Daniel Kehlmann - Ruhm

  • Ok. … :gruebel …Schwierig! Schwieriges Buch, schwierig meine Meinung in Worte zu fassen. Und auch schwierig, überhaupt eine Meinung zu finden.


    Fangen wir mal mit dem „einfachen“ an: schwierig ist das Buch nicht wegen seines Schriftstils. Im Gegenteil, von der Art des Geschriebenen fand ich es sehr eingängig und (bis auf ein Kapitel in bewusster „Modesprache“) sehr flüssig zu lesen. Das Buch besteht aus neun Kurzgeschichten, die alle nur ein paar Seiten lang sind. Trotz der Kürze konnte ich mir sehr gut die Protagonisten und ihr jeweiliges Umfeld vorstellen, es ist sehr präzise und auf den Punkt geschrieben, trotzdem aber so detailreich, dass zumindest bei mir sofort ein inneres Bild entstand. Sprachlich fand ich es gut gelungen!


    Allerdings habe ich dennoch lange für das Buch gebraucht. Ich musste jedes Kapitel erst mal „sacken lassen“, bevor ich das nächste lesen konnte. Denn inhaltlich finde ich es sehr schwer zu fassen. Oder besser gesagt: die Aussage, die (vielleicht?) dahintersteckt. „Ruhm“ ist ein Buch, bei dem ich das Gefühl habe, der Autor möchte mir etwas mitteilen. Nur was? Es geht in den Geschichten um Leben und Sterben, Sein und Verschwinden, um eigene Identität und wie schnell sie verlorengehen kann. Nachdenkenswerte Fragestellungen. Antworten gibt’s keine und so bleibe ich wie so mancher Protagonist im Buch etwas verloren zurück, vor allem die Vermischung aus fiktiver Realität und Phantasie kann ich schwer einordnen. Gerade auch das Ende mit der letzten Geschichte hat mich nochmal vollends verwirrt. Und jetzt?


    Zum Glück habe ich an der Stelle Seesterns :wave Rezi gefunden, die vieles, was mir so durch den Kopf schwirrt, sehr gut wiedergegeben hat. Danke! Auch wenn ich ihre sehr positive Einschätzung nicht teile. Das Buch hat mich durchaus stellenweise angesprochen, oft aber sehr verwirrt und letztlich bleibt es mir zu wenig nachhaltig. Deshalb nur 6 Punkte.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Die Vermessung der Welt hat mir sehr gefallen. Ruhm kommt da nicht mal annähernd heran. Ich halte Kehlmann nach wie vor für ein großes Schreibtalent, der mit Sprache umgehen kann wie nur wenige. Aber was er da abgeliefert hat, ist bestenfalls gehobener Durchschnitt.
    Die meisten der Geschichten an sich sind originell in ihrer Handlung und ihrem Aufbau, die meisten der Charaktere gut gezeichnet, die Sprache sensationell. Der Rest ist... nicht so gut.


    Der rote Faden, der alle Geschichten durchzieht, reißt manchmal oder ist sehr unglaubhaft. Da hat der Autor meiner Meinung nach nicht sein Bestes gegeben. Der Schluss kommt abrupt und lässt einen als Leserin etwas ratlos und unzufrieden zurück. Sollte es da nicht eine ansatzweise Auflösung beziehungsweise Erklärung gegeben? Habe ich etwas überlesen? Auch beim zweiten Lesen war es nicht anders.


    Daniel Kehlmann kann es besser, das weiß ich. Es kann allerdings auch sein, dass Kurzgeschichten ihm nicht so liegen. Das kann ich nicht beurteilen, hoffe aber im nächsten Buch wieder auf das hohe Niveau, das Kehlmann schon mal vorgelegt hat.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde