'Die Nächte mit Paul oder der Tag ist anderswo' - Seiten 058 - 112

  • Seite 69


    Paul erzählt von seiner Kindheit. Züchtigung und Demütigung durch den Vater, der die ganze Familie beherrscht hat. Hier liegt wohl auch der Keim für Pauls eigenes Verhalten. Er versucht zwar, anders zu sein als Vater, legt aber wohl - bewusst oder unbewusst - ähnliche Verhaltensmuster an den Tag. Er beherrscht die anderen zwar nicht mit Schlägen, dafür aber mit seinem Verhalten. Ich mag nur nicht glauben, dass Kinder mit so einer Kindheit grundsätzlich später die gleichen Verhaltensmuster zeigen, würde also die Kindheit nicht pauschal für Pauls Verhalten verantwortlich machen.


    Einerseits weiß Luisa, dass Paul durch die Ereignisse in der Kindheit Schwierigkeiten mit Nähe hat, hält ihn für nicht fähig, Liebe anzunehmen, andererseits schwingt sie sich aber zu seiner Retterin auf. Sie ist davon überzeugt, diejenige zu sein, die ihn "rettet".
    Sowas geht nie gut. Wenn jemand so eine traumatische Kindheit hatte, die offenbar bis ins Erwachsenenleben reicht, braucht er professionelle Hilfe.


    Seite 88


    Paul macht sich nicht die Mühe, sich auszuziehen.
    Ich glaube sein Bekleidungszustand lässt auf seine Verfassung schließen. Fühlt er sich seiner sicher, präsentiert er sich ohne Kleidung. In Situationen, in den nicht auf seinem Spielfeld gespielt wird, wie in Luisas Zimmer und nach Luisas offensichtlicher Kenntnis über Kunst und Kultur, behält er seine Kleidung an. Kleidung als Schutzwall?
    (Wobei ich mich frage, ob das nicht schmerzhaft sein muss, lediglich seinen Reißverschluss zu öffnen. Ist der Reißverschluss dann nicht ständig im Weg?)

  • @ Bouquineur
    Das geht schon mit nur dem offenen Reißverschluß ;-)


    Was mich wundert ist, daß Paul Luisa so schnell so viel erzählt. Die beiden überspringen irgendwie die Kennenlernphase und sind direkt mitten im Eingemachten. Wenn ich wen Neues in mein Leben lasse, erzähl ich dem doch nicht direkt von meinen Traumata?
    Klar, in Büchern und auch Filmen muß das immer ein wenig schneller gehen, aber direkt beim zweiten oder dritten Treffen, so mit seinem Leid hausieren gehen, ist für mich unrealistisch.


    Luisas Verhalten bleibt für mich naiv und zeitweise sogar sehr dämlich. "Ich werde ihn die Liebe lehren!" :pille


    Und daß sie ständig "vergißt" zu arbeiten, geht mir auch schwer auf die Nerven, sowas vergißt man doch nicht, da kann man doch wenigstens anrufen. Da würd ich sie schon wieder so gerne schütteln und ohrfeigen.


    Irgendwie scheint sie auch ein Problem mit ihrer Sexualität zu haben, nie kann sie sich beim Liebesakt richtig fallen lassen, ständig denkt sie an andere Dinge. Tote Tierpfoten, ein Wettrennen mit Pauls Vater, total komisch. Bei gutem Sex, denkt man an gar nichts, außer an guten Sex....
    Sie erscheint mir iAllgemeinen nicht bei der Sache zu sein, in ihrer eigenen kleinen Traumwelt zu leben und wird in meinen Augen immer verachtenswürdiger.


    Mich würde interessieren, ob Paul bei diesen faden Sexspielchen wirklich Befriedigung findet. Er sagt zwar zwischendurch mal "Das auf der der Treppe, war das Geilste, was ich erlebte!" (oder so ähnlich) aber ob er wirklich Höhepunkte erlebt, bleibt dem Leser verschlossen. Er hört jedes Mal einfach irgendwie auf. Von einem Erguß, einem Höhepunkt, Orgasmus, einem letzten Aufbäumen oder wie man es auch immer nennen mag, ist nie die Rede, das verstört mich.

