'Faust: Der Tragödie Erster Teil' - Seiten 001 - 025

  • Zitat

    Original von kamelin


    Ich fürchte meine Seitenaufteilung ist in meiner Ausgabe anders, aber wir können uns ja auch so orientieren.


    Erst mal freue ich mich, hier Gesellschaft zu haben :-]
    Wegen der Seitenzahlen, die von Ausgabe zu Ausgabe natürlich abweichen, hat Salome hier freundlicherweise auch die Einteilung nach Auftritten eingetragen. Das dürfte es etwas leichter machen ...

  • So, nach mehreren erfolglosen Versuchen, mir die Zuneigung und das Vorspiel auf dem Theater näher anzusehen werde ich zu diesen beiden Textabschnitten nichts schreiben, sondern gleich mit dem Prolog im Himmel einsteigen.


    Nach dem Auftritt der drei Erzengel, die die vom Herrn geschaffene Welt loben, tritt Mephistopheles auf und wendet sich direkt an den Herrn.
    Er gibt zu, sich nicht mit der Welt, der Schöpfung, als Ganzes zu befassen, sondern sich einzig und allein auf die Menschen zu konzentrieren - "Von Sonn' und Welten weiß ich nichts zu sagen, ich sehe nur, wie sich sie Menschen plagen."


    Diese sind, seiner Auffassung nach, immer dieselben geblieben, trotz der Vernunft "tierischer als jedes Tier" - wobei ich diesen Absatz so verstehe, dass die Menschen nach Mephistopheles' Ansicht die Vernunft nur nutzen, um unmoralisch zu handeln und das dann rational zu begründen.


    Mephisto scheint gelangweilt von den Menschen, die immer gleich reden und handeln und meinen, sich mit jedem "Quark" befassen zu müssen.


    Im weiteren Verlauf des Dialoges kommt es zu der Wette zwischen dem Herrn und Mephisto, wobei nur Mephisto (das "pheles" werde ich von jetzt an weglassen) das Wort "Wette" gebraucht. Für den Herrn ist von vorne herein klar, dass das "Irren" des Menschen (allgemein und ganz konkret : Faust) "solang er strebt" dazu gehört, er aber trotz aller Irrwege immer weiß, was der "rechte Weg" ist.


    Deshalb ist er sich auch sicher, dass Mephisto keinen Erfolg haben, sondern schließlich seine Niederlage eingestehen wird :"Und steh beschämt, wenn du erkennen musst : Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl bewußt."
    Mephisto dagegen ist sich sicher, seine Wette zu gewinnen.


    Im weiteren Verlauf des Dialoges wird sowohl das Menschenbild des Herrn als auch das Zusammenwirken von "Gut" und "Böse" dargestellt.
    "Du darfst auch da nur frei erscheinen,
    ich habe deinesgleichen nie gehasst.
    Von allen Geistern, die verneinen
    ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
    Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,
    er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
    Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
    Der reizt und wirkt, und muss, als Teufel, schaffen."
    Selbst das "Böse" hat also in der Planung des Herrn seine Funktion.


    Der Prolog im Himmel nimmt in der Handlung mehrere wichtige Funktionen ein, der Leser lernt hier zwei entgegengesetzte Menschenbilder kennen und der Grundstein für die Handlung wird gelegt. Außerdem wird Faust dem Leser hier das erste Mal durch Mephisto und dessen Zerrissenheit deutlich gemacht.


    ______


    Noch kurz etwas zu meinem Einstieg in die Lektüre : Obwohl ich "Faust" im LK gern gelesen habe fiel mir das Lesen und auch das Wiedergeben meiner Leseeindrücke eher schwer. Ich hoffe, meine Formulierungen werden mit der Zeit etwas besser, ich habe lange nichts derartiges geschrieben und bin etwas aus der Übung ;-).

  • Zitat

    Original von Alasen


    Im weiteren Verlauf des Dialoges kommt es zu der Wette zwischen dem Herrn und Mephisto, wobei nur Mephisto (das "pheles" werde ich von jetzt an weglassen) das Wort "Wette" gebraucht.


    Hallo!


