Das Gedächtnis des Wassers - Francois Gantheret

  • OT: Comme le murmure d'un ruisseau


    Kurzbeschreibung:
    Ein Dorf in den Savoyer Alpen. Dreißig Jahre nach dem gewaltsamen Tod seiner Jugendliebe Claire kehrt Paul in seinen Heimatort zurück. Überraschend trifft er auf die Konzertpianistin Béatrice, die Claire erstaunlich ähnlich sieht. Er spürt, dass nicht nur sein und ihr Leben, sondern das Schicksal des ganzen Dorfes von dem nicht aufgeklärten Tod Claires bestimmt wird. Ein bezwingender Roman über Liebe, Täuschung und die Macht der Erinnerung.


    Über den Autor:
    Francois Gantheret ist ein in Frankreich hochgeschätzter Psychoanalytiker und Schriftsteller. Er hat bei Editions Gallimard mehrere Essaybände und drei Romane veröffentlicht. Für seinen ersten Roman "Verlorene Körper" wurde er mit dem "Prix Ulysse" ausgezeichnet.


    Meine Rezension:
    Wahrscheinlich tue ich Gantheret Unrecht, aber sein "Gedächtnis des Wassers" erinnerte mich sofort an Andrea Maria Schenkels "Tannöd" - wenn auch beide keinen unterschiedlicheren Stil haben können. Rein thematisch ähneln sich die beiden Geschichten schon etwas, das wäre zum einen das Setting (irgendwo in den Bergen), zum anderen die Figuren (von skurril über verbittert bis zurückgeblieben) und dann die Handlung selbst (in beiden Geschichten spielt ein Mord eine zentrale Rolle). Soweit die Ähnlichkeiten, doch der wohl auffälligste Unterschied ist die Sprache, mit der beide Autoren erzählen. Während "Tannöd" in nüchternem Ton erzählt, verliert sich Gantheret in einer wunderbar ausdrucksstarken, poetischen Sprache, die den Leser wie in einen Sog in die Ereignisse hineinzieht, denen man sich kaum entziehen kann. Gantheret fängt die Stimmung so realistisch und so intensiv ein, dass man keinen Moment daran zweifelt, das Gurgeln des Baches zu hören und die Fichten zu riechen. Mit nur wenigen, aber eben exakt den richtigen Worten erzählt er die Geschichte einer Jugendliebe, eines grausamen Verbrechens und die Folgen, mit denen die Menschen leben müssen. Zeitsprünge in Form von Erinnerungen sind perfekt in die Handlung der Gegenwart eingebettet, so dass der Leser ihnen mühelos folgen kann. Einziger Wermutstropfen: Das Ende oder die entscheidende Szene musste ich mehrmals lesen, bis ich glaubte, sie verstanden zu haben. Vielleicht habe ich das aber auch gar nicht, sondern falsch interpretiert. Von dieser Unsicherheit und dem leisen Eindruck, dass Menschen in den Bergen irgendwie seltsam sind, der hier - wenn man böse will - vermittelt wird, abgesehen, ein unglaublich dichtes Leseerlebnis, das in nur 179 Seiten die ganze Palette von Emotionen bereithält und den Leser mit einem Kloß im Hals zurücklasst.


    8 Punkte! :wave

  • Ich habe das Buch von einer Bekannten empfohlen bekommen, die auch die wunderschöne Sprache des Autors lobte.


    Zu Beginn des Buchs war ich auch noch sehr begeistert, doch je weiter ich kam, umso mühsamer fiel mir das Lesen.


    Ständig springt der Autor von Person zu Person, teilweise so, dass man zunächst nicht weiß, wer hier nun gerade wieder berichtet.


    Das Ende hat mich auch im Unklaren gelassen, was nun wirklich damals passiert ist. Zufrieden war ich zumindest nicht, als ich das Buch dann beendet hatte.


    Die wenigen Seiten haben sich bei mir sehr lang gezogen, das Buch konnte mich nicht wirklich fesseln und die schöne Sprache habe ich später kaum noch würdigen können.


    Für mich war das leider kein Lesevergnügen.

  • Das Gedächtnis des Wassers - François Gantheret


    Aus dem Französischen übersetzt von Dirk Hemjeoltmanns


    Meine Meinung:
    Diese kleine Perle von Buch, die ich vom Büchereulentreffen-Büchertisch erbeutet hatte, habe ich schnell durchgelesen. Vielleicht zu schnell, denn die Atmosphäre entfaltet sich langsam, aber zunehmend immer dichter. Die Sprache wirkt ebenso fragil wie schön. Das sollte man genießen.
    Allerdings ist die Atmosphäre für die Figuren des Romans auch belastet. Der Verlust seiner Freundin vor 30 Jahren ist für den Protagonisten nach seiner Wiederkehr in die alte Heimat plötzlich wieder voll spürbar. Auch im Dorf ist der Mord noch im Bewusstsein. Das gilt sogar für die kleine Schwester der Toten, die erst nach dem Mord geboren wurde. Der Autor arbeitet gezielt mit der Psychologie seiner Figuren und baut eine geschickte Figurenkonstellation auf. Außerdem integriert er die Landschaft und Dorfmentalität in die Atmosphäre. Die eigentliche Handlung war für mein persönliches Empfinden nicht sehr originell, vielleicht waren aber auch nur meine Erwartungen zu hoch. Obwohl in der Gesamtheit einiges an mir vorbeiging, halte ich das Buch dennoch für ziemlich interessant!

