Kartongeschichte - Helmut Krausser

  • Klappentext:


    Eri ist noch Jungfrau, obwohl (oder weil?) sie als Putzfrau im Pornokino arbeitet. Dass sie sich in Liz verliebt, die als lebende, silbern bemalte Statue in der Fußgängerzone arbeitet, ist ein großes Glück. Denn Liz kann Eri dabei helfen, den großen Karton im verschlossenen Zimmer ihres Penthouse zu entsorgen. Was in dem Karton ist? Nur die Leiche von Eris Vater.


    Über den Autor:


    Helmut Krausser, Jahrgang 1964, aufgewachsen in München, lebt derzeit in Berlin. Zuletzt erschien von ihm sein Roman Die kleinen Gärten des Maestro Puccini.
    (Quelle: btb)


    Meine Meinung:


    Es ist ein merkwürdiges, ein skurriles Grüppchen, mit dem Helmut Krausser seine Kartongeschichte bevölkert:
    Eri, die eigentlich Augusta heißt, in einem Pornokino putzt und mit ihrem toten Vater die Wohnung teilt.
    Liz, die an ihrer Doktorarbeit schreibt und sich ihr Geld als unbewegliche Silberstatue in der Fußgängerzohne verdient.
    Angelo, der Drogen nimmt und auf den Strich geht.
    Jonas, ein gutgebauter Schwarzer, Barmann des Pornokinos und Liebhaber von Angelo.
    Stan, der immer im Schatten seines toten Bruders stehen wird, Eri entjungfert hat und eigentlich nur Liz liebt.


    Und dann ist da der auktoriale Erzähler, der diese Figuren wie Marionetten auf die Bühne bringt, der an den Fäden zieht, der das literarische Zepter fest in der Hand hält und der den Leser in keiner Sekunde vergessen lässt, dass er als Erzähler derjenige ist, der darüber entscheidet, was für die Geschichte von Belang ist und welche Teile der Handlung unterschlagen werden können:


    "Die erotische Passage, die an dieser Stelle herausgekürzt wurde, war eigentlich nicht schlecht, ziemlich drastisch und dennoch - in Maßen - poetisch. Der Verlagsvolontär habe nach Abschluss des Lektorats die Seite aus dem Abfalleimer gefischt. Erzählt die Putzfrau. Kopien davon sollen im Internet kursieren. Wie auch immer."


    Sprachlich und stilistisch gesehen war die "Kartongeschichte" ein reiner Genuss. Krausser beherrscht die literarische Klaviatur souverän.
    Wortwitz, sprachliche Eleganz und Hintersinnigkeit der Formulierungen konnten mich durchaus für diese Erzählung erwärmen.
    Trotzdem hatte ich nach der Lektüre das Gefühl, soeben ein Stück verlassen zu haben, dessen Aufführung zwar virtuos inszeniert, dennoch aber undurchsichtig in seiner Aussage war ...
    Klartext: Die Art des Erzählens hat mich begeistert, ich habe aber überhaupt nicht verstanden, was mir erzählt werden sollte ...

  • Da ist er wieder, der Helmut Krausser, dem ich seit "Einsamkeit und Sex und Mitleid" erlegen bin. Es ist keine großartige Geschichte, die dort erzählt wird, und doch geht es um alles. Es handelt es sich um ein Stück Leben, vom Autor grandios in Szene gesetzt. Sparsam geht er um mit seinen Worten und trotzdem läuft in meinem Kopf ein kompletter Film ab. Ich mag diese komischen, schrägen Figuren, die schüchterne Ari, die leidenschaftslose, sinnliche Liz, den Stricher Angelo, den schwulen Jonas, den prolligen, einsamen Stan... wie sie sich begehren, lieben, verwirren und wieder verlassen.


    Niemals werde ich von dieser Art Geschichten genug bekommen können, die machen mich süchtig. Und dann noch so ein hübsches Cover. Man möchte direkt drauflos küssen und abwarten, was da kommt.


    Bin hingerissen. Herzlichen Dank. :-]

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)