Liebe Büchereulen,
ich möchte euch ein Buch vorstellen, das mich sehr beeindruck hat - vielleicht interessiert es die Leser von "Wohin der Fluss uns trägt".
Klappentext
Zwanzig Dollar für ein Glas Limonade?
Reese Mitch wird stutzig, als er den Erfolg bemerkt, den die kleine Annie Stephens mit ihrem Limonadenverkauf erzielt. Vor allem aber interessiert ihn die Narbe, die sich über ihren Brustkorb zieht, erinnert sie ihn doch an ein dunkles Geheimnis in seiner Vergangenheit.
Vor Jahren hat Reese sich in die Idylle am Lake Burton geflüchtet, verfolgt von den Erinnerungen an seine Frau Emma. Mit ihr verband ihn eine einzigartige Liebe, die alles ertrug, alles glaubte, alles hoffte und allem standhielt.
Die Begegnung mit der zauberhaften Siebenjährigen stellt Reese vor die Entscheidung seines Lebens: Will er dem Mädchen helfen, muss sich der Mann mit dem gebrochenen Herzen seiner geheimnisumrankten Vergangenheit stellen.
Wird er den Mut dazu finden und in seinem Herzen Raum für Annie und ihre faszinierende Tante Cindy schaffen, bevor es zu spät ist?
Der Autor
Charles Martin studierte Englisch und Journalistik und hat einen Doktortitel in Kommunikationswissenschaften. 1999 gab er seinen Beruf auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Der von der Presse gefeierte, preisgekrönte Autor lebt mit seiner Frau und drei Söhnen in Jacksonville, Florida.
Meine Meinung
Jedes Herz hat zwei Teile, den Teil, der pumpt, und den Teil, der liebt. (Seite 103)
Charles Martin bereitet vor den Augen des Lesers eine Geschichte aus über Annie, das kleine todkranke Mädchen, mit dem zusammen eine ganze Stadt auf ein neues Herz hofft, und über Reese, den begnadeten Chirurgen, der durch einen Vorfall, bei dem er glaubt versagt zu haben, aus der Bahn geworfen wird und der nie wieder als Arzt tätig sein will. Er erzählt von Charlie, dem Schwager von Reese, der blind und doch sehender als manch anderer ist, und von Cindy, der Tante des Mädchens, die alleine eine zu schwere Last zu tragen hat und kurz vor dem Zusammenbruch steht. Er erzählt auch von Termite, dem Jungen, der so verzweifelt Freunde sucht, von Davis, dem ehemaligen Mönch, von Dr. Sal, dem wunderbaren Arzt, von Dr. Royer, dem ehemaligen Partner von Reese, der als Chirurg viele Herzen heilt.
Es ist eine zu Herzen gehende Geschichte über das Warten und das Hoffen, die doch nie ins Kitschige abgleitet. Unterbrochen wird diese Geschichte immer wieder von Berichten über das menschliche Herz, über Operationsmethoden, über die Landschaft, über Boote, über Holz, aber auch von der erzählten Vergangenheit Reese, seiner Kindheit, von Emma, der großen Liebe seines Lebens, von seinem Lernen, von seinem Wirken als Arzt und von seinem alles überstrahlenden Wunsch, Emma "heil" zu machen. Ich habe die Beschreibungen als fast schon wohltuende Unterbrechung emfunden, als Punkt, um wieder tief Luft zu holen für den weiteren Fortgang der Geschichte. Der Leser erlebt den fortschreitenden körperlichen Verfall Annies hautnah mit, er hofft mit, als sich ein "Streif am Horizont" zeigt. Die dramatische Situation und anschließende Operation um Annies neues Herz war für mich eine emotionale Achterbahnfahrt, auf der einen Seite die Beschreibung des Kollapses und der daran anschließenden "Behandlung", so möchte ich es einmal nennen, ohne zu viel zu verraten, und fast im selben Absatz das Beschreiben dessen, was der Arzt während einer Herztransplantation zu tun hat.
Der Glauben spiel in diesem Buch eine große Rolle. Er wirkt nicht aufgesetzt, sondern man spürt, wie sehr er den Protagonisten geholfen hat, wie sehr sie es brauchten, sich an Gott zu wenden mit ihren Sorgen und Nöten und sich an ihm festzuhalten. Hätte Annie so lange überlebt, wäre sie nicht so sehr überzeugt davon, dass Gott irgendwo einen ganz besonderen Arzt für sie hat? Ich glaube nicht.
Ich werde an dieser Stelle nicht verraten, ob Annie überlebt, ob ein neues Herz für sie gefunden wird, ich möchte auch nicht verraten, ob Reese wieder als Arzt arbeiten wird.
Aber ich möchte dieses Buch - fast - uneingeschränkt empfehlen.
Es sei mir erlaubt, auf dieses "fast" einzugehen:
Wenn Du ein todkrankes Kind zu Hause hat oder einen anderen Angehören oder einen Menschen, der Dir sehr nahe steht, oder wenn Du gar selber in der Situation bist, dass Du auf ein neues Herz wartest oder eine andere schwere Herzerkrankung Dein Leben und Denken bestimmt, dann solltest Du Dir sehr gut überlegen, ob Du dieses Buch (jetzt) lesen willst. Vielleicht wird es Dir helfen, vielleicht auch nicht. Charles Martin erzählt zu gut, um nicht zu berühren - und als Betroffener kann man dieses Berühren durchaus als Qual emfinden.
Dass ich an einigen Stellen des Buches hemmungslos geweint habe, hat sehr persönliche Gründe, anderen Lesern wird es sicherlich nicht so gehen.
Ein Buch mit einer großen Geschichte, mit wunderbaren Personen und ein Buch voller Hoffnung.
Von möglichen zehn Sternen vergebe ich zwölf.