Da viele LeserInnen nicht mehr inhaltliche Informationen wünschen als im Klappentext steht, verstecke ich weitere Details meiner Rezension als „Spoiler-Information“. Obwohl ich hoch und heilig versichere, dass ich hier nicht zuviel verrate und dem geneigten Buchkäufer nach der Lektüre des gesamten Texts noch mehr als genügend Lesevergnügen übrig bleibt. Wem das mit der Spoilerwarnung zuviel Gefummel ist: der komplette Text steht auch hier:
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Martin Conrath, Sabine Klewe: Das Vermächtnis der Schreiberin, Schwaben-Krimi (Esslingen), Köln 2008, Hermann-Josef-Emons-Verlag, ISBN 978-3-89705-607-7, Softcover, 316 Seiten, 13,5 x 20 x 2,3 cm, EUR 9,90.
Esslingen, Dezember 2008: Leichen im Keller
Heinrich Morgen, ehemaliger Jungstar der deutschen Historiker- und Archäologenszene, muss heute sein Geld auf dem Esslinger Mittelalter-Weihnachtsmarkt verdienen. Er verkauft dort Holzschwerter. Eine touristische Führung durch die alten Keller der Stadt nimmt nicht nur für ihn einen unerwarteten Verlauf: In einem der privaten Kellergewölbe wird die Leiche des Studenten Friedhelm Schenk gefunden. In seinem Herz steckt eine mittelalterliche Ahle. Ehe Heinrich es sich versieht, ist er allein bei dem Toten und muss auf die Polizei warten.
Heinrich macht Videoaufnahmen vom Tatort und entdeckt dabei Hinweise auf eine Geheimkammer. Die Neugier des Historikers siegt, der Öffnungsmechanismus ist kein großes Problem – und Heinrich kann einen Blick in einen Raum werfen, der 700 Jahre lang verschlossen war. Ein Spiegel befindet sich darin – und die Mumie einer Frau im mittelalterlichen Gewand!
Bei den Ermittlungen verguckt sich Heinrich in die Kriminalkommissarin Senta Taler, die hoffentlich nie von seiner Fund-Unterschlagung erfahren wird. Bald gibt es noch mehr, was Senta nie erfahren darf. Anne Schnickler, die einen Stand auf dem Mittelaltermarkt hat, wird als Mordverdächtige verhaftet. Die Marktbeschicker sind jedoch von ihrer Unschuld überzeugt und machen sich heimlich selbst auf die Suche nach dem Mörder. Dabei sind sie nicht gerade zimperlich.
Mit ihren Schlussfolgerungen ist die „SOKO Anne“ der Marktleute zwar teilweise auf dem Holzweg, aber Heinrich Morgen kommt der Wahrheit doch so nahe, dass er sich und andere dadurch in tödliche Gefahr bringt ...
Esslingen anno 1324: Eine Schreiberin in Not
Was Heinrich und die Marktbeschicker nie erfahren werden, erfahren wir Leser durch die Parallelhandlung, die im Esslingen des Jahres 1324 spielt: Für die medizinische Behandlung ihrer todkranken Tochter verschuldet sich die verwitwete Schreiberin Reinhild Wend beim Gastwirt Vornholt. Die Gegenleistungen, die er fordert, sind ungeheuerlich ...
Wer ist die mumifizierte Tote im Keller? Wie kam die Frau ums Leben? Was kann vor 700 Jahren nur geschehen sein, dass jemand heute noch deswegen morden würde?
In rasantem Tempo bewegen sich die beiden Handlungsstränge aufeinander zu – bis zum furiosen Finale.
Schwabenkrimi ohne Kehrwochen-Klischees
Wer Kehrwochen- und Vierteles-Schlotzer-Klischees erwartet oder Hauptkommissar-Bienzle-Beschaulichkeit, wird hier enttäuscht werden. Mit dieser Art Folklore haben Martin Conrath und Sabine Klewe nichts im Sinn. Dafür kennen sie das Milieu des Esslinger Mittelaltermarkts umso besser. Conraths Bruder tritt dort seit Jahren als Troubadour auf und Conrath und Klewe hatten selbst schon einen Stand auf dem Markt.
Wenn zwei Autoren zusammen einen Roman schreiben, fragt man sich als Leser, wie sie das wohl bewerkstelligt haben. In diesem Fall hat Martin Conrath den Krimiteil geschrieben, der in der Gegenwart spielt und Sabine Klewe, die bereits historische Romane veröffentlicht hat, zeichnet für den mittelalterlichen Erzählstrang verantwortlich. So entstand ein packender Kriminalfall in einem faszinierenden Milieu und mit sorgfältig recherchiertem historischem Hintergrund.
Man muss weder Esslinger noch Schwabe sein, um diesen Krimi mit Vergnügen zu lesen, auch wenn es zweifellos seinen eigenen Reiz hat, die Schauplätze des Geschehens zu kennen.
Die Autoren
Sabine Klewe, Jahrgang 1966, Studium in Düsseldorf und London, ist freiberufliche Schriftstellerin und Übersetzerin und arbeitet als Dozentin für Fremdsprachen und kreatives Schreiben, unter anderem an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.
Martin Conrath, geboren in Neunkirchen an der Saar, ist Schriftsteller, Musiker, Journalist und Dozent. Seit 2006 lebt und schreibt er in Düsseldorf. Sein Roman „Das Schwarze Grab“ wurde 2008 als Tatort verfilmt.