Gedichte
versammelt von Joachim Sartorius
Marebuch, gebundene Ausgabe, 160 Seiten, 2008
Kurzbeschreibung:
«Was aber feststeht: Es gibt kein Gedicht über das Meer als Meer, kein Meer-Gedicht. Es gibt eine unendliche Fülle von Gedichten über Küste und Brandung, Hochzeit von Licht und Wasser, das Getier im Meer und die Vögel über dem Meer , Schiffe, Leuchttürme, Häfen, über Gefahren, Ungeheuer und Ertrunkene. So viele Gedichte - sie könnten Fracht sein für eine ganze Flotte. Was also tun?
Ich habe mich für eine sehr persönliche Sammlung von Gedichten der Neuzeit entschieden. So sehr die Auswahl meine Vorlieben spiegelt, so sehr wollte ich auch die erstaunliche Unterschiedlichkeit der poetischen Stimmen bewahren. Was mir in den letzten Jahren bei meinen Poesie-Lektüren auffiel, was mich einfing, habe ich behalten und gesammelt. Dann sichtete ich die Beute. Ein Parcours stellte sich fast wie von selbst ein. In sechs Kapiteln erzähle ich meine Geschichte vom Meer
« ... so viele Gedichte Fracht für eine ganze Flotte. Meine Geschichte vom Meer.»
Joachim Sartorius ist einer der besten Kenner der Poesie des 20. Jahrhunderts. Mit diesem Band legt er seine ganz persönliche Seekarte der Lyrik vor, auf der er eine poetische Weltreise zum Glück über Abgründen, zu Fisch und Albatros und zu den Knochenwürfeln der Ertrunkenen verzeichnet hat.
Bei Hoffmann&Campe ist das Buch auch als Hörbuch erschienen, gesprochen von Oda Thormeyer und Christian Erdmann.
Über den Autor:
Klappentext: Joachim Sartorius, geboren 1946, ist Lyriker, Übersetzer und Publizist und hat u. a. die Werkausgabe von Malcolm Lowry und den Atlas der neuen Poesie herausgegeben. Er wuchs in Tunis auf und verbrachte zwei Jahrzehnte im diplomatischen Dienst in New York, Istanbul und Nikosia. Bis 2000 war Joachim Sartorius Generalsekretär des Goethe-Instituts, seit 2001 ist er Intendant der Berliner Festspiele. Er lebt und arbeitet in Berlin.
Meine Meinung:
Mit dem Thema Meer gewinnt diese Anthologie sofort erhöhte Aufmerksamkeit.
Mit so einer interessanten Zusammenstellung an modernen und klassischen Dichtern wird das Buch auch zu einer Entdeckungsreise mit der Chance Dichter für sich zu entdecken.
Vorangestellt sind dem Buch erst einmal ein Vorwort von Joachim Sartorius und ein Prosatextauszug von Georges-Arthut Goldschmidt (GAG, so signiert er), in dem er einen Zusammenhang zwischen Meer und Sprache herstellt.
Der Titel des Bandes kommt von den türkischen Dichter Orhan Veli Kanik. Natürlich ist das Titelgedicht auch enthalten.
Was mir gleich ins Auge springt, ist Mallarmé mit Meeresbrise: „Das Fleisch ist traurig, ach, und jedes Buch – gelesen!“
Erwähnenswert ist auf jeden Fall Louis Dudek mit einem Ausschnitt aus Europa.
Der kanadische Begründer der Moderne ist einer der ersten in diesem Buch, der zu meinen persönlichen Entdeckungen zählt.
Malcom Lowrey, Autor von Unter dem Vulkan, ist mehrfach in diesem Band enthalten. Joachim Sartorius übersetzte ihn selbst., und das wirklich gelungen, z.B.:
„Als ich jung war und Schimmel auf meiner Seele lag …“
Malcom Lowrey stellt im Gedicht „Die Tage wie geschlagene Zympeln aus Messing“ den offensichtlichen Bezug zu Melville her. Auf Melville bezieht sich auch Hart Crane mit „An Melvilles Grab“.
Melville folgt dann natürlich auch selbst, mit „Der Berg (Ein Traum)“ und er zieht das komplette zu erwartende Register: große Schiffe, Eisberg, Möwen, Robben, uva.
Joachim Sartorius übersetzte auch die Beiträge von Lorand Caspar, John Ashbery (Verfrühte Strophen), Matthew Sweeney (Tanz der See), Walt Whitman (Die Welt in der Tiefe des Meeres).und den großen Meister der amerikanischen Moderne William Carlos Williams.
Stefan Weidner, der Adonis-Übersetzer, übersetzt aus dem Arabischen Oasim Haddads „Der Kapitän“. Sehr beeindruckend!
Auch die wundervollen Gedichte Emily Dickinsons bereichern dieses Buch mehrfach.
Überraschend ist aber, dass auch Paul Celan dabei ist. Ein Dichter, den ich nicht so offensichtlich mit dem Thema Meer in Verbindung bringe. Das gewählte Gedicht ist dann auch eher untypisch für Celan.
Und wenn schon Paul Celan dabei ist, darf auch Ingeborg Bachmann nicht fehlen. Ihr Gedicht heißt „Die große Fracht“.
Eine weitere große Entdeckung ist für mich die amerikanische Lyrikerin Elisabeth Bishop, übersetzt von Margitt Lehbert, die mir schon mit den Übersetzungen von Les Murrays Werken aufgefallen ist. „Der imaginäre Eisberg“ ist so rätselhaft wie schön, sogar noch besser gefällt mir „Der Fisch“. Elisabeth Bishop ist leider schon 1979 verstorben.
Ganz ausgezeichnet gefallen mir auch „In Hydra, Fernando Pessoas gedenkend“ von Sophie de Mello Breyner Andresen und Strandfrau von Seamus Heaney.
Viele weitere Gedichte kann ich hier jetzt leider nicht mehr nennen, um den Rahmen einer normalen Buchvorstellung nicht zu sprengen. Es sind aber klingende Namen: D.H.Lawrence, Arno Holz, Ringelnatz, Georg Heym, Günter Eich, Baudelaire uva.
Mit einem Epilog (Der Hafen ist alt) von dem griechischen Nobelpreisträger Giorgos Siferis schließt der Band.