'Die Tochter des Buchdruckers' - Seiten 300 - Ende

  • Zitat

    Original von Büchersally
    Wenn nur am gesellschaftlichen Auftreten gefeilt wird, zeugt das ja auch nicht vom persönlichen Interesse.


    Zustimmung.


    Ich glaube ein Mann wie Robert Mahlich oder Matthias, Judiths verstorbener Mann, hätten Rieke sicher ganz anders behandelt und sofort zur Räson gebracht.
    Aber Rieke wollte ja unbedingt hoch hinaus und gesichert sein! Vielleicht ist ihr das am Schluß sogar zu Kopf gestiegen.

  • Die beiden Herren hätten ihr einfach nur ein paar blaue Flecken verpasst :grin. Vielleicht war Andreas doch zu nachsichtig mit ihr.


    Mit dem zu hoch hinaus wollen, hast du sicher Recht. Die Erfahrungen aus ihrer Kindheit in der zugigen Burg wollte sie sicher nicht wieder erleben. Das muss so prägend gewesen sein, dass sie in ihrem späteren Leben eben auch über Leichen geht.

  • Dass sie ihr gesichertes Leben so über das von Trajan und Amalia stellte, zeugt irgendwie auch von einer gestörten Persönlichkeit.
    Irgendwie fehlte ihr auch jegliches Schuldbewusstsein.
    Als wenn sie dachte, sich verteidigen zu müssen und jedes Recht dazu zu haben.


    Dabei neidete sie manchmal sogar Judith und Lila die Freundschaft oder war eifersüchtig auf die gute Ehe von Arno und Lila.
    Doch selbst etwas für so gute Beziehungen zu tun kam ihr nie in den Sinn.

  • Sie hat das nie gelernt, dass sie sich um Menschen bemühen muss. Die einzige Mühe, die sie sich machte, war das Ebnen ihres eigenen Lebensweges. Es war ja schon sehr innovativ für die damalige Zeit, dass sie ihren späteren Ehemann fragt, ob er sie heiraten will. Auch waren die Beweggründe eher materialistisch. Da sie außer ihrer Schönheit auch nichts hatte, musste sie auch schnell unter die Haube kommen.


    Die gestörte Persönlichkeit liegt also im vollkommen realitätsfernen Wahrnehmen der eigenen Person zur Umwelt. Rieke ist so fanatisch entschlossen, vom ergatterten Stand nicht mehr zu weichen, dass sie sämtliche Hindernisse nicht nur aus dem Weg räumt, sondern direkt wegsprengt. Mit solch einem Verhalten hatte sie es auch schwer, Freunde zu finden. Nichtmal in der Familie - die ja doch enger verbunden sind - hat es geklappt. Hinzu kam dann noch die Eifersucht, dass offenbar alle anderen das hatten, was sie sich am meisten wünschte: geliebt zu werden.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Dass sie ihr gesichertes Leben so über das von Trajan und Amalia stellte, zeugt irgendwie auch von einer gestörten Persönlichkeit.
    Irgendwie fehlte ihr auch jegliches Schuldbewusstsein.
    Als wenn sie dachte, sich verteidigen zu müssen und jedes Recht dazu zu haben.


    Dabei neidete sie manchmal sogar Judith und Lila die Freundschaft oder war eifersüchtig auf die gute Ehe von Arno und Lila.
    Doch selbst etwas für so gute Beziehungen zu tun kam ihr nie in den Sinn.


    Sie hats zumindest am Anfang noch gehabt. Als Judith bei ihr war um nach einem Kleid für Lila zu fragen, nachdem die ausgeraubt wurde. Als Judith ihr das mottenzerfressene Kleid vor die Füße warf, kam sowas wie ein Schuldbewusstsein auf: Ich bin zu weit weit gegangen, diesmal bin ich zu weit gegangen.


    Im Verlauf der Geschichte ist ihr dann aber jegliches Gefühl für Schuld abhanden gekommen.


    Sie hat eine schwierige Kindheit gehabt und wollte nie wieder arm sein. Nachvollziehbar. Irgendwann ist aus dem Gedanken: ich will nie wieder arm sein, unvorstellbare Gier geworden. Sie hat ja bei Andreas wirklich jeden erdenklichen materiellen Luxus gehabt. Aber das alles hat nicht gereicht.
    Ich frage mich, ob sie eine gute Mutter geworden wäre. Zu ihrem ungeborenen Kind hatte sie ja eigentlich ein inniges Verhältnis. Fragt sich aber auch hier, ob nur deshalb, weil dieses Kind ihr eine materielle Zukunft gesichert hat oder ob aus wirklicher Liebe.

  • Zitat

    Original von Büchersally
    Die beiden Herren hätten ihr einfach nur ein paar blaue Flecken verpasst :grin. Vielleicht war Andreas doch zu nachsichtig mit ihr.


    War er. Wenn es für ihn unangenehm wurde, hat er sich entweder verdrückt oder mit ein paar Worten alles abgewiegelt. Er hätte mit der Faust auf den Tisch hauen müssen. Aber dafür war sie ihm offenbar nicht wichtig genug.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Ob der Chirurg das selbe Beil vorher wohl auch zum Holzhacken und Hühnerschlachten verwendet hat?


    Ich trau ihm das zu :yikes


    Schön, dass am Ende alles gut ausgegangen ist :-]


    Rieke hat mir auch irgendwie leid getan, so gegen Ende. Alleine gebären und alleine sterben, echt schlimm. Auf der anderen Seite hat sie es durch ihr Verhalten eigentlich auch nicht anders verdient. Mich hat gewundert, dass sie als sie zu Lila gegangen ist, irgendwie gehofft hat, dass Lila ihre Freundin wird. Rieke hat da wohl wirklich eine komische Vorstellung von Freundschaft gehabt. Traurig, dass sie es nie anders erlebt hat und dass weder ihr Mann noch ihre Schwiegermutter sich wirklich mit ihr auseinandergesetzt haben. Ich hatte das Gefühl, dass Andreas damit einfach überfordert war. Und dass er es schon nicht gewohnt war, seiner Mama Konter zu geben, wie sollte er es denn bei seiner Frau hinkriegen? Auf der anderen Seite hat er Riekes Probleme nicht wirklich verstanden. Ich fand seine Reaktionen manchmal echt witzig: sie hat alles was sie braucht, schöne Kleider und Schmuck, was kann sie denn noch mehr wollen???

  • Ich sehe, die Person Rieke beschäftigt euch am meisten. Mir ist sie die liebste. Sie ist die einzige, die um ihr Glück wirklich kämpft. Lila will nur verbergen, Judith ist recht passiv, Marga handelt zu spät. Nur Rieke, nur sie allein, nimmt sich, was sie will. Sie ist ehrlichen Herzens egoistisch. Muss man ihr nicht dafür Respekt zollen?
    Wie weit darf man für sein persönliches Glück gehen?

  • Zitat

    Original von Ines
    ...
    Wie weit darf man für sein persönliches Glück gehen?


    Auf jeden Fall nicht soweit, dass andere dafür mit ihrem Leben bezahlen. Das Ersticken ihrer Schwiegermutter fand ich schon extrem heftig. Da blieb sie bis zum letzten Atemzug dabei. Bei Trajan konnte ich wenigstens noch nachvollziehen, dass sie einfach den für sie leichtesten Weg genommen hat. Das Bekanntwerden ihrer Beziehung hätte wirklich gravierende Folgen gehabt und sie meilenweit vom eigentlichen Ziel weggetrieben.

  • Es war spannend bis zum Schluß (Mitternacht wars bei mir).


    Also die Auflösung am Schluß hat mir sehr gut gefallen und auf die Fortsetzung freue ich mich auch schon :-)


    Mir war Rieke auch äußerst unsympathisch. Dieses Durchsetzen nur der eigenen Interessen ging ja hier wirklich über Leichen. Wobei ich schmunzeln mußte, wie Amalia es geschafft hat, einen quasi Erklärungsbrief in die Bibel zu legen. Sie sah ihr Ende kommen und hat so Rieke doch noch eins ausgewischt.


    Judith hat endlich ihre Vergangenheit gestanden, ihr Ehemann hat ihr verziehen und sie wird vermutlich in ihrem geordneten Haushalt weiterleben. Aber mehr werden wir bestimmt im nächsten Band erfahren.


    Daß Judith und Lennart noch ein Paar wurden rundete die Geschichte ab, daß sie jetzt das Kind von Rieke aufziehen fand ich bewundernswert.


    Marga und ihr Ehemann, dieser Teil hat mir auch sehr gut gefallen. Endlich hat sie sich mal durchgesetzt und ihn nicht wieder aufgenommen, sondern der zweiten Ehefrau auf dem Karren mitgegeben. Ob aus ihr und dem Kantor noch mehr wird, das werden wir hoffentlich im nächsten Band lesen.


    Alles läuft darauf hinaus, daß ich mich freue, wenn es weitergeht. :-)

  • Darf ich meine Frage noch einmal wiederholen?


    Wie weit darf man für das eigene Glück gehen?



    Ich bin gerade vollkommen fasziniert von der Dschungelsendung. WAs manche Leute dort mit sich machen lassen, wie sehr sie ihre Würde verleugnen, nur um ein bisschen Aufmerksamkeit zu erringen, ist erstaunlich. Deshalb noch einmal die Frage:


    In Deutschland fressen Promis Würmer und irgendwelche Hoden für ihr Glück. Wie weit dürfen Romanfiguren dabei gehen?

  • Wenn das eigene Glück zu Lasten anderer geht, sind für mich die Grenzen erreicht. Ich würde nie so weit gehen, jemand anderen wissentlich oder aus Vorteil für mich zu verletzen oder zu übervorteilen. Meine Skrupel diesbezüglich sind recht groß. Ich könnte ein auf diese Weise erreichtes eigenes Glück nicht genießen.

  • Naja, ich gebe gern zu, dass ich meine Erfolge nicht ohne die Traurigkeit anderer haben konnte. Als Kind war ich eine gute Schwimmerin. Ich wollte unbedingt gewinnen bei Wettkämpfen, und es war mir piepegal, ob die anderen darüber traurig sind.


    Wie ist es, wenn ich einen Mann/eine Frau liebe, die gebunden ist? Verzichte ich dann großmütig oder ist mir das Unglück des anderen gleichgültig? Wie ist es bei einer Beförderung? Verzichte ich auf einen Lottogewinn, weil der Nachbar das Geld nötiger braucht?


    Ich glaube, es ist ein Irrtum anzunehmen, dass eigene Erfolge u.ä. sich ohne das Unglück anderer herstellen lassen.


    Die Frage ist nur, wie weit würde ich gehen?

  • Zitat

    Original von Ines
    Wie ist es, wenn ich einen Mann/eine Frau liebe, die gebunden ist? Verzichte ich dann großmütig oder ist mir das Unglück des anderen gleichgültig?


    Ich verzichte.


    Zitat

    Verzichte ich auf einen Lottogewinn, weil der Nachbar das Geld nötiger braucht?


    Ich teile.


    Zitat

    Ich glaube, es ist ein Irrtum anzunehmen, dass eigene Erfolge u.ä. sich ohne das Unglück anderer herstellen lassen.


    Die Frage ist nur, wie weit würde ich gehen?


    So weit ich kann, vermeide ich mein Glück auf Kosten anderer. Ich bin kein Ellenbogenmensch und werde wohl in der zweiten Hälfte meines Lebens auch keiner werden.


    Würde ich so weit gehen wie Rieke (die Morde mal außen vor), ich könnte mich nicht mehr im Spielgel anschauen.

  • Ines
    Wenn du beim Schwimmen gewinnst, hatten deine Mitstreiter aber wenigstens die Möglichkeit, auch zu gewinnen. Ich denke, sportliche Siege sind hier mal außen vor. Wenn ich beim Tennis mein Spiel gewinne, ist zwar mein Gegner traurig, aber meine Mannschaft freut sich. Da muss man abwägen. :grin


    Zitat

    Wie ist es, wenn ich einen Mann/eine Frau liebe, die gebunden ist? Verzichte ich dann großmütig oder ist mir das Unglück des anderen gleichgültig?


    Die andere kann vermutlich nicht einfach ihr Leben anders weiterführen. Sie ist eine Partnerschaft eingegangen, zu der jeder Teil seine Verantwortung wahrnehmen sollte. Wenn ich dort eingreife, nehme ich das Leid eines anderen Menschen billigend in Kauf. Ich persönlich halte das für indiskutabel und würde immer verzichten. (Schon allein aus Selbstschutz ... wer sagt mir, dass der Kerl bei nächster Gelegenheit nicht wieder wechselt?!)


    Zitat

    Wie ist es bei einer Beförderung? Verzichte ich auf einen Lottogewinn, weil der Nachbar das Geld nötiger braucht?


    Bei materiellen Dingen kann man selber entscheiden, wann man genug hat. Wenn ich soviel Geld gewinne, dass ich locker etwas abgeben kann, würde ich das auch gerne geben. Natürlich ist einem das Hemd näher als die Hose. Erst kämen Familie und Freunde dran und dann erst andere.


    Bei einer Beförderung kann es ja auch nur einen geben, der auf dem Stuhl sitzt. Wenn ich nicht vorher jemanden mobbe, damit mich mein Chef vorzieht, kann ich mich sicher auf gute Leistungen berufen. Die hätte jeder andere auch bringen können und dann sähe es mit der Beförderung vielleicht ganz anders aus.

  • Ich befürchte, ich bin kein so guter Mensch wie ihr.
    Ich würde eine Beförderung gern annehmen, wenn ich der Meinung bin, ich könnte diesen Job sehr gut erledigen. Vielleicht sogar besser als mein Vorgänger. Womöglich würde ich ihn bedauern, aber ich würde gewiss nicht verzichten.


    In der Liebe ist es ebenso. Wenn ich jemanden von Herzen liebe, dann bin ich auch sicher, ihn glücklich machen zu können. Glücklicher, als es der derzeitige Partner kann. Würde ich verzichten, wäre ich unglücklich. Warum soll mir das eigene Glück weniger wert sein als das der anderen?



    Ist es nicht die Aufgabe eines jeden Menschen, für sein eigenes Glück zu sorgen? Ich kann ja nicht erwarten, dass es andere für mich tun. Wer also, wenn nicht ich?

  • Zitat

    Original von Ines
    Wie weit darf man für das eigene Glück gehen?


    Glück zu definieren ist meiner Meinung nach nicht allgemein möglich.
    Jeder Mensch muss das Glück für sich definieren.
    Wenn ich einen Roman lese, fasse ich die Figuren wie eine reale Persönlichkeit auf, solange die Figur für mich funktioniert. Bei außergewöhnlich guten Romane vielleicht auch etwas länger.
    Der Protagonist muss also auch selbst sein angestrebtes Glück suchen. Dieses Ziel sollte mit dem Charakter im Einklang stehen. Ein Bauer in einem historischen Roman findet sein Glück vielleicht schon durch das Bestellen seines eigenen Landes, dazu muss er nicht König sein wollen. Für einen Prinzen sieht das anders aus.
    Das ausloten, wie weit jemand für sein Glück gehen darf, bleibt spannend. Rieke ist in ihrem Fall klar zu weit gegangen. Andere haben den Vorteil, dass ihnen das Glück zufällt, wie Lila mit Arno, seiner Liebe und Verständnis.
    Die Frage zu beantworten, ist also äußerst schwierig, ich komme mir mit meinen Ausführungen dazu unzulänglich vor. Darüber würde ich auf jeden Fall gerne mehr lesen und freue mich auf den nächsten Roman der Deutschlandsaga.

  • Zitat

    Original von Ines
    Ist es nicht die Aufgabe eines jeden Menschen, für sein eigenes Glück zu sorgen? Ich kann ja nicht erwarten, dass es andere für mich tun. Wer also, wenn nicht ich?


    Ich sehe das differenzierter. Wenn mir kalt ist, hole ich mir eine kuschelige Decke. Hole ich sie mir aber aus dem Geschäft und bezahle sie ordnungsgemäß oder klau ich sie mir vom Nebenmann? Variante A lässt es zu, dass sowohl ich als auch der Nebenmann glücklich sein kann. Sogar der Verkäufer der Decke freut sich über die Einnahme. Bei Variante B geht mein Glück zu Lasten anderer.


    Bezogen auf den Job nehme ich die Beförderung auch gerne, wenn ich dafür keinen anderen aus der bezahlten Stellung werfen muss (vorausgesetzt er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen). Bezogen auf die große Liebe würde ich immer mit offenen Karten spielen und nicht manipulativ in eine bestehende Beziehung eindringen. Ich glaube nicht, dass ich ein ausgesprochener Gutmensch bin, aber meine Nerven schone ich schon so weit wie möglich. Sonst würde mir ja auch ein großes Stück Glück fehlen. :grin