Daniel Kehlmann - Ruhm

  • Ich möchte die Figur ganz gerne und mußte auch häufiger beim Lesen schmunzeln. Es kommt einem ja auch einiges bekannt vor...
    Aber die Sprache war wirklich merkwürdig. Ich glaube, Slang zu schreiben, ist Kehlmann nicht gegeben. Das passt einfach nicht zu seinem Sprachstil!

  • Ruhm – Daniel Kehlmann


    Ein Roman in neun Geschichten


    Meine Meinung:
    Das ist wirklich ein gut gemachter, durchdachter Roman.
    Anfangs wirken die Geschichten (Stimmen, In Gefahr, Rosalie geht sterben) noch wie eigenständige Kurzgeschichten, doch bald gibt es Querverbindungen zwischen den Geschichten, werden einzelne Geschehnisse oder Personen anderer Geschichten erwähnt.
    Mit dem eigenwilligen Schriftsteller Leo Richter und seiner Begleiterin Elisabeth gibt es sogar richtige Hauptfiguren, obwohl mir auch viele der Protagonisten der anderen Geschichten sehr gut gefallen haben, zum Beispiel der Schauspieler Ralf Tanner der seinem Imitator in "Der Ausweg" begegnet, Ebling aus "Stimmen", Marie Rubinstein aus Osten und die an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte Rosalie.
    Ein Highlight ist die Story um einen Blogger: Ein Beitrag zur Debatte
    Obwohl mir die Gesamtgeschichte als Blogbeitrag zu lang erscheint und die Sprache so durchgängig absurd wirkt, kann man den Blogger Mollwitz in seinem Gefühlschaos irgendwie doch nachvollziehen, auch wenn man ihn nicht mag. Enttäuschte Hoffnungen münden in negative Beiträge, das ist nicht unrealistisch.


    Es gibt überzeugende Themen in diesem Roman, über die es sich lohnt nachzudenken.
    Die Protagonisten haben die Gemeinsamkeit, dass sie mit neuen Situationen in ihrem Leben konfrontiert werden, die sie einerseits dankbar annehmen, aber andererseits natürlich auch die Gefahr des Scheiterns auf sich nehmen müssen.


    Die Konstruktion des Buches ist etwas Besonderes und eigentlich würde ich mir wünschen, es würde unabhängig vom „Ruhm“ des Autors gelesen.

  • Wegen der Begeisterung hier im Forum und wegen der zahlreichen lobenden, aber zutiefst neidischen Feuilletons (Kehlmann gab irgendwo ein Interview über seinen neuen Roman und hat doch gleich versucht, etwas über den Roman zu sagen und zu erklären - das nehmen Feuilletonisten anscheinend sehr übel. :grin), habe ich mich zu diesem Kehlmann entschlossen.


    Letztlich kann ich mich nur den lobenden bis begeisterten Stimmen hier anschließen. Ich mochte die Verschachtelung und Konstruktion des gesamten Romans in Geschichten. Ich mochte das Spiel Kehlmanns mit seinen Figuren und sich selbst als gottähnlicher Erschaffer seiner Charaktere. Und es gab viele Stellen, an denen ich von Kehlmanns schönen Formulierungen oder überraschenden Wendungen (sprachlicher Art) begeistert war. Insgesamt ist der Erzählstil sehr elegant - einzig der "Beitrag zur Debatte" fiel da heraus. Prinzipiell hätte ich kein Problem mit der verfremdeten Internet-Sprache gehabt, aber mir kam die Sprache sehr rauh, fast grobschlächtig vor. Die Eleganz (die hier sicher nicht gewollt war) und die überraschenden Wortspiele oder Wendungen fehlten mir hier. Zudem war die Geschichte relativ lang - für mich weniger das Highlight als der Tiefpunkt des Romans.


    Alles in allem war ich aber sehr angetan von Kehlmann und seiner Verarbeitung der Themen moderne Kommunikation, Identitätssuche und Authentizität. Gerade die Art, wie er sich als Autor immer wieder hintergründig ins Spiel bringt, fand ich sehr amüsant.
    Einzig mit dem Titel habe ich Probleme und frage mich, ob es wirklich den Inhalt des Romans trifft. Aber da ich keinen besseren Vorschlag habe, möchte ich daran nicht weiter rumnörgeln.