  • Seite 86: Auch wenn Luisa ihr für sie persönlich wertvolles Buch natürlich nicht verkaufen will:


    Die Antwort auf Pauls Frage zu dem Schätzwert von Else Lasker-Schülers handkolorierter Ausgabe von Theben hätte mich auch interessiert.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Seite 86: Auch wenn Luisa ihr für sie persönlich wertvolles Buch natürlich nicht verkaufen will:


    Die Antwort auf Pauls Frage zu dem Schätzwert von Else Lasker-Schülers handkolorierter Ausgabe von Theben hätte mich auch interessiert.


    Geduld ;-)


    Ich meine mich zu erinnern, dass dazu später im Buch noch etwas gesagt wird.

  • AUch dieser Abschnitt brachte mir die Protas nicht näher.
    MIr geht es ähnlich wie BJ. Luisa würde ich am liebsten mal kräftig schütteln damit sie aufwacht. Ständig die Arbeit zu schmeißen, wie lange kann das gutgehen? Ohne Job, angewiesen auf Vaters Geld wird das mit dem Ausziehen erst recht nix.
    Und ich glaube auch nicht, dass sie alleine zurecht kommt. Auch wenn sie immer auf den Vater schimpft. Trotzdem hat sie bei ihm ihr Zuhause.
    Sie und auch Paul scheinen wohl eher Einzelgänger zu sein. Es gibt wohl auf jeder Seite nur einen Freund/Freundin.
    Überhaupt erfährt man gar nicht viel von beiden. Abgesehen von den Erzählungen über Pauls Kindheit. Und das ist für mich fast zu klischeehaft. Schlechte Kindheit und damit lebt auch Paul nach diesem Muster.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Ich meine mich zu erinnern, dass dazu später im Buch noch etwas gesagt wird.


    Fein! Ich hoffe nur, dass sie die Bücher nicht noch aus Liebe zu Paul verkauft. Wäre schade drum!


    Zitat

    Original von Sabine_D
    Auch wenn sie immer auf den Vater schimpft. Trotzdem hat sie bei ihm ihr Zuhause.
    Sie und auch Paul scheinen wohl eher Einzelgänger zu sein. Es gibt wohl auf jeder Seite nur einen Freund/Freundin.


    Das Verhältnis zum Vater ist komplex. Einerseits verhält sie sich gezwungenermaßen aufgrund seiner betonten Überfürsorglichkeit wie ein Kind, andererseits ist er durchaus bereit, ihr bei Umzug und möglicher Ausbildung (sei es Studium oder anderes) zu unterstützen.


    Zitat

    Original von Sabine_D
    Sie und auch Paul scheinen wohl eher Einzelgänger zu sein. Es gibt wohl auf jeder Seite nur einen Freund/Freundin.


    Immerhin ist die Freundschaft mit Johanna langjährig und tief.
    Nachdem Luisa jedoch auf Seite 81 Dirk scharf angegangen hat (eine gute, intensive Dialogszene übrigens), vermute ich aber erst einmal auf eine länger andauernde Abkühlung zwischen den Freundinnen.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Nachdem Luisa jedoch auf Seite 81 Dirk scharf angegangen hat (eine gute, intensive Dialogszene übrigens), vermute ich aber erst einmal auf eine länger andauernde Abkühlung zwischen den Freundinnen.


    Echt? Ich fand den Dialog sehr aufgesetzt, so streitet sich doch niemand...
    Hab ich in dem Buch übrigens öfter, die Gespräche erscheinen mir künstlich. Ganz schlimm empfand ich das, als Lusia und Johanna im Podium sitzen und Paul dazu kommt, bzw. dann auch noch Wabe auftaucht. Da hab ich mich die ganze Zeit gefragt, ob ich einem Gespräch unter Teenies lausche, oder ob meine Gesprächsführung im realen Leben so unnormal ist.
    Ich fand es sehr verstörend, daß Paul eine Szene in der er sich mit seinem Vater prügelt, als Erheiterung von Johanna, die er ja nun kaum kennt erzählt.
    Sowas ist für mich nicht nachvollziehbar.
    Auch der Auspruch über Luisa "Mit dieser Dame hatte ich den besten Treppenfick!" zu Wabe, fand ich total komisch. Das sollte sich bei mir mal wer wagen, der würde erstmal quer durchs Lokal segeln. Unter sehr guten Freunden, kann man vielleicht so einen laxen Ton anschlagen, aber doch nicht vor Menschen, die man gerade erst kennenlernt.


