Der gestohlene Abend - Wolfram Fleischhauer

  • Erschienen 10/2008
    364 Seiten
    ISBN-10: 3492048471
    ISBN-13: 9783492048477

    Kurzbeschreibung:


    Der Pool des Colleges lag im hellen Licht des frühen Morgens. Noch waren sie die Einzigen. Matthias stand bis zur Brust im Wasser und umfasste Janines Taille. Ihr Badeanzug streifte seinen Oberschenkel, als er ihr erklärte, wie man eine Rollwende macht. Natürlich durfte er sich keinen Illusionen hingeben, Janine war mit David zusammen. Eigentlich hatte Matthias sich an der renommierten Hillcrest-Universität eingeschrieben, um etwas über Literatur zu erfahren, um die neuen spektakulären Thesen Professor de Vanders kennenzulernen. Während Matthias noch mit seiner Situation hadert, ist es ausgerechnet David, sein großer Rivale, der ihm die Augen öffnet über die erschütternde Wahrheit hinter de Vanders Thesen.


    Über den Autor:


    Wolfram Fleischhauer, geboren 1961 in Karlsruhe, studierte Literatur in Deutschland, Frankreich, Spanien und an der University of California Irvine. Für seine Tätigkeit als Konferenzdolmetscher pendelt er zwischen Brüssel und Berlin. Wolfram Fleischhauer, der zuletzt den Roman »Schule der Lügen« veröffentlichte, gehört zu den wenigen deutschen Autoren, die als Erzähler auch internationales Ansehen genießen.


    Zu dem Buch gab es eine Leserunde


    Meine Meinung:


    Da erzählt ein Mann eine Geschichte in der er gedrängt wird eine Geschichte zu erzählen die sein Berufs- und Liebesleben massiv beeinflusst hat, das von einer Geschichte geprägt wurde, die zwischen seiner großen Liebe Janine und deren Ex- Freund David ablief, deren Beziehung getroffen wurde von einer Geschichte in der David Entdeckungen machte die seine Beziehungen zu seiner Professorin betrübten, diese Beziehungen, die wieder von der Verehrung der Literaturtheorie eines verstorbenen belgischen Literaturpilosophen getragen wurden, dessen Leben wiederum von einer Geschichte…nein, da sind wir dann der Zwiebels Kern zu nah, um fortzufahren
    .
    Beim Lesen dieses Buches wird der Leser mit dem Häuten der Zwiebel, mit der Geschichte hinter der Geschichte in der Geschichte beschäftigt und letztlich geht es dann noch um Geschichte und Umgang mit Geschichte. Wenn man dann noch weiß, dass das Ganze wahre Ereignisse nur wenig verfremdet, wenn man Spekulationen über die Tätigkeit des Autors laut Klappentext und die des Protagonisten am Ende der Geschichten abgeschlossen hat, dann hat der Leser schon wieder eine weiter Zwiebelschicht gesponnen.


    Es sind „nur“ dreihundertvierundsechzig Seiten, aber sehr vielschichtige Erzählstränge. Alle notwendigen Zutaten eines guten Romans sind enthalten, wenn alle Zwiebelschichten entblättert sind schließt der Leser das Buch mit der Gewissheit ein Buch gelesen zu haben, das noch eine zeitlang nachklingen und eine erhebliche Zeit nachwirken dürfte.


    Wolfram Fleischhauer entwickelt sich zum Spezialisten der fehlenden Genreschublade- ein Spannungsroman, ein Collegeroman, eine Liebesromanze, eine Auseinandersetzung über den Literaturbetrieb, ein Enthüllungsbuch- wen störts? Das Buch gehört in der Buchhandlung eh auf einen Sondertisch im Bücherstapel für die besonderen Empfehlungen- da liegt es garantiert nicht verkehrt.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Ich kann deiner Rezi nicht viel hinzufügen beowulf, du hast ds Buch sehr treffend dargestellt.
    Ich kann nur noch sagen das mir dieses Buch gefallen hat, es war so ganz anders im Vergleich zu meinem sonstigen Lesestoff.
    Sehr geschätzt habe ich die kurzen Kapitel welche mir einen guten Lesefluss ermöglichten (ohne den Faden zu verlieren ;-)), mir aber auch die Chance gaben das Buch mal auf die Seite zu legen um es "sacken" zu lassen.

