus Titelschutz genießen. Man kann ein Buch relativ problemlos "Independence Day" nennen, weil das einfach die Bezeichnung eines Feiertages ist, aber mit "The Day After Tomorrow" dürfte es Schwierigkeiten geben, obwohl das eigentlich auch nur "übermorgen" heißt. Die Verlage bemühen sich, wie gesagt, darum, derlei zu vermeiden, manchmal bemühen sie sich aber auch um das genaue Gegenteil - wie man an der ausufernden "Generation Soundso"-Inflation erkennt, die übrigens nicht mit "Generation Golf" angefangen hat, sondern mit "Generation X". Da wird versucht, Ähnlichkeiten zu suggerieren und auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. Das funktioniert nur sehr eingeschränkt, denn ein Titel verkauft ein Buch nur anfangs. Es gibt auch Titel, die durchaus abschreckend wirken, obwohl sich dahinter ein gutes Buch verbirgt - so war Matt Ruffs "G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke" anfangs ein Flop und verkaufte sich erst später (durch Mundpropaganda) richtig gut, eben weil der Titel scheiße ist (und war).


    Manche Titel sind echte Eyecatcher, andere sind Mogelpackungen. Ich halte es für einen Fehler, sich beim Schreiben zu früh auf einen Titel einzuschießen und das Buch quasi am Titel aufzuhängen, weil er auch beeinflussend wirkt. Deshalb arbeite ich zunächst nur mit Arbeitstiteln, manchmal sogar, bis das ganze Ding fertig ist, und überlege mir erst gen Ende, wie das Kind heißen könnte - ob es dann auch so getauft wird, ist eine andere Frage.


  • Weil das ein sehr breites Literaturwissen voraussetzt, das kaum einer hat. Ich fand auch schon manche Buchtitel recht seltsam und fand erst Jahre später raus, das es eine Anspielung auf eine Zeile irgendeines Gedichtes war.

  • Zitat

    Original von Markus_98
    Die meisten Leser heutzutage bemerken diese Anspielungen sowieso nicht.


    Hmm -- paßt. Klingt nach: Wer unser Zeug liest, ist eh blöd.


    Zitat

    Ich kann mir gut vorstellen, daß Verlage darauf achten, daß es denselben oder einen ähnlichen Titel schon vor kurzem gegeben hat. Und nunja mit einem etwas reißerischen Titel verkauft sich manches Buch wohl auch etwas besser.


    Ähnliche Titel, die sich in den Windschatten eines erfolgreichen Buches hängen, sind ziemlich beliebt -- daher auch die bekloppten Titel-Schemata mit Schlagwörtern und Schlagsilben ("-in") bei den Genres.

  • Zitat

    Original von Markus_98
    Weil das ein sehr breites Literaturwissen voraussetzt, das kaum einer hat. Ich fand auch schon manche Buchtitel recht seltsam und fand erst Jahre später raus, das es eine Anspielung auf eine Zeile irgendeines Gedichtes war.


    Für mich ist das kein Argument gegen einen "bedeutungsschwangeren" Titel.
    Mich kotzen die üblichen Mogelpackungen nämlich ziemlich an.

  • Iris, ich mag die ja auch, aber ein Verlag muß auch an die 99 % der Leute denken, die das eh nicht merken. Manche werden von komplizierten Titeln vielleicht abgeschreckt.

  • Zitat

    Original von Markus_98
    Iris, ich mag die ja auch, aber ein Verlag muß auch an die 99 % der Leute denken, die das eh nicht merken. Manche werden von komplizierten Titeln vielleicht abgeschreckt.


    Es geht gar nicht um kompliziert oder schlicht -- schlichte Titel sind immer besser. Schematitel hingegen sind ab Nr.15 einfach nur noch Mist.


    Verlage machen allerdings in genregebundene Schematitel.