Regine Pernoud - Herrscherin in bewegter Zeit

  • Meine deutsche Ausgabe (dtv, 1997) hat auch keine Anmerkungen. Die haben sie weggelassen???
    Die Stammbäume sind auch hier sehr vage. Und nicht ganz richtig, zB heißt es bei den Kindern von John I Lackland und Isabella neben Henry III, Richard von Cornwall und Eleonore, daß "zwei Kinder jung verstorben" sind. Ich weiß, daß Isabella, Friedrichs II dritte Frau noch relativ jung war, als sie gestorben ist, aber so war das wohl nicht gemeint ... Das zumindest fällt mir auf den ersten Blick auf.

  • Na, Prost. Ich gebe zu, daß ich schon gestern den schwachen Verdacht hatte, daß die Anmerkungen fehlen.
    Sind denn im Text nirgendwo diese Zahlen oben nach den Zitaten oder so?
    Es sind nicht rasend viele Anmerkungen, Pernoud beschränkt sie auf ein grad eben noch vertretbares Minimum, aber im frz. Original sind sie da, im Anhang, nach Kapiteln geordnet.


    Der Stammbaum ist nahezu unbenutzbar, das mit den beiden frühverstorbenen Kindern verstehe ich auch nicht. Wie Du schon sagst, hat Isabella Friedrich II. geheiratet, und eine weitere Tochter wurde doch Königin von Schottland? :gruebel


    Ich habe hier leider keine 'Stammtafeln der regierenden Häuser' zur Hand, also die offizielle Reihe. In der sind auch die totgeborenen bzw. frühverstorbenen Kinder verzeichnet (wenn die Quellen diese Informationen hergeben), in anderen Nachschlagewerken fallen die der Kürze halber oft weg.
    Ich kapier aber nicht, wie Pernoud John und Isabella zwei Töchter unterschlagen konnte.



    Grundsätzlich ist das mit dem Weglassen der Anmerkungen ein leidiges Thema. Es kommt bei Übersetzungen ins Deutsche sehr häufig vor, ich bin diesbezüglich ziemlich verärgert.


    Ein ganz schlimmer Fall ist z.B. die Biographie von Georg I. von England, die Standardbio von Ragnhild Hatton (engl. Original von 1978). Fürs deutsche Lesepublikum wurde sie 1982 gefällig zurechtgeschneidert, es fehlen nicht nur alle Anmerkungen, sondern auch sämtliche Untersuchungen zum Finanz - und Steuerwesen, die einen Kern dieser Forschungsarbeit bilden und zum erstenmal beleuchten, wie England und das Kurfürstentum Hannover zusammenhingen und zusammenarbeiteten.
    Die deutsche Ausgabe macht den Eindruck, als wolle man die LeserInnen bloß nicht geistig überfordern. Grausig.
    Wenn man sich wirklich ein Bild von Georg als König und Kurfürst machen will, muß man die englische Ausgabe nehmen.
    Wohlbemerkt, Hatton war eine der wichtigsten und bekanntesten (international, außer der BRD, offenbar) Forscherinnen für das frühe 18. Jh.


    Es trifft aber nicht nur Herrscherpersönlichkeiten. Ein anderer übler Fall ist die Biographie der Ärztin Käte Frankenthal (1889 - 1976). Da fehlt in der zweiten Auflage, TB, der gesamte Anhang mit den Nachweisen, aber auch den Abbildungen von Originaldokumenten.
    Ich habe mir das dann aus dem HC dazu kopiert, man braucht die Informationen doch!


    :schlaeger



    Na, jedenfalls haben wir das hier geklärt.




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Nein, keine Zahlen. Und bei mir steht sogar "ungekürzte Ausgabe", was so ja dann nicht stimmt. In dem Fall muß ich mich hiermit öffentlich bei Frau Pernoud entschuldigen, denn das ist dann ja nicht das Buch in der Form, wie sie es veröffentlicht hat.


    Beim Staummbaum hätte es ja auch gereicht, Sternchen zu machen, wenn die anderen Kinder nicht interessant sind. Wobei das so ja auch nicht stimmt, denn Isabella wird im Text sogar erwähnt als Schwester Henrys III. Hm.


    Zum Thema Weglassen, ich weiß bis heute nicht, ob das nur im Deutschen so ist, aber ich finde es zum Haareraufen, daß Demurgers "Die Templer" kein Personenregister hat. Sowas finde ich bei so einem Buch geradezu unverzeihlich.
    Aber gut, solange sie wenigstens das Quellenverzeichnis lassen ...

