OT: Viking
Kurzbeschreibung:
Leningrad im Januar 1942: Weil er während der nächtlichen Ausgangssperre die Leiche eines deutschen Soldaten nach Essbarem durchsucht hat, wird der 17-jährige Lew sofort verhaftet – auf Plündern steht die Todesstrafe. Nach endlosen Stunden in einer kargen Gefängniszelle wird er allerdings nicht aufs Schafott, sondern zusammen mit seinem Mithäftling Kolja vor den Geheimdienstchef der Stadt geführt. Der stellt die beiden vor eine schier unlösbare Aufgabe – im Tausch gegen ihr Leben sollen sie innerhalb von sechs Tagen im ausgehungerten Leningrad zwölf Eier für die Hochzeitstorte seiner Tochter auftreiben.
Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der den schüchternen, introvertierten Lew schicksalhaft an Kolja schweißt – einen schlitzohrigen, charmanten Frauenhelden und notorischen Lügner, der ihm ständig schmerzhaft bewusst macht, dass er selbst so gar nicht zum Abenteurer taugt. Als die beiden die Hoffnung, in Leningrad Eier zu finden, aufgeben müssen, fasst Kolja einen aberwitzigen Plan: Er will sich mit Lew zu einer Geflügelfarm jenseits der feindlichen Linien durchschlagen, in ein Dorf südlich von Leningrad. Ein selbstmörderisches Unterfangen, wären da nicht Koljas Kaltschnäuzigkeit, eine unerschrockene Partisanin namens Vika und Lews Schachtalent …
Über den Autor:
David Benioff, geboren 1970, debütierte 2002 mit dem Roman "25 Stunden" (Heyne), der von Spike Lee mit Edward Norton und Philip Seymour Hoffman in den Hauptrollen verfilmt wurde. Seither arbeitet er als Drehbuchautor, adaptierte "Drachenläufer" für das Kino und schrieb unter anderem das Drehbuch zu "Troja". Er lebt mit seiner Familie in New York.
Meine Rezension:
"Stadt der Diebe" ist ein ganz außergewöhnlicher Roman, der mich von Anfang an gefangen genommen hat. Hier erzählt der inzwischen in den USA lebende Großvater seinem Enkel vom Krieg, genauer gesagt von einigen Tagen im russischen Winter 1942, die sein Leben für immer verändern sollten... Es ist eine Gratwanderung, die der Erzähler Lew im unfreiwilligen Gespann mit dem Aufschneider Kolja auf sich nehmen muss. Und es geht um nichts weniger als ihr Leben. Unvorstellbare Zustände, geprägt von Hunger und bitterer Kälte, der drohenden Gefahr durch die Belagerung der Deutschen, der Einsamkeit im verlassenen Leningrad, sind schon schwierig genug zu bewältigen. Da müssen die beiden einen eigentlich unmöglichen Auftrag erfüllen, um ihr Leben zu retten. Auf ihrer absurden gemeinsamen Suche nach 12 Eiern für eine Hochzeitstorte lernen sich die beiden ungleichen Charaktere kennen und schätzen, die gemeinsame Mission und das geteilte Grauen, das sie auf ihrem Weg erleben, schweißt sie zusammen.
Benioff ist ein begnadeter Erzähler, seine Beschreibungen erschreckend authentisch, doch nie hoffnungslos und die Liebe zu seinen Figuren auf jeder Seite spürbar. Ihm gelingt es auf beeindruckende und warmherzige Weise, Tragisches mit Skurrilem zu verbinden und so das Bewusstsein für eine eher vernachlässigte Seite, nämlich die der kleinen Leute in Russland 1942, aus einem der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte zu schärfen. Ein großartiger, aufwühlender und spannender Roman, dem ich viele Leser wünsche und den ich deshalb ohne Einschränkungen weiterempfehle!
Glatte 10 Punkte von mir!