"Die Schönheit jener fernen Stadt" - Ronald Wright

  • Originaltitel: "A scientific romance"


    Zum Buch


    Ein langer Liebesbrief, ein abenteuerlicher Trip ins Jahr 2500 und eine satirische Robinsonade - das alles ist diese romantische Zeitreise.


    Man schreibt das Jahr 1999. David Lambert, verlassener Liebhaber und widerwilliger Museumsdirektor, erhält einen Brief mit einer sensationellen Ankündigung: Die berühmte Zeitmaschine von H. G. Wells wird in der Neujahrsnacht nach London zurückkehren!


    Getrieben von einer unstillbaren Neugier, folgt er der Einladung, findet tatsächlich die völlig intakte Zeitkapsel und begibt sich (in der Hoffnung, seine Geliebte auf diese Weise zurückzugewinnen) auf eine Reise ins Jahr 2500.


    Doch das London der Zukunft ist zu einem tropischen Dschungel geworden, Pumas und Tukane hausen in der verfallenen, menschenleeren Stadt, in der Themse tummeln sich Haie und Piranhas. Während David seinen Fuß in ein üppiges, aber auch bedrohliches Neu-England setzt und Schritt für Schritt eine wahrhaft erstaunliche Zukunft erforscht, erfährt der Leser eine bittersüße Liebesgeschichte, in deren Mittelpunkt David, sein Freund Bird, Altphilologe und Jazzmusiker aus dem East End, und die schöne, exzentrische Ägyptologin Anita stehen, die von beiden Männern verzweifelt geliebt wurde und im Alter von 32 Jahren einen unerklärlichen Tod starb.


    Über den Autor


    Ronald Wright wurde in England geboren, studierte in Cambridge und lebt heute in Port Hope, Ontario. Seine Geschichte Amerikas aus der Sicht derer, die von Columbus entdeckt wurden, und seine Reiseberichte haben breite Anerkennung gefunden, Für Die Schönheit jener fernen Stadt erhielt Wright zahlreiche renommierte Auszeichnungen, darunter The David Higham Fiction Price, Sunday Times (UK) Book of the Year, New York Times Book Review Notable Book of the Year, Globe and Mail Editor's Choice.


    Meine Meinung


    Ich hatte das Buch aus einer ME-Kiste gefischt, weil mich das Cover an das Buch von Alan Weisman Die Welt ohne uns: Reise über eine unbevölkerte Erde erinnert hatte.


    Der Titel ist etwas irreführend, da die Handlung zum größten Teil nicht in London stattfindet. Die englischsprachige Ausgabe heisst "A scientific romance" und das spielt, soweit ich weiss, darauf an, dass H.G. Wells seinen Roman "Die Zeitmaschine" als "scientific romance" bezeichnet hat. Und David steigt auch nicht in die Zeitmaschine, um seine Freundin wiederzugewinnen, sondern, weil er an einer tödlichen Krankheit (ich behalte aus spoilertechnischen Gründen mal für mich, an welcher) leidet, und hofft in der Zukunft ein Heilmittel zu finden, Ok, um dann in die Vergangenheit zu reisen und die Freundin zu retten, die ja in der Gegenwart bereits an derselben Krankheit verstorben ist.


    Man erfährt nun einmal in sehr vagen Puzzlestückchen, was auf der Erde passiert ist, und zum anderen erfährt man von der Dreiecksbeziehung zwischen David, "Bird" und Anita. Das Buch hat vier Teile, von denen der erste Teil ein langer Brief Davids an "Bird" ist und die restlichen drei Teile in Tagebuchform geschrieben sind, wobei sich das Tagebuch an Anita richtet.


    Ich fand es sehr spannend und habe es auch in einem Rutsch (an zwei Tagen) durchgelesen, allerdings hatte ich eine systematischere Suche nach den Puzzleteilchen erwartet, dafür dass David Archäologe ist. Insgesamt ist David eher ein Antiheld, erinnert an Thomas Covenant, das gefällt mir wiederum ganz gut. Auf die Dreiecksgeschichte hätte ich auch verzichten können, aber so als Gedankenexperiment gefiel mir das Buch gut.