  • Francois Gantheret: Das Gedächtnis des Wassers
    dtv Verlag 2012. 179 Seiten
    ISBN-13: 978-3423141154, 9,90 €
    Originaltitel: Comme le murmure d’un ruisseau
    Übersetzt von: Dirk Hemjeoltmanns


    Klappentext:


    Ein Dorf in den Savoyer Alpen. Dreißig Jahre nach dem gewaltsamen Tod seiner Jugendliebe Claire kehrt Paul in seinen Heimatort zurück. Überraschend trifft er auf die Konzertpianistin Béatrice, die Claire erstaunlich ähnlich sieht. Er spürt, dass nicht nur sein und ihr Leben, sondern das Schicksal des ganzen Dorfes von dem nicht aufgeklärten Tod Claires bestimmt wird.


    Ein bezwingender Roman über Liebe, Täuschung, die Macht der Verdrängung sowie die Macht der Erinnerung.


    Zum Autor:


    François Gantheret ist ein in Frankreich hochgeschätzter Psychoanalytiker und war Professor für Psychopathologie an der Universität Paris VII. Er hat bei Éditions Gallimard bislang mehrere Essaybände und Romane veröffentlicht. Sein erster Roman ›Verlorene Körper‹ (fr. ›Les corps perdus‹) wurde 2004 mit dem Prix Ulysse und 2005 mit dem Prix Cinélect ausgezeichnet. Sein Roman ›Das Gedächtnis des Wassers‹ (fr. ›Comme le murmure d'un ruisseau‹) erhielt 2007 den Prix littéraire Rosine Perrier. Er ist zudem Autor einer Cézanne-Biografie. Er lebt in Paris.


    Meine Meinung:


    Das alles durchdringende Gefühl dieses Romans ist die Einsamkeit, das Sehnen nach etwas, das unerreichbar scheint. Es werden dem Leser zwei Handlungsstränge geboten. Zum einen ist das der ungeklärte Mord an Claire. Dieser Strang schreitet kontinuierlich fort und klärt sich zum Ende hin auf.


    Der andere Handlungsstrang verläuft nicht linear. Es ist ein verschlungener Pfad mit arabesken Ausbuchtungen. Er ist angefüllt mit den Emotionen der Figuren und bildet ein kaleidoskopartiges Bild menschlicher Leidensfähigkeit. Es geht um Schuld, Sühne, Verzweiflung, Sinnsuche, füllen einer inneren Leere, Inzest, aber auch um die Liebe, Zärtlichkeit, Verantwortung und das Loslassen.


    Kraftvolle, intensive Naturbeschreibungen geben den oft flirrenden, luftigen Gedanken eine solide Grundlage, bilden ein urtümliches Pendant.


    Sprachlich sticht der Roman aus der Masse hervor. Der Stil ist maskulin und zugleich mondän, verspielt und direkt. Es ist eine sonderbare Mischung, die für mich zunächst gewöhnungsbedürftig war, die dem Gesamtkunstwerk jedoch entspricht und ich somit als stimmig empfand.


    Angemerkt sei auch der Umstand, dass der Autor für die direkte Rede Bindestriche verwendet und nicht wie meist üblich Anführungszeichen.
    Der Roman hat mich unterhalten und er hat mich berührt.


    Ich gebe 8 von 10 Punkten.

  • Ich hatte den Eindruck, dass es dem Autor "nur" um die perfekte Sprache geht und die Atmo. Beides ist ihm sehr gut geglückt, wie ich finde. M. E. ist das Buch fast ein Lehrstück für unverschnörkelte Sprache. Mit Sicherheit nicht jedermanns/fraus Sache. Der Krimistrang hingegen hat einen guten Anfang und einen einigermaßen geglückten Mittelteil, doch spätestens am Ende war mir klar, dass "Krimi" nicht des Autors Intention war. Darf ich vermuten, dass der Verlag dieses Genre gerne drinnenhaben wollte? :grin
    Als ich dann auch noch den Gantharet "Die Ordnung der verborgenen Dinge" las, der an einigen Orten als "Thriller" verkauft wird, war mir klar, dass ich nicht ganz falsch liegen kann. Grund: Im zweiten Buch passiert nix. Rein gar nix. TolleSprache, viel Autorenego - wie auch im Gedächtnis des Wassers -, aber sonst: nix.
    Ergo: Wer einen sprachlich brillanten Roman erwartet, sollte wenigstens "Das Gedächtnis des Wassers" gelesen haben. Wer Krimi oder Thriller erwartet: Hände weg.
    Viele Grüße anja