    Als Zaungast habe ich etwas in die Diskussion hineingelesen und wurde bei dem Stichwort "Wette" an Hiob erinnert.
    Ist in diesem biblischen Buch die Rahmenhandlung zwischen Gott und Satan nicht ähnlich?
    (Der Mensch "Hiob" wird meiner Erinnerung nach allerdings ganz anders charakerisiert als "Faust".)
    Leider habe ich im Moment keine Zeit, nachzulesen
    und bin auch schon wieder weg :wave


  • Ich denke auch, dass das Buch Hiob als Vorbild für den Prolog im Himmel diente. Die Ausgangssituation ist ähnlich, beidesmal wird der Mensch (einmal Hiob, einmal Faust) von Gott als "Knecht" bezeichnet. Doch im Gegensatz zu Hiob, der das ganze Leid von oben auferlegt bekommt, um seine Gottestreue auch in Zeiten tiefster Not zu testen, lässt sich Faust aus freien Stücken mit Mephisto ein. Und anders als Hiob, der Gott trotz allem treu ergeben ist, verneint Faust mehrmals seinen Glauben (z.B. "Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube").
    Es ist ein anderes Menschen- und auch Gottesbild, das in den beiden Texten zum Ausdruck kommt.

  • Ich habe inzwischen den ersten Abschnitt ganz und den zweiten weitgehend gelesen. Das ist das erste Mal seit meiner Schulzeit, daß ich freiwillig ein Theaterstück lese, und stets habe ich die Gründgens-Inszenierung und den Tonfall von Will Quadflieg bzw. Gustaf Gründgens beim Lesen im Ohr, obwohl ich den Film seit vielen Jahren nicht mehr gesehen habe.


    Beim Lesen sind mir zwei Dinge aufgefallen. Zum einen bemerkte ich, warum ich früher fast ausschließlich Texte aus dem 19. Jahrhundert gelesen habe: diese wundervolle Sprache! Zum zweiten sind mir Zweifel gekommen, ob ich über dieses Stück diskutieren möchte. Man kann das an etlichen Stellen - für mich, ich gebe es zu, völlig unerwartet - extrem aktuell interpretieren. Sehr unangenehm aktuell.


    Ich werde jetzt erst mal die anderen Posts lesen (um zu sehen, wie sich die Diskussion entwickelt) und später, evtl. erst morgen (ich habe eine Menge nachzuholen, nicht nur hier im Forum, meinen Büroschreibtisch gucke ich lieber gar nicht erst an), einen eigenen ersten Kommentar posten.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • @ SiCollier
    Du schreibst mir aus der Seele


    Zitat

    Original von SiCollier
    Zum zweiten sind mir Zweifel gekommen, ob ich über dieses Stück diskutieren möchte. Man kann das an etlichen Stellen - für mich, ich gebe es zu, völlig unerwartet - extrem aktuell interpretieren. Sehr unangenehm aktuell.


    Und überraschend aktuell. Überraschend für mich.
    Ich weiß genau was du meinst mit "diskutieren", denn genauso ging es mir auch. Ich fand den Einstieg wahnsinnig schwer - nicht das Lesen, sondern das darüber schreiben.
    Dann dachte ich, ich warte, was die anderen posten, um zu sehen, was ich dazu zu sagen habe, aber Pustekuchen. Ausser Seestern war ja erstmal Sendepause und ich habe die Vermutung, dass es anderen ebenso ergeht.
    Das Lesen ist eine richtige Freude, die Sprache einfach herrlich, der Humor genial. Aber dann dazu etwas zu schreiben fand ich extrem schwierig.


    Zitat

    Original von SiCollier
    Ich werde jetzt erst mal die anderen Posts lesen (um zu sehen, wie sich die Diskussion entwickelt) und später, evtl. erst morgen (ich habe eine Menge nachzuholen, nicht nur hier im Forum, meinen Büroschreibtisch gucke ich lieber gar nicht erst an), einen eigenen ersten Kommentar posten.


    Ich versuche auf jeden Fall weiter mitzuschreiben (schon allein weil ich die Idee zu dieser Leserunde so klasse fand) und hoffe, dass ich kommentartechnisch einen Zugang zum Stoff finde.