    4 von 5 Amazon-Sternen
    .

  • Danke für die super Rezi.


    Ich hatte das Buch schon einmal in der Hand und war mir nicht sicher, ob es etwas für mich ist, aber jetzt wandert es gleich auf meine WL.

  • Interassant - das ist das erste Wort, das mir zu diesem Buch einfällt.


    Nachdem es auf meiner WL stand und ich zufällig in der Bücherhandlung daran vorbeigelaufen bin, konnte ich nicht wiederstehe und habe es gleich gelesen.


    Nun kann ich sagen, dass ich etwas anderes erwartet hatte, aber jetzt trotzdem nicht enttäuscht bin.
    Anfangs fiel es mir schwer mich zurechtzufinden und vor allem mich in den Protagonisten hineinzuversetzen. Doch mit der Zeit wurde mir die Umgebung vertraut und ich lernte David Lambert besser kennen.
    Ich stimme Delphin zu - es fehlt eine "systematische Suche" nach den Gründen für die Veränderung der Welt. So kam bei nicht so richtig die Neugier auf eine Lösung auf. Und als sie denn gefunden war, schien es mir fast ein bisschen beiläufig.
    Jedoch konnte mich die Persönlichkeit Davids fesseln. Ich fand es ausgesprochen interessant zu sehen, wie er in einer völlig anderen Welt zurecht kommt. Schuld daran ist wohl auch die Aufteilung des Buches in vier Teile, was mir sehr gut gefiel.


    Ein sehr empfehlenswerter Zeitreiseroman, der nur ab und an seine Längen hat, jedoch absolut fesselnd ist, wenn man sich darauf einlässt.

  • Zitat

    Original von Delphin
    Ja, aber auf Englisch ist es lieferbar. :-)


    da hat sie mir im gschäft gesagt, sie findet es nicht auf der zuliefererliste, und amazon.de verschickt nichts ohne kreditkarte ins feindliche ausland :cry

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Zitat

    Original von MagnaMater


    da hat sie mir im gschäft gesagt, sie findet es nicht auf der zuliefererliste, und amazon.de verschickt nichts ohne kreditkarte ins feindliche ausland :cry


    Ach so, wie blöd. In Deutschland akzeptieren sie auch Zahlung per Lastschrift.


    Bei thalia.at ist es lieferbar: klick

  • Oh, da hatte ich vor kurzen ja echt Glück: Ein Exemplar der deutschen Ausgabe ist mir vor kurzen in einer Wühlkiste untergekommen und ist direkt ins Regal eingezogen. :-] Delphins Rezi liest sich ja zu gut. :grin

  • Warum hab ich zu dem Buch nichts geschrieben, als ich es gelesen habe?
    Wahrscheinlich, weil es keinen großen Eindruck auf mich gemacht hat und an mir vorbeigerauscht ist. In der Tat musste ich eben beim Lesen der Rezi schwer überlegen, welche Krankheit denn da vorkommt und was überhaupt passiert ist. Hab ich alles schon wieder vergessen.


    Ich weiss aber noch, das ich es unbefriedigend fand, das tatsächlich nicht so richtig geklärt wird, was denn in der Zukunft passiert ist, das auf einmal überall menschenleerer tropischer Dschungel herrscht. Oder hab ich das auch nur vergessen?


    Wie gesagt, hat das Buch bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

  • Das wird erklärt, aber nur mal kurz nebenbei, das hatte mich auch gestört. Nach dem Klappentext hatte ich die Erwartung, dass die Hauptfigur systematisch sucht und sich langsam ein Bild ergibt, was genau passiert ist, aber es war eher ein unsystematisches Herumgeschaue.

  • Aufmerksam wurde ich auf das Buch im Zeitreise-Thread.


