Wintereis - Peter van Gestel

  • Zum Inhalt (Amazon):


    » Ich möchte meine Geschichte erzählen - die Geschichte von Zwaan und mir und von Bet und mir und von der Kälte und dem Wintereis in Amsterdam und vom Tauwetter, das allem ein Ende machte. Wie fängt man eine Geschichte an? Ich fange einfach mal mit etwas an «
    Februar, 1947. In Amsterdam herrscht großer Frost, die Grachten sind zugefroren. Der 12-jährige Thomas lernt den gleichaltrigen Zwaan und dessen schöne Kusine Bet kennen. Vielleicht bleibt es ewig Winter, sagt Zwaan. Aber es könnte auch jeden Tag tauen. Dasselbe gilt, so kurz nach Kriegsende, auch für die Gefühle. Jeder der drei vermisst jemanden; die Mutter, den Vater und Zwaan sogar beide Eltern, die nicht aus dem Osten zurückkamen.Thomas verliebt sich in die zwei Jahre ältere Bet. Und Zwaan vertraut ihm an, dass er Jude ist und während der deutschen Besatzung in einem Versteck gelebt hat. Und so helfen sich die drei Freunde gegenseitig, das »Wintereis« zum Tauen zu bringen. Eine Geschichte, die von schwierigen Zeiten erzählt, von Kindern, die gelernt haben, niemals ihre Gefühle zu zeigen, und die doch so voller Kraft und Hoffnung sind, wie es nur Kinder vermögen.


    Zum Autor (Klappentext):


    Peter van Gestel, geb. 1937 in Amsterdam, arbeitet als Autor und Dramaturg für Rundfunk und Fernsehen und schreibt seit Ende der 70-er Jahre Romane für Kinder. Er lebt in Amsterdam.


    Meine Meinung:


    Ich bin eher durch Zufall bei Amazon über dieses Buch gestolpert und mir gefiel die Geschichte. Man merkt beim Lesen sehr, dass es ein Kinderbuch ist. Es ist einfach geschrieben, was aber meiner Begeisterung für die Geschichte und für das Buch keinen Abbruch tut.
    Die Geschichte und die Figuren sind von Anfang bis Ende stimmig. Man erfährt einiges über die Nachkriegszeit in den Niederlanden, ohne davon überwältigt zu werden und alle Figuren sind selbst in ihrer vielleicht teilweisen Schrulligkeit charmant.


    Die Übersetzerin Mirjam Pressler hat ein schönes Nachwort zu dem Buch geschrieben, aus dem ich einige Passagen klauen möchte, weil ich es eh nicht besser sagen könnte:


    "Thomas, der Ich-Erzähler, ist...geistreich, schlagfertig, nachdenklich, anrührend und mit einer großen Ausdrucksfähigkeit, auch wenn er sich nicht immer sehr vornehm ausdrückt".


    Gerade diese Ausdrucksfähigkeit an Thomas mochte ich sehr, manchmal war sie richtiggehend lustig, aber nie so, dass man sich dachte, so redet oder denkt doch kein Zwölfjähriger.


    Weiter Mirjam Pressler:


    "Van Gestel gelingt es, durch sparsame und beiläufige Informationen vom Schicksal der niederländischen Juden zu erzählen... Auf die Kernfrage, warum den Juden das alles geschehen ist, erklärt zum Beispiel der frühreife Zwaan: "Sie sind ermordet worden, wiel sie mehr als zwei jüdische Großeltern hatten." Und seine Erklärung für den Hass eines unangenehmen Jungen aus ihrer Klasse ist: "Er hat, glaube ich, mehr als zwei Großeltern, die Juden hassen."
    In den Dialogen liegt van Gestels ganzes Können als Erzähler. Sie sind lebendig und genau formuliert, manchmal heiter, aber oft auch widerborstig und etwas schräg, wie eben schwierige Gespräche sein können..."


    Ein großartiges Jugendbuch, volle Punktzahl.


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  • Das Buch ist wirklich toll - deshalb hier auch meine Rezension:


    Amsterdam kurz nach dem 2. Weltkrieg: Thomas’ Vater nimmt eine Stelle als Kontrolleur für Briefpost in Deutschland an. So bleibt Thomas allein bei seiner Tante zurück. Die angespannte Stimmung ist während der Lektüre des Buches nahezu körperlich spürbar. In der Schule lernt Thomas Zwaan kennen, einen jüdischen Jungen, dessen Eltern im Krieg gestorben sind. Schon bald entwickelt sich ein zartes Freundschaftsband zwischen den beiden und schließlich zieht Thomas sogar bei Zwaan, dessen Cousine und deren ständig kranker Mutter ein.


    "Wintereis" ist ein ganz besonderes Buch – das bemerkt man schon auf den ersten Seiten. Es umfängt den Leser und lässt ihn mit der Geschichte hinweg treiben. Thomas ist eine wunderbare Hauptfigur – mit seiner Schlagfertigkeit, Offenheit und jungenhaften Schlitzohrigkeit bringt er die nötige Ausgelassenheit in die doch recht ernsthafte Geschichte. Er schafft es, die eisige Schicht aus Sorgen und Ängsten anzutauen und immer mehr zum schmelzen zu bringen.


    Vom Schrecken des kürzlich Erlebten eingenommen, befinden sich viele der Figuren auf einem langen und schweren Weg hin zur Besserung - bewegen sich wie auf einer brüchigen Eisschicht. Doch so tiefe Freundschaften wie zwischen Zwaan und Thomas bringen Hoffnung in den grauen Alltag. Ein positiver Blick in die Zukunft wird ermöglicht.


    Poetisch und mit viel Sensibilität nimmt sich Peter van Gestel diesem emotionalen Thema an und schafft es dieses jugendgerecht zu verpacken. Vieles wird bei "Wintereis" auch übers Schweigen transportiert – in diesen Momenten könnte das Buch mit Worten nicht ausdrucksstärker sein. Der Wechsel zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit gelingt dem Autor auf grandiose Art und Weise! Zu Recht ist dieses Buch für den Jugendliteraturpreis 2009 nominiert. Es lässt die Barrieren des Lesers schmelzen und berührt ihn im Innersten.