  • Zitat

    Original von kamelin
    . Ich fand den Einstieg wahnsinnig schwer - nicht das Lesen, sondern das darüber schreiben.
    Dann dachte ich, ich warte, was die anderen posten, um zu sehen, was ich dazu zu sagen habe, aber Pustekuchen. Ausser Seestern war ja erstmal Sendepause und ich habe die Vermutung, dass es anderen ebenso ergeht.
    Das Lesen ist eine richtige Freude, die Sprache einfach herrlich, der Humor genial. Aber dann dazu etwas zu schreiben fand ich extrem schwierig.


    Ja, ganz genau so geht es mir auch. Wie fasse ich meine Eindrücke zusammen ? Wie gebe ich den Inhalt am besten wieder ? Was ist erwähnenswert und was nicht ? Damit habe ich mich etwas herumgeschlagen...

  • Ich finde es auch vor dem Hintergrund der Dichte vieler Texte schwierig. Da steckt einfach so viel drin - aber wo anfangen, wie beschreiben oder werten?
    Ich müsste im Grunde jede Passage erwähnen, weil man eigentlich nichts auslassen sollte. Aber das ist dann doch etwas überfordernd.
    Na ja, aber wie gesagt, Versuch macht kluch ... .o)


  • Na ja, ich sehe mein Problem eher darin, daß der Stoff so (ich sage nochmals: für mich unerwartet) hochaktuell interpretierbar ist. Und dann habe ich die vielen, sagen wir mal, aus dem Ruder gelaufenen Eulendiskussionen zu manchen Fragen im Hinterkopf. Aber genau solche Themen werden angesprochen. Andererseits gab es bisher in Leserunden immer vernünftigen Meinungsaustausch, auch zu schwierigen Themen. (Zumindest in denen, an denen ich teilgenommen habe.) Sobald ich meine vielen Anmerkungen im Buch "postfähig" verarbeitet habe, melde ich mich damit hier.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")



  • UNMOTIVIERT ist der Herr Mephisto keineswegs ! So oft, wie Du ihn schon aus den wenigen Zeilen zitiert hast, kann das schon sprachlich nicht hinhauen mit unmotiviertem Auftreten. Mephisto ist bis in die Fingerkralle seines Klumpffußes motiviert, hat er doch, vermeintlich allerdings nur, eine äußerst attraktive WETTE mit dem Herrn ans Laufen gerbacht: "Was wettet ihr, DEN SOLLT IHR NOCH VERLIEREN..." - Wenn das nicht eine höllische Motivation ist - gerade auch, weil ihn die Menschlein in ihren Jammertagen dauern und er diese 0815 Geschöpfe nimmer plagen will. Faust, Doktor Faust, seines Zeichens voller Gährung die ihn in eine Ferne treibt: ein Festessen. Diesen aufgeblähten Möchtegern Gott-Ebenbildlichen, der aber nun ach Philosophie und die Ganze Welt durchaus studiert hat, mit heißem Behühen, der beständig zwischen Größenwahn und Altersdepression hin und her schwingt, umgeben von nicht einem Gleichen, den allerdings der Erdgeist in die Schranken schickt ("Du gleichst dem Geist, den Du begreifgst..nicht mir.") - also diesen eitlen Genossen seiner Zeit, `in seiner Straße sacht zu führen´, mit der Aussicht "Staub soll er fressen, wie meine Mumie, die alte Schlange....´ , das herausragende Geschöpf, den Gott selber kennt (" meinen Knecht" ) in die Hölle zu reißen - wem juckt es da nicht in den Fingern ? - als Mephisto, natürlich. Das Unzulängliche des Menschen ist ja gerade die eigentliche mephistolische Spielwiese...nur ödet Herrn Mephisto jener Durchschnittsmensch an, der kriechend in den eigenen Eingeweiden keine Hertausforderung bietet, jemanden der doch ein hübsches Arsenal an Verführungskünsten drauf hat - und...wen erinnert es nicht an "Im Auftrag des Teufels": "Eitelkeit ist meine Lieblingssünde..." Vielmehr haben sich also nun zwei Gegenspieler gefunden, die, ohne es zu wissen, beides Knechte des einen Herrn sind, die er nun aber ein wenig mit sich und dem Leben, auf gleicher Augenhöhe spielen lässt - denn auch so ein von der eigenen Engelschar hochgelobter Herr im Himmel liebt sich doch auch mal gerne ein bisschen abwechslungsreiche, intelligente Unterhaltung. Also: Das Spiel möge beginnen.....