  • Meine Rezension:


    Mit seinem neuen Roman hat Wolfram Fleischhauer mal wieder eine außergewöhnliche Geschichte vorgelegt, an der bemerkenswert ist, dass sie in keine Schublade passt. Eng an tatsächliche Ereignisse und autobiographische Erlebnisse während eines USA-Aufenthalts an einer Universität angelehnt, entführt Fleischhauer den Leser mitten hinein ins amerikanische Campusleben und die Theorien der Literaturwissenschaft. Auch der auf diesem Gebiet unwissende Leser wird sofort hineingezogen in die Geschichte, deren Spannung mit jeder Seite steigt. Diese Spannung wird aus mehreren Handlungs- und Erzählebenen gezogen, die nicht nur die Erlebnisse des Studenten Matthias schildern, sondern auch literaturtheorische Diskussionen betreffen. "Der gestohlene Abend" ist ein tiefgründiger und anspruchsvoller Universitätsroman abseits des Mainstreams, der die Neugier des Lesers weckt, sich intensiver mit der Materie auseinanderzusetzen und dazu anregt, über die Gepflogenheiten im Wissenschaftsbetrieb ebenso nachzudenken wie über den Zusammenhang (oder Widerspruch?) von Wissen und Gewissen.


    Dafür gibt es von mir 8 Punkte! :-]


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    Beo, verlinkst du in deinem Beitrag noch die Leserunde? :-)

  • Es ist ein Collegeroman, ein Roman über Literaturtheorien, ein Liebesroman, ein Kriminalroman und vieles mehr.


    Matthias, der ein Jahr als Gaststudent an die Hillcrest Universität kommt, wird in einen Strudel von Ereignissen gezogen, die sich um die aufrührenden Literaturtheorien von Jacques de Vander drehen.
    Die Turbulenzen haben auch hochschulpolitische Dimensionen.


    Fleischhauer erzählt niveauvoll und flüssig. Auch ohne literaturwissenschaftliche Kenntnisse ist das Buch höchst spannend und interessant und hinterlässt beim Leser einen bleibenden Eindruck.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Das Buch hat mich sehr positiv überrascht. Das Cover mit dem romantisch verschnörkeltem Feuer und die Ankündigung im Klappentext, dass es um Liebe geht, haben mich zunächst befürchten lassen, dass es sich um einen dieser kitschigen Romane handeln würde. Zum Glück war das weit gefehlt. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Die literaturtheoretischen Diskussionen, den Schauplatz eines US-amerikanischen Colleges, die Geschichte selbst sowie die flüssige und gute Erzählweise, all das fand ich sehr gelungen.


    Die Diskussion bzw. Problematisierung von fehlenden Genreschubladen für diesen Roman habe ich nicht verstanden. Vielleicht muss man dafür ja mehrere Romane von Fleischhauer gelesen haben. (?) Dies war mein erstes Buch von ihm und ich würde mich gerne an einem weiteren versuchen. Ich habe gesehen, dass er auch Fantasyromane geschrieben hat, aber damit kann ich mich nicht anfreunden. Aber ich hoffe, dass er noch weitere belletristische Bücher geschrieben hat.

  • Ich kann mich den positiven Stimmen nur anschließen. Der gestohlene Abend ist ein unbeschreibliches Leseerlebnis. Einé Geschichte, die gerade durch ihre Vielseitigkeit und ihren schnellen Erzählton, trotz mancher komplexer Themen, besticht. Man begleitet Matthias auf seinem Weg auf der Hillcrest Universität, besucht interessante Seminare mit ihm und lernt ein unbekanntes Feld rund um Literaturwissenschaft kennen. Ich will mehr davon. 10 Punkte!

  • Ich muss gestehen, das Buch war nicht, was ich erwartet hatte. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte... mehr Massenware vermutlich. Um so (positiver) überrascht hat mich "Der gestohlene Abend"... einem eindeutigen Genre ist der Roman sicher nicht zuzuordnen. Ja, Collegeroman, Roman über den wissenschaftlichen Literaturbetrieb, ein bisschen Liebesroman. Aber auf alle Fälle schlüssig in sich, und wahnsinnig interessant, wenn man sich für Literatur interessiert.
    Nicht jede These habe ich verstanden, aber ich fand alles interessant. Definitiv ein Buch, was erstens zum Nachdenken anregt und welches man zweitens unbedingt ein zweites Mal lesen kann.