  • Die Sache mit dem Weglassen wesentlicher Teile bei Biographien, weil sie einem Verlag eben unwichtig - oder unwirtschaftlich? - erscheinen, habe ich nur für Deutschland festgestellt, weil ich mich um Übersetzungen in andere Sprachen nicht kümmere. Keine ahnung, wie Verkage anderer Länder das halten.
    Es macht mich nur sauer, weil ich den Eindruck gewonnen habe, über die letzten zwanzig Jahre, bitteschön, daß das Publikum hierzulande für dumm gehalten wird.


    Was Pernoud angeht, so bin ich grad ans Regal gesaust. Ich besitze noch 'Héloise et Abélard' von ihr im Original, m i t Anmerkungen. Aber ihr Eleonore-Buch habe ich nur auf deutsch, es hat keine Anmerkungen. Ich befürchte das Schlimmste.
    Dann habe ich noch eins über Jeanne d'Arc, das sie zusammen mit Marie-Véronique Clin herausgegeben hat, auf deutsch. Ohne Anmerkungen, seufz.


    Ich glaube, ich hau die deutschen raus und besorge mir die Originale.
    So geht es ja nicht!



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Faszinierend, also die französischen Originale haben alle Anmerkungen?
    Mein "Frauen zur Zeit der Kreuzzüge" und "Abenteurer auf dem Thron" (Löwenherz) haben zwar beide eine Zeittafel und sonstiges Zeug, aber auch keine Anmerkungen. Das ist ausgesprochen ärgerlich.
    Verstehe wirklich nicht, wo der Sinn dahintersteckt. Wer sich für Geschichte interessiert, wird doch nicht deswegen gleich die Krise kriegen, weil man ein bißchen blättern muß!
    Da fühlt man sich leicht verarscht. Vor allem wenn es dann eben heißt "ungekürzt", denn das ist ja dann eine Lüge.

  • Zitat

    Original von magali
    Na, Prost. Ich gebe zu, daß ich schon gestern den schwachen Verdacht hatte, daß die Anmerkungen fehlen.


    Das ist ja ein Ding - ist so etwas überhaupt zulässig? Als Autor würde ich auf die Barrikaden gehen, schliesslich habe ich das Werk in dieser Form nicht freigegeben.



    Zitat

    Original von magali
    Sind denn im Text nirgendwo diese Zahlen oben nach den Zitaten oder so?
    Es sind nicht rasend viele Anmerkungen, Pernoud beschränkt sie auf ein grad eben noch vertretbares Minimum, aber im frz. Original sind sie da, im Anhang, nach Kapiteln geordnet.


    Nicht in meiner Ausgabe.


    Zum Vergleich, ich habe heute mit der Biographie von William der Eroberer angefangen. Hier gibt es mehr als 100 Seiten Anhänge: chronologische Zeittafeln, in Kapitel bzw. Lebensabschnitte eingeteilte Quellenangaben, eine Bibliographie, eine Auflistung von Primärliteratur (1.Chroniken & Berichte, 2. Urkunden & Aufzeichnungen), Sekundärliteratur & Nachschlagewerke, eine große Auswahl von Stammbäumen der unterschiedlichen herzoglichen Dynastien sowie Landkarten und Anmerkungen.
    Das ist schon ein gewaltiger Unterschied.



    Grisel
    Die Fußnoten würdest du lieben ,o)
    Ich habe mir gestern übrigens "Frauen zur Zeit der Kreuzzüge" bestellt, da hast du mich neugierig gemacht:

  • Zitat

    Original von kamelin
    Grisel
    Die Fußnoten würdest du lieben ,o)
    Ich habe mir gestern übrigens "Frauen zur Zeit der Kreuzzüge" bestellt, da hast du mich neugierig gemacht:


    Gut für Dich! Das Buch habe ich in sehr liebevoller Erinnerung, weil es mir, wie gesagt, sehr beim Durchblicken geholfen hat, da ich heillos darüber verwirrt war, wie die ganzen Fürsten Outremers eigentlich miteinander verwandt waren. Also, doch nicht ganz heillos. :grin
    Außerdem war es auch generell sehr interessant bezogen auf die Rolle der Frau in dieser Zeit, vor allem eben nach französischem Recht.


    Zu den Fußnoten. Na, die allein machen es auch nicht. William the Conqueror ist zwar kein uninteresssanter Mann, aber Biographie von ihm reizt mich momentan weniger.


    [SIZE=7](Habe rein interessenshalber mal nachgeschaut, wieviele Fußnoten ich selbst einst verbrochen habe in meiner Diplomarbeit: 265 auf 91 Seiten Text. Ich denke, seither bin ich gestört. :grin)[/SIZE]

  • kamelin


    ob eine Veränderung im Text zulässig ist oder nicht, hängt wohl am Vertrag, der beim Kauf geschlossen wurde. Ich weiß nicht, wie das bei Lizenzen für Texte aus dem Ausland geregelt ist, was genau sie enthalten, inwieweit AutorInnen Mitspracherechte haben. Oder in wieweit AutorInnen überhaupt überprüfen bzw. überprüfen lassen, ob ihr Text in der Form erscheint, in der sie ihn abgefaßt haben.


