• Laut Aussage der Regisseurin Kimberly Peirce wollte sie eine Art Kriegsfilm der jetzigen Generation drehen, wenn man davon ausgeht, daß Irak langsam zu dem wird, was Vietnam für die 60er/70er war.
    Das scheint ihr IMO auch gelungen zu sein.


    "Stop-Loss" bezieht sich auf das Kleingedruckte in den Dienstverträgen von Freiwilligen in der US Army, daß ihre Dienstzeit in Kriegszeiten einseitig verlängert werden kann. Laut Info in diesem Film sind dem aktuell unzählige US-Soldaten zum Opfer gefallen. Dieser Film erzählt die Geschichte von einem davon.


    Sergeant Brandon King (Ryan Phillippe) kehrt nach einem Kriegseinsatz im aktuellen Irakkrieg nach Hause zurück und hat erleichtert das Ende seiner Dienstzeit vor Augen. Als er zu seinem Entsetzen "ge-stop-lossed" wird, beschließt er dagegen anzukämpfen und desertiert. Er will nach Washington zu einem Senator, der ihm einst versprochen hat, ihm zu helfen. Bei ihm ist Michelle (Abbie Cornish), die Verlobte seines besten Freundes und Kameraden Steve (Channing Tatum). Steve hat jedoch keinerlei Verständnis für die Entscheidung seines Freundes und setzt mit dieser Einstellung nicht nur ihre Freundschaft, sondern auch seine Beziehung aufs Spiel.
    Unterwegs muß King erfahren, daß es keinen legalen Weg gibt, dem "Stop-Loss" zu entgehen. Er muß sich entscheiden, nachzugeben, ins Gefängnis zu gehen oder die USA für immer Richtung Kanada oder Mexiko zu verlassen.


    Der Film ist nicht frei von Schwächen und wie in einer Besprechung stand, versteht man absolut nicht, was zB Ciaran Hinds in diesem Film zu suchen hatte, der Kings Vater spielt und ca. 3 Sätze sagt. Auch ist sehr vorhersehbar, was zB mit Kings Kameraden Tommy passieren wird. Aber nicht immer. Das Ende des Filmes zB habe ich so nicht vorhergesehen. Auch kommt es recht überraschend, daß es nicht zwischen King und Michelle funkt. Erstaunlich.


    Zum Thema Antikriegsfilm der jetzigen Generation. Das hat Peirce auch recht geschickt gemacht, da sie als Vorlage für ihren Film Privatvideos genommen hat, die Soldaten drehen und auf einschlägigen Plattformen einstellen.


    Der Film hat mich schon beeindruckt, vor allem weil ich recht knausrig bin mit dem Prädikat Antikriegsfilm. Hier lasse ich es gern zu. Das sieht man besonders deutlich am Ende, als eine Gruppe von Soldaten Richtung Irak aufbricht und, da jemand dabei ist, den wir kennengelernt haben, fragt man sich, was wohl aus ihnen geworden ist. Nun ja. Der Film ist 2008 erschienen, daher sind "sie" wohl noch dort. Eine relativ erschreckende Aktualität, denn hier kann man sich nicht mit dem Gefühl beruhigen, daß ja alles längst vorbei ist.
    Sehr gut gezeigt wird auch, wie kaputt die jungen Männer sind.
    "What are we doing to our boys?" fragt die Regisseurin nicht nur einmal im "Making off". And girls, möchte man dazufügen.


    Die Schauspieler liefern durchwegs gute Leistungen ab. Vor allem Ryan Phillippe, den ich eigentlich nicht sonderlich mochte, beginnt langsam, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
    Abbie Cornish hat ein sehr frisches, interessantes Gesicht und spielt die besorgte Freundin und frustrierte Verlobte sehr gut.
    Channing Tatum, der beste Freund der Hauptperson, hat ebenfalls eine dankbare Rolle, als Gegenpol zu ihm, die er gut ausfüllt.
    Bei Joseph Gordon-Levitt, Tommy, dem dem Alkohol verfallenen Freund und Kameraden der beiden, habe ich mir das Hirn zermartert, woher ich ihn kenne. Auch als Tommy, aber in einer ganz anderen Geschichte, "Hinterm Mond gleich links". Was für ein Kontrast. Hier war seine Rolle eine sehr tragische, die von ihm auch gut dargestellt wurde.