    Von mir 9 von 10 Punkte.

  • Wenn ich ehrlich bin, hab ich mehr erwartet.
    In Fleischhauers Romanen geht es immer um Figuren, die in eine unerwartete Welt hineingestossen werden, und dann dem Geheimnis auf die Spur kommen. Meist spielt dann eine Frau und somit Liebe eine Rolle. Ein Schema ist zu erkennen.


    Ich lese gerne Romane, die im Collegemilieu spielen, egal in welchem Teil der Welt. Deswegen hab ich auch diesen Roman gerne gelesen. Er ist kurzweilig. Leider reisst er die meisten Themen nur an. Das mir die Denkweise der handelnden Protagonisten völlig abgeht, ist nicht Fleischhauers Schuld. Gerade deswegen lese ich ja so gerne diese Romane. Aber ein bißchen mehr nahebringen können hätte er es mir schon.
    Denn leider lies mich alles kalt. Der Hauptaktuer Matthias bleibt blass. Er wirkt wie ein Nerd, ein Mauerblümchen. Janine, Objekt der Begierde, handelt für mich unverständlich, denn sie geht der das ganze Buch lang Gespächen mit Matthias aus dem Weg. Und David, die einzig interessante Figur des Buches, kommt kaum zu Wort.


    Die ganze Thematik dieser ach so brisanten literarischen Idee bleibt im Dunklen. Sie dienst mehr als Trittbrett für eine Liebesgeschichte. Ich las erst vor kurzem "Die Schule der Lügen", und mich beschleicht der Gedanke, das der Autor historische Gegebenheiten und Plätze nur dazu benutzt, eine unglückliche Liebesgeschichte und die Auswirkungen auf das private Leben des Leidtragenden zu erzählen. Gut verpackte Nichtigkeit sozusagen. Das eigendlich Interessante ist nur Rahmenhandlung für die inneren Probleme.
    Dort liegt das Hauptaugenmerk der Autors. Und das ist nicht mein Ding.


    Insgesamt bin ich nun zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit von einem Roman von Fleischhauer enttäuscht. Das wird mich bei einem neuen Werk zögern lassen.
    Trotzdem laß ich den Roman zügig und interessiert, immer hoffend, das er mir "mehr" gibt. Er ist gefällig. Aber letztendlich wieder nur eine unglückliche Liebesgeschichte in einer vordergründig tiefschürfenden und ungewöhnlichen Gegebenheit, die dann leider nur Staffage bleibt.

  • Ich hab das Buch innerhalb von zwei Tagen veschlungen.
    Es war sehr packend und spannend. Das Buch ist ein unglaubliches Lesevergnügen mit einer tiefgründigen Handlung und mehr als interessanten
    Charakteren.
    Auch wenn ich an manchen Stellen ein wenig von der Komplexität
    der ganzen Geschichte überrumpelt wurde, ist es alles in allem ein wunderbares Buch :-]

    :lesend
    Rachel Aaron - The Spirit Rebellion
    Patrick Rothfuss - Der Name des Windes
    Stefan Zweig - Sternstunden der Menschheit

  • Endlich einmal unterschiedliche Meinungen zu einem Buch. Das haben wir in den Rezi-Freds leider ja nun nicht inflationsmässig. Gerade diese unterschiedlichen Ansichten machen natürlich neugierig.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Nachdem ich „Das Buch, in dem die Welt verschwand“ als ziemlichen Reinfall empfunden habe, gab ich Fleischhauer mit diesem Buch nochmal eine Chance.
    Dabei interessierte mich weder der Schauplatz, eine amerikanische Eliteuni in den 80er Jahren, noch der „Rote Faden“, die Literatur der Romantik, sonderlich. Dementsprechend schwierig fand ich den Einstieg, zu uninteressant erschien mir das Milieu, zu langatmig die Diskussionen über Kleist. Aber dennoch, als ich erst mal drin war in diesem akademischen Paralleluniversum, gab es kein Halten mehr. Zwar neigt Fleischhauer auch in diesem Buch zum Dozieren, im Großen und Ganzen aber waren die literarischen Ausführungen gut und logisch in die Geschichte eingebunden. Im Gegensatz zum „Buch, in dem die Welt verschwand“ habe ich auch verstanden, um was es geht, was er mit seinen Ausführungen bezwecken will. Und das bei jemandem wie mir, für den „Text“ eine Ansammlung von Worten ist, die irgendeine Information übermitteln soll.
    Das Schönste:„Der Himmel über Berlin“ als Edelkitsch zu bezeichnen! Nach diesem Wort suche ich seit 20 Jahren!