  • tomki,


    ich habe auch nicht behauptet, dass Mephisto unmotiviert ist oder handelt. Mir schien beim ersten Lesen, wohlgemerkt ohne die nachfolgenden Entwicklungen zu berücksichtigen, einfach der Stein des Anstoßes dafür zu fehlen, dass Mephisto derart verächtlich von den Menschen spricht.

  • Zitat

    Original von kamelin
    Ich finde es auch vor dem Hintergrund der Dichte vieler Texte schwierig. Da steckt einfach so viel drin - aber wo anfangen, wie beschreiben oder werten?
    Ich müsste im Grunde jede Passage erwähnen, weil man eigentlich nichts auslassen sollte. Aber das ist dann doch etwas überfordernd.
    Na ja, aber wie gesagt, Versuch macht kluch ... .o)



    Das ist ja ein zentrales Problem der gymnasialen Verbildung: Da wird Stoff, falls überhaupt noch, durchgekleckert, ohne den Geschmack daran zu vermitteln.


    Der Einstieg ist doch eigentlich ganz leicht: Himmel und Hölle, Gut gegen Böse - aber ach: Da hat doch der Herr Goethe schon vor einigen Jährchen mehr drauf gehabt als aktuelle Vampirbeißerchenromanzen im Zwielicht: Faust ist nicht die Geschichte Gut gegen Böse, sondern Systole und Diastole. Faust will sich ausdehnen, über sich hinaus. Ihm ist klar: Das hier ist nicht Alles. Er will sich ausdehnen ins Universelle, will TEILHABE am tatsächlich GROßEN und GANZEN. Nur und nur deshalb KENNT ihn sein HERR. Nur und nur deshalb nennt er Faust, nicht etwa seinen Blödmann, sondern: "mein Knecht". Mephisto ist die Verengung. Sagt der Herr "Mein Knecht", son versteht Mephisto nur Bahnhof: "Fürwahr, der dient euch auf besondere Weise, nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise...." Aber gerade da liegt ja der Mephisto im Pfeffer: gerade weil nicht irdisch, sondern überirdisch Faust expandieren will, ist er Gottes Mann, sein Knecht.


    Was wir heute als alberne Kitschpoesie über Menschen mit blassem Hauttyp, deren langweiliges Leben ( immer neue Blutreserven anbohren...für i m m e r und wegi !) ein nie enden wollenden Schmerz von Teenagerromantik zur Darstellung kommt, muss einem Goethe wie Hohn daher kommen. Ihm ging es um Substantielles: Der Mensch, der über sich hinaus, die eigene Menschhülle, die eigene Menschidee will, seinem eigenen metaphysichen Dasein verpflichtet sich fühlt, als Erdling sich ausdehnen versucht, wird vom Teufel selbst in die Verengung und damit in die geistige Ödnis versucht immer wieder zurück zu werfen. Der Kampf ist nicht blöd gegen dumm, oder gut gegen blösse, sondern Ausdehnung gegen Verengung. Mephisto zieht seinen Faust immer wieder in den Staub, wie eine Schlange, wie er das auch selbst sagt: Staub soll er fressen...wie ..meine Schlange": Naja..und wie macht der alte Höllenhudn das....Nun ja: Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach: Auftritt Margarete - nicht Schweinemakers, sondern Gretchen...der Rest..ist....Geschichte.....Wenn uns das heute nichts zu erzählen hat.......dann haben wir nichts mehr zu erzählen.