    Vielleicht nicht der beste Film zum Thema, aber ein guter Film.

  • STOP-LOSS habe ich vor einigen Wochen auf DVD gesehen und kann mich Grisels Meinung anschließen, ein guter, aber nicht herausragender Film. Als ich gelesen habe, dass der Film von MTV produziert wurde, war ich zunächst etwas skeptisch, aber das Thema hat mich interessiert - und ja, Channing Tatum finde ich recht sexy, das allein war schon ein Anreiz den Film anzusehen. :grin Ryan Philippe mag ich eigentlich nicht so, aber er war überzeugend in seiner Rolle, ebenso Abbie Cornish. Als großen Pluspunkt habe ich es empfunden, dass es kein "Happy-End" gibt, das wäre anhand der Wirklichkeit unrealistisch. Die zentrale Aussage des Films ist ja, die Aufmerksamkeit auf die Politik des Stop-Loss zu lenken, ich hatte bisher noch nichts davon gehört.


    Der Irak-Krieg ist noch nicht zuende und in den USA inzwischen extrem unpopulär, die wenigen Filme zum Thema waren kein großer Erfolg an der Kinokasse. Die filmische Aufarbeitung im Kino von der Klasse eines APOCALYPSE NOW wird wahrscheinlich - wie nach dem Vietnamkrieg - noch einige Jahre auf sich warten lassen.


    Nach dem Buch GENERATION KILL von Evan Wright, der 2003 als "embedded journalist" bei der Invasion in den Irak dabei war, hat David Simon eine siebenteilige Mini-Serie gedreht. David Simon ist der Macher von THE WIRE, als großer Fan von THE WIRE werde ich mir GENERATION KILL auf jeden Fall anschauen, die UK DVD wird im März 2009 veröffentlicht. Was ich bis jetzt dazu gelesen habe, klingt vielversprechend.


    [URL=http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,565666,00.html]Spiegel-Online[/URL]
    The dogs of war: can David Simon's Generation Kill save the Iraq War movie?



    Edit: Der Link per ASIN Nummer funktioniert zu Amazon.com leider nicht, daher wieder entfernt und Link in den Text gesetzt.

  • Danke für den Link. Ich werde mir den Artikel in aller Ruhe zu Gemüte. Ich glaube aber, daß es tatsächlich viel zu früh für eine wirkliche filmische oder sonstige Aufarbeitung dieses Krieges ist. Daher werden bisher wohl eher die einzelnen Punkte rausgepickt. Immerhin ist er ja noch in vollem Gang.
    Ich denke, es wird einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen, bis die nötige Distanz da ist. Wenn er denn mal endet.


    Ich gestehe es, auch ich meide zu aktuelle Konflikte meist, weil nicht einmal ich von meinem sicheren, unkriegerischen Österreich ohne Freunde und Verwandte in Todesgefahr diese Distanz aufbringen kann. *klopft auf holz*
    Ich glaube daher, daß es weniger Gleichgültigkeit der US Bevölkerung ist, sondern vielleicht etwas vergleichbares, noch viel stärker?


    Was den vorliegenden Film betrifft, ich habe das Ende so nicht kommen sehen.

  • Zitat

    Ich glaube daher, daß es weniger Gleichgültigkeit der US Bevölkerung ist, sondern vielleicht etwas vergleichbares, noch viel stärker?


