Weil nichts bleibt, wie es ist - Laurence Tardieu

  • Der Klappentext
    Nach dem Verschwinden ihrer achtjährigen Tochter zerbricht die Liebe von Vincent und Geneviève. Als Geneviève Jahre später schwer erkrankt, reist Vincent zu ihr. Wie sehr Tod und Leben über die Liebe verbunden sind und wie das Erinnern unsere Gegenwart herausfordert, davon handelt dieser poetische Roman. Laurence Tardieu erzählt, ganz schlicht, eine Liebesgeschichte, die im Innersten berührt.


    Die Autorin
    Laurence Tardieu, geboren 1972 in Marseille, lebt in der Nähe von Paris. „Weil nichts bleibt, wie es ist“ ist ihr dritter Roman, der u. a. mit dem Prix Alain Fournier 2007 ausgezeichnet wurde.


    Meine Meinung
    Das Buch ist ein Zwei-Personen-Stück, fast schon ein Kammerspiel. Der Roman erzählt nicht durchgehend eine Geschichte, sondern die Handlung wird in drei Monologen dargestellt.


    Erster Monolog:
    Vincent ist auf dem Weg zu Geneviève, der Frau, mit der er verheiratet war und mit der er ein Kind – Clara – hatte, und die nun im Sterben liegt. Die Tochter verschwand auf dem Nachhauseweg von der Schule spurlos, sie wurde niemals gefunden. Vincent will eigentlich nicht zu ihr fahren („Warum sollten wir uns weh tun, wenn du bald nicht mehr da bist, warum das Leid wachrufen, das in uns ruht?“ - Seite 8), um nicht wieder den Schmerz des Verlustes zu spüren, des doppelten Verlustes („Die Kleine war in ihr geblieben. Ich hingegen hatte sie verloren. Damit meine ich, in mir verloren. Seite 23). In diesem Monolog springen die Gedanken Vincents hin und her, mal klingt es fast atemlos, es ist ein Erinnern und doch Nichterinnernwollen, mal sind seine Gedanken im Hier und Jetzt, mal im Gestern.


    Zweiter Monolog:
    Der zweite Monolog beinhaltet die Tagebuchaufzeichnungen Genevièves, Aufzeichnungen, die sie zwölf Tage nach dem Verschwinden Claras begonnen hatte. Es ist ein Gespräch mit sich selber über das Geschehen, das Entsetzen, über den Schmerz und über das Auseinanderdriften des Elternpaares. Je länger die Aufzeichnungen andauern, desto mehr spürt man das Annehmen und letztlich Akzeptieren dieses Schicksalsschlages auf Seiten der Mutter. Sie lernt zu verstehen, dass und wie sie mit dieser Verwundung leben muss, sie lernt auch zu verstehen, dass und warum Vincent einen anderen Weg einschlägt.
    („Ich wusste nicht, dass Worte einen retten können. ... Sie bewahren einen davor, in der dunklen Nacht des Wahnsinns verloren zu gehen.“ Seite 53)


    Dritter Monolog:
    Vincent ist bei Geneviève angekommen. Zunächst begegnet er ihr fast sprachlos, scheut zurück („Dreh dich um, nimm sie in die Arme. Lass sie nicht allein. Ich kann nicht. Ich kann es einfach nicht...“ Seite 81). Doch im Laufe dieser letzten gemeinsamen Nacht, der letzten Nacht im Leben von Geneviève finden die beiden wieder zu dem, was sie sich einmal waren. Sie reden miteinander, sie reden über Clara. Es ist berührend zu lesen, wie die Begegnung mit der Sterbenden aus Vincent wieder einen Menschen macht, der Gefühle hat und auch zulässt, der den Schmerz annimmt und sich endlich mit dem Verschwinden des Kindes auseinandersetzt.


    Kein leichtes Thema, aber ein wunderbares Buch. Trotz anfänglicher Bedenken bin ich froh, es gelesen zu haben.


    Von zehn möglichen Sternen vergebe ich zehn.