  • Zitat

    Original von Seestern


    Ich denke auch, dass das Buch Hiob als Vorbild für den Prolog im Himmel diente. Die Ausgangssituation ist ähnlich, beidesmal wird der Mensch (einmal Hiob, einmal Faust) von Gott als "Knecht" bezeichnet. Doch im Gegensatz zu Hiob, der das ganze Leid von oben auferlegt bekommt, um seine Gottestreue auch in Zeiten tiefster Not zu testen, lässt sich Faust aus freien Stücken mit Mephisto ein. Und anders als Hiob, der Gott trotz allem treu ergeben ist, verneint Faust mehrmals seinen Glauben (z.B. "Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube").
    Es ist ein anderes Menschen- und auch Gottesbild, das in den beiden Texten zum Ausdruck kommt.



    Naja, wenn Du selber schon auf die Unterschiede eingegangen bist, kann ja klar sein, dass hier Äpfel und Birnen zusammen kommen. Das Buch HIOB entstammt der alten judäischen Erzähltradition, in Gleichniserzählungen die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk, was dieser erwartet, was man zu geben hat usw. darlegt.
    Schön ist hier der Bezug auf das Buch HIOB aber dann trotzdem, weil es genau den fundamentalen Unterschied aufzeigt, den Goethe verfolgt - in Unterscheidung zu anderen Gott-Mensch-Entwürfen:


    HIOB wird geprüft, bis auf die Knochen. Geprüft wird sein Gottergebenheit, seine bedingungslose Unterwerfung unter den, auch völlig irren, nie verstehbaren Willen dieses Gottes. Dieses Gottesbild des nie ergründbaren Giottes, der auch Leid und Prüfungen auferlegt ist ebenfalls tiefste jüdische Tradition.


    Goethe hat mit dererlei Gottergebenheiten nichts am Hut. Goethe vetritt ein Gottesbild, das einen sehr interlektuellen Gott zeigt. Nicht eben jenem, der von morgens bis abends mit den 10 Geboten dasteht und seine Engelschar Listen und Kreuzchen machen lässt obwohl heute Gustav Fanz oder Lotte Baumeister wenigsten 6 von 10 Punkten in Befolgung der Gebote eingefahren hat. Wer dann Tagessieger wird gewinnt die Kaffeemaschiene oder darf Himmelstor 3 aufmachen. Goethe hat einen intelligenten Gott im Kopf: Der lässt den Menschen nah an sich heran - nicht auf Distanz. Er lässt den Faust sich entgrenzen, nach den Sternen greifen..lässt den Faust an sein eigenes interlektuelles Ende geraten ("Und sehe, das wir nichts wissen können...") und daran verzweifeln ("..das will mir schier das Herz verbrennen...") Dieser Gottesentwurf zeigt die Bestimmung des Menschen als Ebenebildlichkeit des Schöpfers. Der Mephisto hat hier auch keineswegs die Aufgabe den Faust fies zu piesacken - im Gegenteil, das liest sich doch recht errektiv: in Teufelsküche kommen, Verjüngungskur, als Jüngling dreimal geliftet auf die Weibchen gelassen...... Klingt irgendwie nicht ...Strafe....Leid...Verlust von....In Warheit ist Mephisto Diener der Liebe - eines liebevollen Umgangs des Schöpfers mit seinem Geschöpf: Er lässt ihn ins Scheitern führen und damit aber auch zur Erkenntis: Das Dunkel, mephistolische Verfügungsprogramm hat am Ende nichts zu bieten ausser Trostlosigkeit und Langeweile......wie so manche Verrohungskost aus Literatur, Kino und Vera am Mittag.....Naja...vielleicht hat dann das Buch HIOB dann doch etwas mit Faust und unserem Alltag zu tun....

  • Zitat

    Original von Seestern
    tomki,


    ich habe auch nicht behauptet, dass Mephisto unmotiviert ist oder handelt. Mir schien beim ersten Lesen, wohlgemerkt ohne die nachfolgenden Entwicklungen zu berücksichtigen, einfach der Stein des Anstoßes dafür zu fehlen, dass Mephisto derart verächtlich von den Menschen spricht.


    ok - Der Anstoss von Mephisto ist schlicht: Langeweile. Er brauch mal wieder frisches Blut, etwas das ihn reizt als Mephisto....bei o815 Sündern vergeht dem alten Klumppfuß halt die Lust - da kommt der Faust ihm gerade recht: Herr Ballack mag ja auch nicht in der Kreisliga Tore rein kloppen: wo ist da der Spass ?