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Oh, das Buch hab ich mir vor kurzem als TB gekauft, liegt aber noch auf dem SUB. Die unterschiedlichen Meinungen machen mich ja jetzt total neugierig... Mal sehen, wie es mir gefällt.
    Ich hab bisher nur "Drei Minuten mit der Wirklichkeit" von Fleischhauer gelesen und das fand ich grandios.

  • Mir geht's wie Darcy. :wave
    Daher hab ich irgendwie auch nichts mehr zu sagen, trotzdem bin ich grad hier.
    Abgesehen von den ersten Seiten - yoah da bekomm ich ja Ekel vorm Schwimmbad - gefiel mir der Anfang doch schon, aber dann liest man und liest man und ?(
    Kleist heranziehen zu müssen um auf den Punkt zu kommen, find ich persönlich etwas ätzend, aber wem es gefällt :rolleyes
    Aber mir gefielen die Szenen mit den Studis und ihrem Geratsche über Theorien und Herangehensweisen, so etwas habe ich selbst nie auf dem Campus erlebt, erinnerte mich aber an meine jugendlichen öhm Phantasien :lache

  • Auch ich bin ein wenig zwiegespalten, was dieses Buch angeht.


    Einerseits hat mir der Anfang bis etwas über die Hälfte hinaus sehr gut gefallen. Ich war sofort gefangen von der beschriebenen Atmosphäre, wenn auch teilweise ein wenig düster und freute mich dauernd darauf, weiterlesen zu können.


    Leider hat diese Neugierde im weiteren Verlauf des Buches ziemlich nachgelassen. Mir war es dann insgesamt zuviel der Liebesgeschichte, zu langatmig und die Angebetete hat mich absolut nicht interessiert. Sie blieb für mich total blass und konnte nicht die Rolle spielen, die ihr zugedacht war.
    Zudem fand ich das Ende und die Auflösung einfach nur trivial, wenn ich bedenke, wieviel Spannung vorher aufgebaut wurde. Ich habe bis zuletzt irgendwie noch gedacht, der große Hammer oder Knaller kommt bestimmt noch. Aber leider habe ich da umsonst gehofft.


    Insgesamt eine gemischte Bewertung.
    Schreibstil, Thema und heraufbeschworene Atmosphäre an sich fand ich sehr gelungen - die langatmigen Liebesgeschichte-Passagen und das langweilige Ende eher nicht.
    Bekommt von mir 6 Punkte.

    Viele Grüße
    Shirat


    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere. (Groucho Marx)

  • Es geht weniger um Literatur als es zunächst den Anschein hat. Das zentrale Thema ist die Philosophie und im Mittelpunkt steht die Ethik. Denn irgendwann muss jeder den Punkt erreichen, an dem er die nächstliegende Relativierung unterbindet und eine Position einnimmt - schleudert Matthew der schönen Janine entgegen.


    Genau darum geht es. Man kann den Seelenverkauf Heideggers und Benns als Jugendsünde relativieren. Bis zu einem gewissen Maß nehmen wir es auch hin. Wer ehrlich ist und seine Position gefunden hat, wird meinen, dass genau diese Geisteshaltung Menschen in die Gaskammern geführt hat.


    Die Grundidee ist nicht besonders originell. Dafür sind die Dialoge für Philosophiebegeisterte hochinteressant. Die Figuren bleiben manchmal eine Spur zu blass und die Motive der Pro-/Antagonisten sind nicht immer nachzuvollziehen.


    Etwas mehr Spannung hätte der story auch gutgetan. Mit ein wenig Sorgfalt hätte der Autor mehr daraus machen können, denn das kann er bestimmt, wie er in Ansätzen zeigt.


    Dennoch ist es ein Buch, das nachwirkt: 6-7 Punkte