    Während des Lesens begleitet mich unaufhörlich ein Kopfschütteln und das einzige, was mich weiterlesen läßt, ist, daß mir Luisa mittlerweile so unsympathisch ist, daß ich unbedingt hämisch grinsend sehen will, wie sie auf die Nase fliegt. Also eine kleine sadistische Neugier und Voyeurismus.


    Übrigens empfinde ich ihren Vater keineswegs als übervorsichtig oder sehr einengend und bemutternd.
    Im Gegenteil, meine Eltern hätten mir die Hölle heiß gemacht, wenn ich ohne mich auch nur zu entscheiden, wie meine Zukunft aussieht vor mich hin gelebt hätte (auf ihre Kosten) und mit nur einem Nebenjob, den ich auch noch ständig vernachlässige. Dafür, daß Luisa sich so albern verhält, finde ich das Gebaren ihres Vaters noch sehr human.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Ich fand es sehr verstörend, daß Paul eine Szene in der er sich mit seinem Vater prügelt, als Erheiterung von Johanna, die er ja nun kaum kennt erzählt.
    Sowas ist für mich nicht nachvollziehbar.
    Auch der Auspruch über Luisa "Mit dieser Dame hatte ich den besten Treppenfick!" zu Wabe, fand ich total komisch. Das sollte sich bei mir mal wer wagen, der würde erstmal quer durchs Lokal segeln. Unter sehr guten Freunden, kann man vielleicht so einen laxen Ton anschlagen, aber doch nicht vor Menschen, die man gerade erst kennenlernt.


    Das zeigt es aber grad auch, dass Paul gestört sein muss. Etwas in seinem Oberstübchen funktioniert nicht normal.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Übrigens empfinde ich ihren Vater keineswegs als übervorsichtig oder sehr einengend und bemutternd.
    Im Gegenteil, meine Eltern hätten mir die Hölle heiß gemacht, wenn ich ohne mich auch nur zu entscheiden, wie meine Zukunft aussieht vor mich hin gelebt hätte (auf ihre Kosten) und mit nur einem Nebenjob, den ich auch noch ständig vernachlässige. Dafür, daß Luisa sich so albern verhält, finde ich das Gebaren ihres Vaters noch sehr human.


    Ich hab mit dem Tag meines 18. Geburtstages keine Rechenschaft mehr abgelegt, wohin ich gehe, wann ich nachhause komme oder ob ich überhaupt nachhause komme. Ich finde das Verhalten von Luisas Vater in dieser Beziehung alles andere als normal. Er klammert. Vermutlich hat er Angst davor, Luisa auch noch zu verlieren. Was ihre Perspektivlosigkeit betrifft, da ist er in seinem Verhalten total nachlässig, da gebe ich Dir recht.
    Da zeigt sich aber auch, dass Luisa eine Störung hat. Lebe hier und jetzt, der Rest ist scheißegal. Vermutlich resultiert das aus dem frühen und schnellen Tod der Mutter.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Während des Lesens begleitet mich unaufhörlich ein Kopfschütteln und das einzige, was mich weiterlesen läßt, ist, daß mir Luisa mittlerweile so unsympathisch ist, daß ich unbedingt hämisch grinsend sehen will, wie sie auf die Nase fliegt. Also eine kleine sadistische Neugier und Voyeurismus.


    Das macht diesen Roman so besonders, finde ich. Es ist ein Roman, in dem es keinen Protagonisten gibt, mit dem man sich identifizieren kann. Finde ich sehr ungewöhnlich. Ich würde mal behaupten, 99 % der Romane haben wenigstens einen Prota, der dem Leser zusagt und ihn damit bei der Stange hält und dazu bringt, das Buch nicht abzubrechen.

  • Hm, ich finde nicht, daß er Rechenschaft verlangt, er ist halt nur unruhig, wenn sie nicht heim kommt. Was ich durchaus verständlich finde.
    Ich hab noch bis 19 zu Hause gewohnt, ich konnte hingehen wohin ich wollte, so lange ich wollte. Abmachung war, ich rufe an, wenn ich woanders übernachte und meine Mutter war immer noch wach und konnte erst schlafen, wenn sie mein Auto in der Einfahrt hört. Das war für mich keine Kontrolle, sondern das gute Gefühl, es bekommt wer mit, wenn mir was passieren sollte.
    Aber da ist jeder anders.