  • Zitat

    Original von tomki


    Naja, wenn Du selber schon auf die Unterschiede eingegangen bist, kann ja klar sein, dass hier Äpfel und Birnen zusammen kommen. Das Buch HIOB entstammt der alten judäischen Erzähltradition, in Gleichniserzählungen die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk, was dieser erwartet, was man zu geben hat usw. darlegt.
    Schön ist hier der Bezug auf das Buch HIOB aber dann trotzdem, weil es genau den fundamentalen Unterschied aufzeigt, den Goethe verfolgt - in Unterscheidung zu anderen Gott-Mensch-Entwürfen:


    Ich habe das unterschiedliche Menschen- bzw. Gottesbild, in Deiner Begrifflichkeit den unterschiedlichen Gott-Mensch-Entwurf durchaus erwähnt, wenngleich nicht mit Deiner Ausführlichkeit und Eloquenz ...
    Deine Postings scheinen mir potenziell sehr bereichernd für diese Leserunde zu sein, allerdings wirken sie auf mich auch ein bisschen belehrend, ein wenig von oben herab ...
    Es ist immer ein Problem, wenn man es im Internet mit Menschen zu tun hat, die man nicht kennt, deren Äußerungen man nicht einschätzen kann, es mag also durchaus sein, dass ich Dir Unrecht tue. Jedenfalls würde es mich freuen, wenn man hier bald ein bisschen was zu Deiner Person erfahren könnte. Es würde mir helfen, die Dinge besser einzuschätzen :-)


    Edit: Falsches Quote

    Man muss ins Gelingen verliebt sein,
    nicht ins Scheitern.
    Ernst Bloch

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  • Es geht Goethe vielleicht nicht, wie uns heute, um die Darstellung eines wie Du sagst "stabilen Charakters". Im Gegenteil: Faust ist vollkommen instabil. Er entgrenzt sich, weitet sich, dehnt sich aus - Erdgeist-Szene- um dann, in gleicher Szene eins so richtig drauf zu bekommen "Du gleichst dem Geist den Du begreifst": Verngung, zusammenziehen: wie gesagt: Das Ganze Thema heisst: Systole-Diastole = Ausdehung - Zusammenziehen.


    Darin liegt der Kern. Ob Faust sympathisch ist nicht, spielt ja keine Rolle. Beim Ostersparziergang schmieren ihm ja die schlcihten Dorfbewohner seine Arroganz schön auf`s Brötchen.


    Es ist gerade diese Instabilität die ihre ganz eigene Qualität hat. Für uns heute ist ein gefestigter, gradliniger, starker Charakter positiv besetzt. Für Goethe sind - siehe Vorspiel auf dem Theaterboden:"Ihr naht Euch wieder, ihr schwankenden Gestalten..." das unentdeckte, unerreichte, ja das unerhöhrte..also das ewig sich im gebähren befindliche, was Spannung verursacht.


    Unser Denken, unsere Sprache neigt zu Verfestigungen. Nietsche hat darüber nachgedacht und aufgeschrieben ( vgl. Nietsche Verführen des Denkens durch die Grammatik ) Goethe gibt Faust gerne jenen "Gesellen zu"..weil der Mensch sich gerne "die unbedingte Ruh" so gerne zueignet. Wir denken und grammatikieren uns Sprache und Seinsformen gerne als stabile Systeme, wie die Waschmittelwerbung: "Da weiss man was man hat" So bilden wir in uns ein, ein stabieler Charakter sei ein guter Lümmel - Goethe hat keine Reisleine, kein Netz, keinen doppelten Boden: Existenz kann auch Werther oder Unwerther sein: Es sollte immer aber nach etwas streben. Da ist eine Verfestigung, eine einmal erreichte Stabilität, und damit einhergehend: gepflegte Ordnung, mehr als hinderlich für das, was nach Goethes Auffassung bedeutend ist: Wachstum. Und sei es, dass dieses auf Teufel komm raus ermöglicht werden muss. "Die Uhr mag stehen, der Zeiger fallen, dann sei die Zeit für mich vorbei..." - Mit Stabilität, auch im Charakter, kann Goethe nichts anfangen, sein Faust auch nicht...und Herrn Mephisto wollen wir lieber gar nicht erst fragen....