    Ich meinte auch nicht Gleichgültigkeit der Bevölkerung, aber wahrscheinlich läuft psychologisch doch was ähnliches wie zur Zeit des Vietnamkriegs ab, nur nicht so extrem, dort war nicht nur der Krieg als verbrecherisch angesehen sondern auch die eigenen Soldaten. Jetzt wurde in der Wahrnehmung zwischen dem Krieg und seinen Verursachern, und "den Jungs da drüben" ja von Anfang an in der Verantwortung ein Unterschied gesehen.
    Aber die Bevölkerung ist den Krieg leid, die andauernden schlechten Nachrichten, die Lügen, die Anzahl der Toten, und inzwischen sind die eigenen Sorgen über die Wirtschaftskrise sicher wichtiger als ein Krieg, der "weit weg" ist und an den viele Billionen verschwendet wurden, die in Wirtschaft und Bildung besser investiert gewesen wären.


    Am Wochenende werde ich mit "Tree of Smoke" beginnen, und würde jetzt auch gerne "Sympathy for the Devil" und "Night Dogs" noch mal lesen.


    Zitat

    Was den vorliegenden Film betrifft, ich habe das Ende so nicht kommen sehen.


    Ich habe es nicht mit Sicherheit kommen sehen, aber auch nicht ausgeschlossen.


  • Zitat

    Original von Uta
    Aber die Bevölkerung ist den Krieg leid, die andauernden schlechten Nachrichten, die Lügen, die Anzahl der Toten, und inzwischen sind die eigenen Sorgen über die Wirtschaftskrise sicher wichtiger als ein Krieg, der "weit weg" ist und an den viele Billionen verschwendet wurden, die in Wirtschaft und Bildung besser investiert gewesen wären.


    So gesehen hast Du sicher recht. Dieser Krieg ist ja auch insofern ein komplett anderer, weil es den Draft nicht mehr gibt. Jetzt ist es wohl ein sozialer Draft.


    Zitat

    Am Wochenende werde ich mit "Tree of Smoke" beginnen, und würde jetzt auch gerne "Sympathy for the Devil" und "Night Dogs" noch mal lesen.


    Ich ringe auch schon seit einiger Zeit mir, weil ich vor allem "Sympathy" leidenschaftlich gern noch mal lesen möchte. Aber Rereads müssen erst mal warten. Könnte mir aber vorstellen, daß das heuer noch was wird.
    Und "Tree of smoke" reizt mich auch sehr, muß aber noch warten, weil ich so ein fettes und vermutlich inhaltlich schwieriges Buch nicht 2 Wochen vor meiner nächsten Darkoverleserunde beginnen will. Aber, teste mal vor, auch kein Fehler. :-]


    Zitat

    Ich habe es nicht mit Sicherheit kommen sehen, aber auch nicht ausgeschlossen.



    Ich fand die Szene am Grab sehr gelungen, die damit beginnt, daß sie sich schlagen, aber damit endet, daß keiner den anderen wirklich versteht.


    Ich habe mich bei Brandon auch gefragt, was der wichtigste Grund ist, warum er nicht zurückgehen will. Mir kam es so vor, als wäre es die Angst, noch einmal zu versagen, wie bei dem Hinterhalt am Anfang des Films.


    Ich finde die Kritik im inzwischen gelesenen Artikel ein bißchen zu harsch, als Lain. Fehler ist mir nur einer aufgefallen, als der verletzte Soldat King fortwährend mit "Sir" angesprochen hat. Aber die drei jungen Burschen sind IMO keine

    Zitat

    "pro-war, beer-swigging, handgun-toting, Toby Keith-singing super-patriots with flags tattooed on their arms."


    So kamen sie bei mir nicht rüber, alle drei nicht. Und das Tattoo, gerade weil sie es alle drei haben, kam mir eher wie so eine besoffene Idee vor, die jungen Landeiern kommen kann, wenn sie erst mal trunken vor falsch verstandenem Patriotismus sind.
    Und daß sie sich an ihrem ersten Tag daheim erst mal sinnlos betrinken, wer kann ihnen daraus einen Vorwurf machen?


    Muß mir den Film irgendwann noch mal in aller Ruhe ansehen. Aber gut, wir haben ja schon festgestellt, daß ich naturgemäß einen komplett anderen Zugang zum Thema habe.