    Science-Fiction, Zeitreise oder tragische Dreiecks-Geschichte? Dieser Roman ist von allem etwas. David leidet seit Jahren darunter, daß ihn seine große Liebe Anita verlassen hat, wegen ihr überwarf er sich sogar mit seinem Freund Bird. Erst an Anitas Grab sehen die beiden sich wieder. Als David die Zeitmaschine findet, ist seine geheime Hoffnung: in die Zukunft reisen, in der der technische Fortschritt nichts an Rasanz eingebüßt hat und sogar Zeitreisen völlig normal sind - ein Heilmittel für Anita finden - zu ihr zurückkehren und glücklich leben bis ans Ende aller Tage. Und wenn sie nicht gestorben sind…
    So einfach ist es jedoch nicht. Im Jahre 2500 ist Süd-England durch einen Klimawandel zum Dschungel geworden, die Städte wurden lange aufgegeben. London ist besonders beeindruckend, denn der Dschungel hat die ganze Stadt erorbert. Das Cover der deutschen Ausgabe gefällt mir hier sehr gut.
    Auch mit dem technischen Fortschritt ist es so eine Sache und als David andere Menschen trifft, sind diese nicht unbedingt wohlgesinnt. Gut umgesetzt wurde hier, daß sich die Sprache verändert hat, auch wir sprechen schließlich anders als die Menschen vor 500 Jahren. Insgesamt war die Schilderung von Davids Reise durchaus interessant, die Veränderungen werden sehr schön beschrieben; vor allem, wenn David alte Dokumente findet und sich ihm erst nach und nach erschließt, was geschehen sein muß. Genau hier mangelt es aber an der Umsetzung, denn für einen Archäologen ist David sonderbar teilnahmslos und so gar nicht neugierig. Überhaupt fand ich alle drei Charaktere unsympathisch: David, Bird und Anita. Wahrscheinlich nimmt mir deshalb ihre Geschichte viel zu viel Raum ein. Besonders das Ende aber hat mir gar nicht gefallen. Ich muß nicht immer ein Ende haben, in dem alle Handlungsfäden aufgelöst und alle Details haarklein erläutert werden. Dieses Ende aber war mir entschieden zu offen, viel zu viele Punkte blieben ungeklärt.
    Noch ein Wort zum Stil: David schreibt am Anfang einen Brief an Bird, in dem er erklärt, wie er die Zeitmaschine gefunden hat. Nach seiner Abreise schreibt er Tagebuch und auf diese Weise nimmt der Leser an seinem Schicksal anteil. Diese Schreibweise ist gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht und so ließe sich der Roman auch schon fast der Kategorie "Briefroman" zuordnen.

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Nach der kurzen Leserunde (es war sehr nett mit dir, Rosha :grin), bin ich überrascht über die durchschnittlichen 6 Punkte, die hier von 2 Stimmen vergeben wurden.


    Zwar handelt es sich nicht vorzüglich um einen absoluten Page-Turner, denn die Abenteuer-Geschichte steht nicht im Vordergrund, sie wechselt sich vielmehr mit kurzen Passagen aus der Vergangenheit ab.
    Dies lässt aber einen schönen Lesefluss zu und die Ideen, die der Autor zur Zukunft hatte, waren schon ganz gut, wenn auch ein Stück mehr Fantasie in Hinsicht auf die Technik wünschenswert gewesen wäre (=Punktabzug).
    Das Buch lebt von vielen Beschreibungen, vor allem im Zukunftsteil wird natürlich viel von der Umgebung, den Veränderungen, Flora, Fauna geschrieben. Das ist sicher nicht jedermanns Sache.




    FAZIT: Für "geübte" Belletristik-Leser ist das Buch sicher eine gute Schmöker-Gelegenheit. Wer aber eine atemlose, action-geladene Abenteuergeschichte erwartet, wird wahrscheinlich eher enttäuscht sein.


    Von mir gibt es 8 Punkte.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Die Leserunde entpuppte sich als Dialog (ich fand's auch sehr nett mit dir, killerbinchen :grin), was ich schade finde, denn das Buch hat durchaus Potential für ergiebige Gespräche.


