Der Kuchenwettstreit

  • leserättin : Ich kann's mir leider nicht verkneifen - ich habe gerade die Leseprobe von "Dschungelglut" zur Kenntnis genommen, was Deine Anmerkungen zu Adjektivflut und Wiederholungen doch ein wenig relativiert. Damit will ich keineswegs ! sagen, dass ich den Text (Deinen) schlecht finde, aber alles, was Du crycoroner vorwirfst, hast Du darin getan. Ich will damit eher sagen, dass Regeln - gerade Schreibregeln - gebrochen werden müssen. Wenn man sie beherrscht. Das allerdings ist Voraussetzung.


    Das hier hast Du zum Beispiel kritisiert:


    Gestern war Sonntag. Mein Geburtstag. Backtag. Eigentlich nur ein Backvormittag


    Die beiden Wiederholungen (dreimal "Tag", dann zweimal "Back") ergeben nicht nur ein rhythmisches Muster, sie verdichten auch - meines Erachtens auf sehr lesbare Weise - Informationen. Gleichzeitig wird eine Verbindung - eine Kausalkette - aus Sicht des Protagonisten hergestellt, die sehr nachvollziehbar ist. Mir gefällt das, und ich wage mal, zu behaupten, dass mein Lektor eine solche Abfolge nicht angestrichen hätte.


    Und das hier:

    "Dann backen wir jetzt mal."
    "Gut, ich mähe dann mal den Rasen."


    Du hast die Wiederholung des Füllworts "mal" kritisiert, aber Du ignorierst damit zwei Dinge: Erstens ist das ein realistisch klingender Dialog und zweitens ist ausgerechnet diese Wiederholung ein hochironisches Element.


    Undsoweiter. Ich halte den Text in der vorliegenden Fassung keineswegs für perfekt, obwohl er mich wirklich gut unterhalten hat - meines Erachtens hätten eine oder zwei Pointen genügt, drei hätten es nun wirklich nicht sein müssen (Anne krank, Apfelkuchen, Schwester), und auch die Wichtung der Textmengen (Timing! - ganz richtig, crycoroner) stimmt so noch nicht, gerade im Mittelbereich. Aber Deine Korrekturen bekritteln Elemente, die zum Großteil durchaus ihre Berechtigungen haben. Stil bedeutet auch, sich zu verweigern. Es sind andere Dinge, die (noch) nicht funktionieren, weil der Autor zu viel mit zu wenigen Worten tun wollte, etwa hier, um bei einem Deiner Beispiele zu bleiben:


    „Gut, ich mähe dann mal den Rasen“, versuchte ich, dem bevorstehenden Martyrium zu entgehen.


    Das funktioniert selten, ein Verb, das eigentlich nichts mit Kommunikation zu tun hat (versuchen) so zu verdrehen, dass es zweierlei gleichzeitig erschlägt. Besser wäre diese Variante:


    „Gut, ich mähe dann mal den Rasen!“ nuschelte ich und versuchte dadurch, dem bevorstehenden Martyrium zu entgehen.


    Oder ähnlich.


    Der Text ist noch etwas nachlässig, was die Figurenzeichnung der Ehefrau anbetrifft, und es gibt durchaus noch einige Korrekturen, die man vornehmen könnte, aber ihn als "Anfängertext" zu qualifizieren, das halte ich für nahezu unverschämt. Nichts für ungut.

  • Ich habe hier noch mal ein paar Anmerkungen zu den Korrekturen von "Leserättin" geschrieben:


  • leserättin : Du hast meinen Beitrag offenbar nicht aufmerksam genug gelesen - ich habe keineswegs Deinen Text negativ kritisiert, sondern ihn lediglich als Beispiel dafür genutzt, dass Du jene Regeln, die Du crycoroner als essentiell verkaufen wolltest, selbst brichst. Und damit wiederum wollte ich nur sagen, was da auch steht: Regeln sind - gerade im Kreativbereich - nicht allgemeingültig. Manchmal schreibt man bessere Texte, indem man sie wissentlich bricht.


    Und niemals vergessen: Anfänger war jeder mal.

  • Leserättin,


    Deine Mühe mit meinem Text in allen Ehren, aber langsam wird das hier zu einem Kritiker- (oder Autoren-?) Wettstreit, in dem Du Dich allmählich in eine unschöne Ecke schreibst.


    Grüße,
    crycorner

    Enttäuscht vom Affen, schuf Gott den Menschen.
    Danach verzichtete er auf weitere Experimente.

    - Mark Twain -

  • Hallo, Dichterdämon.


    Zitat

    Was zum Teufel ist ein "Infodropping"? Können hier auch deutsche und allgemein verständliche Begriffe verwendet werden?


    Beim Infodropping - eigentlich Infodumping - werden gehäuft (nicht selten belanglose) Fakten aufgezählt, ohne diese Aufzählung in die Handlung/das Geschehen einfließen zu lassen. Manch ein Autor erzählt zum Beispiel eine irre Menge über seine Figuren oder Schauplätze (der Klassiker: die Landschaftsbeschreibung am Textanfang), ohne dass das Sinn machen würde, weil man die Fakten wirklich braucht, und zerstört dieserart den - auch überhaupt nicht aufkommenden - Lesefluss. Eine handliche deutsche Übersetzung ("Informationsanhäufung", "Informationsmüll") gibt es nicht, aber unter Autoren sind solche Begriff eigentlich allgemein verständlich. Der Begriff "Plot" hat ja auch englischsprachige Wurzeln und gilt als Autoren-Grundlagenwissen.


    Edit: Hans Peter Röntgen erklärt derlei und vieles mehr - anhand von sehr anschaulichen Beispielen - in diesem empfehlenswerten Buch:

  • Zitat

    Original von Leserättin
    Weißt Du Tom, ich schreibe inzwischen für einen sehr großen Verlag, von daher ist mir jegliche Kritik sowas von egal. :grin


    Mir ist deine Art und Weise aber überhaupt nicht egal, wie ich dir erst kürzlich per e-mail mitteilte. Denk da bitte dran!

  • Zitat

    Original von Leserättin
    Weißt Du Tom, ich schreibe inzwischen für einen sehr großen Verlag, von daher ist mir jegliche Kritik sowas von egal. :grin


    Schade, wenn man seine Kritikfähigkeit so verliert wie Du.
    Fast ein bisschen peinlich.

  • Zitat

    Original von Leserättin
    Und ich lass mich nicht von Anfängern wie Dichterdämon dumm anquatschen.


    Jemanden dumm anzuquatschen war nicht meine Absicht, sondern ich habe meinen Standpunkt zu Deinen Kritikpunkten deutlich gemacht. Wenn du das als Angriff nimmst tut mir das leid


    @ crycorner: Entschuldige bitte, daß Dein Thread mit diesem schön aus dem Leben gegriffenem und satirischem Text zu einem Egostreit verkommt.
    Ich will mich hier weder hervor heben noch arrogant wirken und höre mir auch gern Kritiken und Ratschläge von erfahreneren und besseren Autoren an.
    Aber nach 8 Büchern, vielen Veröffentlichungen in Magazinen und Anthologien seit über 6 Jahren und über 100 Lesungen muß ich mich nicht unbedingt als Anfänger bezeichnen lassen

  • Zitat

    Original von Leserättin
    Weißt Du Tom, ich schreibe inzwischen für einen sehr großen Verlag, von daher ist mir jegliche Kritik sowas von egal. :grin


    Ich schreibe zwar nur für einen kleinen Verlag, habe aber auch schon kürzere Geschichten bei großen Verlagen veröffentlicht (Bastei). Ich glaube aber nicht, daß das Schreiben bei großen Verlagen jemanden über Kritik erhebt. Nicht mal die Autoren von Bestsellern (schon wieder so in häßlicher Anglizismus, tut mir leid) stehen über der Kritik

  • Hallo Ikarus und Sisi,


    vielen Dank für das nette Kompliment. Das motiviert, doch nochmals einen Schreibversuch zu starten.


    Einstweilen stelle ich nochmals einen älteren Text rein, aufgrund dessen ich diese "Auftragsarbeit" überhaupt schreiben durfte.


    LG,
    crycorner

    Enttäuscht vom Affen, schuf Gott den Menschen.
    Danach verzichtete er auf weitere Experimente.

    - Mark Twain -

  • Hallo Tom,


    es freut mich, dass Dich der Text unterhalten hat.
    Und Danke für die Verteidigung einerseits und die fundierte Kritik andererseits.


    Du hast es schon richtig erkannt: Ich wollte zu viel hineinquetschen, und trotz der Kürze könnte man wohl noch einiges rausnehmen. Was das Timing angeht, so ist das wohl die große Kunst bei Satiren. Beim Schreiben neige ich aber dazu, ins Schwafeln zu verfallen (Beim gesprochenen Wort halte ich mich eher kurz), was dazu führt, dass das Tempo verloren geht, oder Lacher nicht richtig zünden, weil zu gestelzt oder umständlich formuliert.


    Ich habe mich mal eine Zeit lang in Drabbles versucht. Da fliegt jedes nutzlose Wort raus. Trotzdem ist mir dies im Anschluss bei KG´s nicht gelungen.


    Und ansonsten: Regeln muss man beherrschen, bevor man sie brechen kann. In der Theorie beherrsche ich viele der Regeln, besser jedenfalls, als in der Praxis. Daher kann ich viel fundierter kritisieren, als schreiben. Innerhalb meines eigenen Textes geht es mir so ähnlich, wie Du es auf Deiner (hervorragenden!) HP geschildert hast: "Baum? Welcher Baum?" fragte Lisa und sah sich hilfesuchend im Wald um. :grin


    LG,
    crycorner

    Enttäuscht vom Affen, schuf Gott den Menschen.
    Danach verzichtete er auf weitere Experimente.

    - Mark Twain -

  • Zitat

    Original von Dichterdämon
    @ crycorner: Entschuldige bitte, daß Dein Thread mit diesem schön aus dem Leben gegriffenem und satirischem Text zu einem Egostreit verkommt.
    Ich will mich hier weder hervor heben noch arrogant wirken und höre mir auch gern Kritiken und Ratschläge von erfahreneren und besseren Autoren an.
    Aber nach 8 Büchern, vielen Veröffentlichungen in Magazinen und Anthologien seit über 6 Jahren und über 100 Lesungen muß ich mich nicht unbedingt als Anfänger bezeichnen lassen


    Hallo Dichterdämon,


    auch Dir vielen Dank für´s Lob.
    Du brauchst Dich bei mir nicht zu entschuldigen. Den Takt hat jemand anderes vorgegeben. Ausserdem ist es in einem Forum ganz normal, dass man schnell Off Topic gerät. Ist aber hier bei den Eulen vergleichsweise selten. Es ist auch normal, dass immer jemand dabei ist, der bewusst provoziert oder besonders arrogant kommuniziert.
    Einfach nicht provozieren lassen...


    Grüße,
    crycorner

    Enttäuscht vom Affen, schuf Gott den Menschen.
    Danach verzichtete er auf weitere Experimente.

    - Mark Twain -