  • Zitat

    Original von Seestern


    Ich habe das unterschiedliche Menschen- bzw. Gottesbild, in Deiner Begrifflichkeit den unterschiedlichen Gott-Mensch-Entwurf durchaus erwähnt, wenngleich nicht mit Deiner Ausführlichkeit und Eloquenz ...
    Deine Postings scheinen mir potenziell sehr bereichernd für diese Leserunde zu sein, allerdings wirken sie auf mich auch ein bisschen belehrend, ein wenig von oben herab ...
    Es ist immer ein Problem, wenn man es im Internet mit Menschen zu tun hat, die man nicht kennt, deren Äußerungen man nicht einschätzen kann, es mag also durchaus sein, dass ich Dir Unrecht tue. Jedenfalls würde es mich freuen, wenn man hier bald ein bisschen was zu Deiner Person erfahren könnte. Es würde mir helfen, die Dinge besser einzuschätzen :-)


    Edit: Falsches Quote


    Denke es geht doch nicht um Bewertungen hier oder doch: also falsches, richtiges Quote. Es soll doch etwas Spass auch dabei sein. Der alte Goethe war ja kein Kostverächter. Von oben her, da kommt ja nur der Herr her, und ich will hier nicht so jemanden erscheinen - Absicht ist es nicht, jedenfalls.

  • Zitat

    Original von tomki


    Denke es geht doch nicht um Bewertungen hier oder doch: also falsches, richtiges Quote. Es soll doch etwas Spass auch dabei sein. Der alte Goethe war ja kein Kostverächter. Von oben her, da kommt ja nur der Herr her, und ich will hier nicht so jemanden erscheinen - Absicht ist es nicht, jedenfalls.


    Ganz genau, es soll auch Spaß dabei sein. Mir geht es um die Freude an der Beschäftigung mit einem Text. Und wenn ich das Gefühl habe, dass da jemand meine Aussagen zitiert, zerpflückt und ein wenig von oben herab richtigstellt, nimmt mir das ein bisschen den Spaß und die Freude, weswegen ich dieses Problem dann anspreche. Wenn sich dann herausstellt, dass dies nicht in böser Absicht geschieht, mein Eindruck also täuscht, löst sich ja in diesem Fall alles in Wohlgefallen auf und ich kann weiterhin unbeschwert meine Eindrücke mitteilen :-)

  • Ich fange einfach mal mit Kommentaren zu Posts an.


    Zitat

    Original von Seestern
    (...) (anfangs musste ich einzelne Verse mehrfach lesen, um deren Sinn zu begreifen). (...)


    Nicht nur anfangs. :rolleyes Das ist einer der Gründe, weshalb ich normalerweise NIE Texte in Versform lese: mags noch so rhythmisch und / oder gereimt sein. Mein Kopf erfaßt einfach nur Prosatexte, alles andere nur mit ewig großer Mühe.



    Zitat

    Original von Seestern
    Wie schon die Zueignung finde ich das Vorspiel auf dem Theater nicht sooo wichtig


    :write Ich empfand beides als eine Art „Prolog“, auf den man ohne weiteres hätte verzichten können. Quasi um das Theaterstück als Theaterstück zu kennzeichnen.



    Immer wieder begegnen mir Wendungen, von denen mir - ich gebe es zu - nicht bewußt war, daß sie aus dem „Faust“ sind. „Des Pudels Kern“ - das ist mir schon ein Begriff. Nicht jedoch beispielsweise „Der Worte sind genug gewechselt / Laßt mich auch endlich Taten sehen!“


    Der Herr Doktor Faust hinterläßt bei mir einen sehr zwiespältigen Eindruck. Vor allem einen, hm, größenwahnsinnigen. (Bei mir Seite 162). Nacht, Faust wieder allein: Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon / Ganz nah gedünkt dem Spiegel ewger Wahrheit, / Sein selbst genoß in Himmelsglanz und Klarheit, / Und abgestreift den Erdensohn, / Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft / Schon durch die Adern der Natur zu fließen / (...)
    Das, in Verbindung mit einigen anderen Stellen, klingt für mich so, als ob sich Faust selbst auf die Höhe der Götter bzw. Gottes erhebt. Das kann nur schief gehen.



    (Bei mir) Seite 167, noch Nacht, nach dem Chor der Weiber:
    Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;
    ist eine der Stellen, die mir sehr modern und zutreffend für die heutige Zeit vorkommt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von tomki
    Das Unzulängliche des Menschen ist ja gerade die eigentliche mephistolische Spielwiese...nur ödet Herrn Mephisto jener Durchschnittsmensch an, der kriechend in den eigenen Eingeweiden keine Hertausforderung bietet, jemanden der doch ein hübsches Arsenal an Verführungskünsten drauf hat - und...wen erinnert es nicht an "Im Auftrag des Teufels": "Eitelkeit ist meine Lieblingssünde..."


    Jep, genau daran musste ich auch denken. Und Mephisto denk, er spielt auf gleicher Augenhöhe, dabei ist er nur Mittel zum Zweck.


    Zitat

    Original von tomki
    Das ist ja ein zentrales Problem der gymnasialen Verbildung: Da wird Stoff, falls überhaupt noch, durchgekleckert, ohne den Geschmack daran zu vermitteln.


    Bedauerlicherweise. Dabei ist das Thema in Faust zu jeder Zeit aktuell, und könnte im Unterricht mit ein bisschen Engagement lebhaft besprochen werden.


    Zitat

    Original von tomki
    Der Einstieg ist doch eigentlich ganz leicht: Himmel und Hölle, Gut gegen Böse - aber ach: Da hat doch der Herr Goethe schon vor einigen Jährchen mehr drauf gehabt als aktuelle Vampirbeißerchenromanzen im Zwielicht...


    Na na na :hau Nichts gegen Vampirbeißerchenromanzen ,o)
    Aber es stimmt schon, wer heute echte Tiefe in der Belletristik sucht, der sucht und sucht und sucht ... oft genug vergebens. Leider.



    Zitat

    Original von tomki
    ... Faust ist nicht die Geschichte Gut gegen Böse, sondern Systole und Diastole. Faust will sich ausdehnen, über sich hinaus. Ihm ist klar: Das hier ist nicht Alles. Er will sich ausdehnen ins Universelle, will TEILHABE am tatsächlich GROßEN und GANZEN. Nur und nur deshalb KENNT ihn sein HERR. Nur und nur deshalb nennt er Faust, nicht etwa seinen Blödmann, sondern: "mein Knecht". Mephisto ist die Verengung...


    Faust will über sich selbst hinauswachsen während Mephisto ihn immer wieder auf den Boden zurückholt ("Staub soll er fressen..."). Und Gott ist das Spielfeld, die Arena in der dieser "Kampf" oder besser das Armdrücken stattfindet.



    Zitat

    Original von tomki
    ... Sagt der Herr "Mein Knecht", so versteht Mephisto nur Bahnhof: "Fürwahr, der dient euch auf besondere Weise, nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise...." Aber gerade da liegt ja der Mephisto im Pfeffer: gerade weil nicht irdisch, sondern überirdisch Faust expandieren will, ist er Gottes Mann, sein Knecht.


    Ich bin nicht sicher ob ich das verstehe. Gottes Mann (überirdisch), weil er wachsen will?



    Zitat

    Original von tomki
    ... Ihm ging es um Substantielles: Der Mensch, der über sich hinaus, die eigene Menschhülle, die eigene Menschidee will, seinem eigenen metaphysichen Dasein verpflichtet sich fühlt, als Erdling sich ausdehnen versucht, wird vom Teufel selbst in die Verengung und damit in die geistige Ödnis versucht immer wieder zurück zu werfen. Der Kampf ist nicht blöd gegen dumm, oder gut gegen böse, sondern Ausdehnung gegen Verengung.


    Läuft das letztendlich nicht auf das Gleiche hinaus?
    Gut gegen Böse
    Liebe gegen Hass
    Hell gegen Dunkel
    Weite gegen Enge
    Toleranz gegen Ignoranz
    Ausdehnung gegen Verengung
    (...)