    Wir diskutieren hier im Forum ja auch immer wieder über fehlerhafte Übersetzungen oder, wie grad vor kurzem Grisel und ich in einem Thread zu Dunnetts Johnson- Johnson-Romanen über die erschreckende Zahl von Druckfehlern, die den betreffenden Krimi streckenweise fast unlesbar machen.


    Ich kann über die Jahre nur feststellen, daß deutsche Verlage immer wieder sehr nachlässig mit angekauften Manuskripten umgehen.
    Die Biographie von Käte Frankentahl habe ich allerdings genannt als Beispiel dafür, daß es auch in Deutschland so zugehen kann, der Fall ereignete sich innerhalb ein - und desselben Verlags, vom HC zum TB.
    Für weniger Geld erhält die Käuferin hier auch definitiv weniger Ware.
    :grin



    Sämtliche Buchtips, auch den von €nigma, habe ich erfreut und dankend zur Kenntnis genommen.



    :wave



    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Nachdem ich gerade "Die Kathedrale" der Ketzerin" von Martina Kempff gelesen habe, wurde es Zeit, die Biographie der Blanca von Kastilien vom SuB zu holen.
    Meine Meinung dazu:


    Diese Biographie beschreibt das Leben der Blanca von Kastilien (1188 - 1252) von ihrem 12.Lebensjahr, als ihre Großmutter Eleonore von Aquitanien sie abholte, um sie zu ihrem zukünftigen Ehemann Ludwig VIII von Frankreich zu geleiten, bis zu ihrem Tod im Alter von 64 Jahren.
    Blanca wird gemeinsam mit ihrem Zukünftigen erzogen und ausgebildet, die Ehe der beiden ist sehr harmonisch und wird mit vielen Kindern gesegnet, von denen vier Söhne und eine Tochter das Erwachsenenalter erreichen. Ludwig und Blanca sind ein gutes Team und beraten gemeinsam über politische Entscheidungen. Dies ermöglicht es Blanca auch, nach dem allzu frühen Tod ihres geliebten Mannes für ihren noch unmündigen Sohn Ludwig (nachmalig Ludwig IX, der Heilige) zu regieren. Auch als dieser erwachsen wird und verheiratet ist, bleibt Blanca seine wichtigste Beraterin. Die Zeiten sind schwierig: im Süden Frankreichs treiben die Katharer/Albigenser ihr "Unwesen", gefährlicher sind jedoch die Umtriebe französischer Barone, die gegen die "Weiberherrschaft" aufbegehren wollen und die gelegentlichen Ambitionen des englischen Königs Heinrich III, der gern die Oberhoheit über von seinem Vater, Johann Ohneland, verlorene Gebiete wiedererlangen würde. Für die Mitglieder des Hochadels gehört es sozusagen zum guten Ton, an einem Kreuzzug teilzunehmen.
    Die Persönlichkeit Blancas wird deutlich und differenziert dargestellt: sie ist intelligent, politisch talentiert, entschlussfreudig, sehr pflichtbewusst (Das Königreich ist gegenüber persönlichen Befindlichkeiten vorrangig), eine treue und loyale Ehefrau, eine gute Mutter ... und eine entsetzliche Schwiegermutter. :-)
    Die Autorin hat gründlich recherchiert und dabei viele Originalquellen zu Rate gezogen, so gibt es z.B. viele Informatuionen, die auf den zeitgenössischen Chronisten Johann von Joinville zurückgehen. Die Biographie beinhaltet eine schier unermessliche Fülle von Informationen. Glücklicherweise gibt es im Anhang außer einem Literaturverzeichnis und einer Karte des mittelalterlichen Frankreich auch noch genealogische Tafeln, sonst wäre es mit dem Überblick über die vielen Adeligen mit immer gleichen Namen schwierig geworden.
    Das Buch ist sehr gut lesbar, fast in Romanform, jedoch ohne wörtliche Rede geschrieben. Ich hätte mir zur Veranschaulichung jedoch noch eine Bebilderung gewünscht.
    Insgesamt ist diese Biographie für Mittelalter-Interessierte aber sehr empfehlenswert.



    Ich habe "Herrscherin in bewegter Zeit" als Ergänzung zu "Die Kathedrale der Ketzerin " von Martina Kempff gelesen und festgestellt, dass Martina Kempff es ebenfalls gelesen hat. :grin