  • Zitat

    Original von Vulkan
    (Kehlmann gab irgendwo ein Interview über seinen neuen Roman und hat doch gleich versucht, etwas über den Roman zu sagen und zu erklären - das nehmen Feuilletonisten anscheinend sehr übel. :grin)


    Spielst du damit auf die Sache mit dem SPIEGEL an? :gruebel


    Darüber habe ich vor kurzem einen Artikel in Die Zeit gelesen und da wird der ganze Sachverhalt ja doch noch etwas anders dargestellt: http://www.zeit.de/online/2009/07/kehlmann-kommentar

  • @ buzzaldrin
    Den Spiegelartikel meinte ich nicht - den habe ich jetzt erst gelesen. Ich weiß aber nicht mehr, welche Zeitung das Interview mit Kehlmann gedruckt hat. Meine Mutter hatte sich eine ganze Reihe Artikel zu dem neuen Roman ausgedruckt, ich habe diese Ausdrucke mehr oder weniger genau gelesen. Jedenfalls erzählte Kehlmann in einem direkten Interview von seinem neuen Roman. Und in einer Rezension wurde auf dieses Interview Bezug genommen - so in der Art, Schriftsteller sollen schreiben und nicht selbst ihre Bücher analysieren und interpretieren, oder gar sagen, welche die beste, lustigste oder traurigste Geschichte ist. (Mag sein, dass ich es etwas zuspitze, aber der Tenor war wirklich so.)


    Tut mir leid, dass ich Dir nicht genau sagen kann, wo die einzelnen Artikel erschienen sind, aber ich habe die Ausdrucke gleich meiner Mutter zurückgegeben und mir die jeweiligen Zeitungen nicht gemerkt.

  • So ein Blödsinn, man kann sicherlich kritisch mit dem neuen Kehlmann umgehen, aber dass der gemeine Leser in der Hälfte des Buches versacken wird, ist eine grandiose Fehleinschätzung. (Dafür ist das Buch ja fast zu kurz :lache) Da frage ich mich wie sie die normale Leserschaft einschätzt.

  • Gut möglich, aber das fand ich auch ein wenig peinlich, dass sie das so betonen muss. Ich hatte auch das Gefühl, das hat so etwas reflexhaftes: Alle finden Kehlmann toll, dann finde ich sein neues Buch blöd...

    :lesend Walter Kempowski "Das Echolot"

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  • Zitat

    Original von dyke
    Die Mutter aller "Bücher" nennt das Buch im Stern
    reine Germanisten- und Kritikerprosa


    Wieder mal so ein Satz, mit dem mehr über die aussagende Person als über den betreffenden Schriftsteller ausgesagt ist. :rolleyes Ich habe auch wie buzzaldrin den Eindruck, dass Heidenreich ziemlich verbittert aus der ganzen Geschichte herausgegangen ist. Das nervt mich an den neuen Sendungen auf Litcolony gewaltig...

  • Eine Story muss ich Euch noch zu dem Thema erzählen. Wie so oft (was Kehlmann betrifft) ist meine Quelle meine Mutter - wenn also jemand einen Zeitungslink weiß, in dem die Anekdote beschrieben ist, bin ich dankbar:


    Wilhelm Genazino hat ein neues Buch geschrieben und ist wohl auf Lesereise. Die Lesung war ausreichend lang, er gibt seinem Publikum aber noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Irgendwie hat aber niemand eine Frage oder keine Lust, sie zu stellen. Irgendjemand brumt vor sich hin, dass es eine gute Lesung war, und es doch nun auch gut sei. Dann kommt von ganz hinten eine leise Stimme "Wo kommen Sie denn auf die Ideen für Ihre Geschichten?". Das bisher sehr stille, aber über aktuelle Literatur anscheinend gut informierte Publikum bricht in Gröhlen aus: "Das ist die Kehlmann-Frage!". Einer der wenigen im Saal, der wohl keine Ahnung hatte, worum es in dem Augenblick ging, war Genazino selbst - aber man hat es ihm wohl danach erklärt. :grin


    Wie gesagt, die Anekdote ist aus zweiter oder dritter Hand, aber so schön, dass ich sie Euch nicht vorenthalten wollte.

  • oh - Kehlmann ist auf Lesung!!
    Da muss ich doch mal googeln, ob er auch hier in der Nähe liest. ;-)

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf