Vor dem Tor
Dieser Abschnitt beginnt mit dem, wie ich vermute, wohl bekanntesten Teil des Dramas oder von Goethe überhaupt. Der Osterspaziergang. Das ist ja auch großartig. Diese Befreiung, als endlich der Winter vorüber ist, kann man auch heute noch gut nachempfinden. Umso stärker muss das Gefühl damals in Zeiten ohne elektrisches Licht und Zentralheizung gewesen sein. Ein Panzer aus Eis, dumpfen Gemächern, Dunkelheit, Enge bricht auf. Farben blinken, die Sonne scheint, die Menschen vergnügen sich. Das ist auch eine Art Auferstehung.
Im Dialog zwischen Faust und Wagner wird der Unterschied in ihrem Denken und Selbstverständnis, der bereits vorher angeklungen ist, weiter verdeutlicht.
Wagner wirkt arrogant, will mit Natur und normalen Leuten nichts zu tun haben. Ihm sind Bücher wichtiger. Faust hingegen nimmt die Ehrungen der Menschen bescheiden entgegen. Er meint, er hätte sie nicht verdient.
Hier spricht Faust auch aus, was Mephistopheles bereits im Prolog ähnlich ausgedrückt hat, nämlich: zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust. Irdisches und überirdisches Streben.
Mich irritiert, dass Wagner gegen Ende der Szene "du" zu Faust sagt. Sicher sagt man oft "du" anstatt "man". Aber in Z. 1145 passt das nicht.