    In diesem Roman ticken alle nicht sauber, Johanna und Dirk genauso wenig, deren Beziehung ist ebenfalls auf dem Teenieniveau hängen geblieben. Wir haben ein Problem, dann trennen wir uns mal... ist ja einfacher, als darüber zu reden.


    Ne, ich werd mit dem Buch wirklich gar nicht warm, auch der Stil sagt mir je weiter ich komme immer weniger zu. :-(

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Ich hab mit dem Tag meines 18. Geburtstages keine Rechenschaft mehr abgelegt, wohin ich gehe, wann ich nachhause komme oder ob ich überhaupt nachhause komme. Ich finde das Verhalten von Luisas Vater in dieser Beziehung alles andere als normal.
    Er klammert. Vermutlich hat er Angst davor, Luisa auch noch zu verlieren. Was ihre Perspektivlosigkeit betrifft, da ist er in seinem Verhalten total nachlässig, da gebe ich Dir recht.
    Da zeigt sich aber auch, dass Luisa eine Störung hat. Lebe hier und jetzt, der Rest ist scheißegal. Vermutlich resultiert das aus dem frühen und schnellen Tod der Mutter.


    Da kann ich dir nicht rechtgeben. Er verhält sich völlig normal in meinen Augen. Meine Eltern hätten es auch nie geduldet, wenn ich - volljährig oder nicht - ohne Ansprache weg geblieben wäre. Und ich habe es ebenso gehalten. Das hat mit klammern nichts zu tun.

  • Trotzdem ist das Verhalten des Vaters nicht das allgemeiner Fürsorge- zumindestens nicht aus Luisas Sicht. Seine Flucht in die Trauer, aus der er nicht mehr herauskommt (wann habe ich ihn das letzte Mal mit Genuss essen gesehen) macht in Luisas Augen sein ganzes Verhalten ungesund. Eine väterliche Fürsorge geschieht auch aus Liebe und in seiner Trauer hat der Vater- so sieht es zumindest die Tochter- keinen Platz für Liebe zu ihr. Das mag der Vater völlig anders sehen, darauf kommt es aber nicht an, da die Prägung von Luisa aus ihrem Empfängerhorizont von Vaters Signalen geprägt wird.

  • Zitat

    Original von Sabine_D
    Da kann ich dir nicht rechtgeben. Er verhält sich völlig normal in meinen Augen. Meine Eltern hätten es auch nie geduldet, wenn ich - volljährig oder nicht - ohne Ansprache weg geblieben wäre. Und ich habe es ebenso gehalten. Das hat mit klammern nichts zu tun.


    Das empfindet offenbar jeder anders und jeder hier hat es wohl anders kennen gelernt. Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie mir meine Freiheiten gelassen haben. Wären sie so gewesen wie Luisas Väter, hätte mich das erstickt.


    Er fordert ja nicht nur Rechenschaft über das nächtliche Wegbleiben sondern auch über ihren Tagesablauf, mit wem sie sich trifft und wohin sie geht.


    Ich bin jedenfalls gespannt, ob der Vorstoß mit der eigenen Wohnung ernst gemeint ist von ihm.

  • Meinst du der Vater hat noch Interesse an irgegendetwas, ausser sich selbst und seiner Trauer? Wenn er seinen besten Freund wegen einer USA- Reise belügt, wenn er Luisa sagt ich bin für deine Termine nicht verantwortlich, wenn er sich nur in seine Trauer zurückzieht? Ich halte das eher für einen alten Kontrolreflex, der das tatsächliche Alter Luisas nicht berücksichtigen kann und will.

  • @ Beo dafür ist es mir nicht intensiv genug, wie so vieles in diesem Buch. Die Figuren empfinden bei Handlungen gewisse Dinge, die ich einfach nicht nachvollziehen kann, weil ich die Handlungen als total normal und keineswegs schlimm finde.
    Entweder hakt da was an meiner Einstellung oder aber an der Beschreibung der Handlungen....


  • Für mich ist das gegenseitige Rücksichtnahme wenn man dem Vater/Mitbewohner sagt wo man ist oder wann man ungefähr zurück ist. Wenn er nicht weiß wo sie ist und sich verständlicherweise Sorgen macht, könnte sie ihm mit einem Wort diese Sorgen abnehmen.
    Aber das sieht wohl tatsächlich jeder anders. Für mich hat das mit Einbuße der Freiheit nichts zu tun.