    Der Roman firmiert unter dem Begriff Science-Fiction, liest sich in der sprachlichen Gestaltung jedoch eher wie ein Klassiker. Ruhig, behäbig und zum Teil schwadronierend wird der Erzählfluss von zahlreichen Rückblicken mitbestimmt. Der Autor lässt seinen Ich-Erzähler David Briefe schreiben. Im ersten Abschnitt ist der Adressat Bird, sein alter Freund und im Rest des Romans richten sich seine schriftlichen Bemühungen an Anita, die Frau, die er und Bird gleichermaßen geliebt haben. Obwohl der Roman auf der Buchrückseite als langer Liebesbrief und romantische Zeitreise angepriesen wird, hat sich emotional in dieser Hinsicht bei mir nichts geregt.


    Das Buch ist aufgeteilt in vier Abschnitte:


    I) Ein Brief aus der Vergangenheit
    II) Nach London
    III) Das schottische Stück
    IV) Tithonus


    Abschnitt I liest sich wie eine lange Einleitung. Im Grunde erfahren wir nur, was man bereits dem Klappentext entnehmen kann.


    Im Abschnitt II tritt David nun endlich seine Zeitreise nach London 500 Jahre in die Zukunft an. Die Landschafts- und Umgebungsbeschreibungen sind sehr anschaulich und erinnerten mich sehr an Alan Weismans "Die Welt ohne uns", das thematisch jedoch natürlich noch informativer ist. Auch hier flicht der Autor das aktuelle Geschehen mit Berichten aus der Vergangenheit, die um die drei Personen David, Bird und Anita kreisen.


    Wie die Überschrift schon sagt, begibt sich David in Abschnitt III auf die Reise nach Schottland. Dieses Teilstück hat sich sehr flott lesen lassen, da hier weitgehend auf Rückblenden verzichtet wird. Zum Inhalt lässt sich nicht viel sagen, denn sonst würde ich hier zu viel verraten.


    Abschnitt IV: Die Überschrift ist mir ein Rätsel. Tithonus ist eine Figur aus der griechischen Mythologie. Ein Mann, der zwar Unsterblichkeit erlangt, aber dennoch altert und irgendwann so zusammenschrumpft, dass er zur Zikade wird. Ist das ein Hinweis auf Davids Schicksal? Aus dem Text hat sich der Bezug leider nicht ergeben. Insgesamt hat mich dieser letzte Abschnitt enttäuscht. Zu vieles bleibt ungeklärt, meines Erachtens hat sich der Autor durch das Liegenlassen loser Fäden aus der Verantwortung geschlichen. Für mich war das Ende kein Ansporn zum eigenen Reflektieren, sondern es hinterlässt ein Gefühl des Unbefriedigtseins.


    Das Buch hatte seine spannenden, tragischen, interessanten, durchaus auch gefühlvollen und sogar lustigen Momente, doch insgesamt bewerte ich es nur mit 7 Eulenpunkten. Für einen Science-Fiction-Roman blieb mir zu viel nur angedeutet, der technische Aspekt zu unausgegoren und für eine Gesellschaftskritik war das Buch nicht originell genug.


    Hier noch eine Textstelle, die mich sehr angesprochen hat:


    S. 374
    Diese Gefühle nach dem Ereignis: Warum ist das Echo immer stärker als das Geräusch? Warum löst die Erinnerung soviel Schmerz aus? Die Leute kommen und gehen, und du merkst kaum, was sie denken und fühlen, du merkst kaum, was du selbst fühlst und denkst. Aber dann, eines Tages, wenn du am wenigsten damit rechnest, stößt die Erinnerung dir eine Klinge ins Herz: Was man zusammen getan hat, und was man nicht zusammen getan hat; und plötzlich stürzt du in einen Abgrund, und nur deine Trauer ist bei dir.


    edit: Textstelle eingefügt

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. Franz Kafka

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