Erzählung
Verlag: Rowohlt, 108 Seiten
1997
Kurzbeschreibung:
Fontanes Ballade hat das Dorf Ribbeck, vierzig Kilometer von Berlin gelegen, berühmt gemacht. Nach Öffnung der Mauer kommen Westberliner nach Ribbeck, um einen Birnbaum zu pflanzen und mit den Ribbeckern die neue deutsche Einheit zu feiern. Sie pflanzen den Baum wie eine Standarte in besetztes Gebiet neben das Schloß, und sie fragen nicht nach der Vergangenheit. Auf dem Volksfest, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr stattfand, mit Erbsensuppe, Freibier und Birnenschnaps aus dem Westen, verschafft sich ein Ribbecker Bauer Gehör.
Über den Autor:
Friedrich Christian Delius, geboren am 13. Februar 1943 in Rom, in Hessen aufgewachsen, lebt heute in Berlin und Rom. Mit zeitkritischen Romanen und Erzählungen wie der Trilogie „Deutscher Herbst“ (rororo 22163) und „Die Birnen von Ribbeck“ (rororo 13251), aber auch als Lyriker wurde Delius zu einem der wichtigsten deutschen Gegenwartsautoren. Zu seinen bekanntesten Werken gehören unter anderem: „Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde“ (rororo 23659), „Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus“ (rororo 22278), „Die Flatterzunge“ (rororo 22887), „Der Königsmacher“ (rororo 23350) sowie „Mein Jahr als Mörder“ (rororo 23932) und „Bildnis der Mutter als junge Frau“ (rororo 24344). Bereits vielfach ausgezeichnet, erhielt Delius zuletzt den Walter-Hasenclever-Literaturpreis, den Fontane-Preis und den Joseph-Breitbach-Preis.
Autorenhomepage: http://www.fcdelius.de/
Meine Meinung:
Dem Text von F.C.Delius ist das berühmte Gedicht Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland vorgestellt, dass einfach wunderbar ist.
Umso mehr wirkt es wie ein Bruch als die Erzählung von Delius beginnt. Einige Westdeutsche kommen nach der Wiedervereinigung in den Osten in das Dorf Ribbeck, das durch Fontanes Gedicht bekannt ist. Bei Schnaps und Bier erzählt ein einheimischer Bauer den Wessis seine Sicht auf die Ribbecks: Auf jeden milden kam ein strenger Ribbeck mit zu viel Einfluss auf Leibeigene oder Abhängige.
Zitat: „aber wer die Mütze nicht zog vor Ribbeck, hatte zu lachen nichts und wurde entlassen und nichts zu essen und Löcher in den Strümpfen ...“
Notgedrungen arrangierte sich Ribbeck während des Krieges mit den Nazis, doch 1944 wurde er dann doch verhaftet und ermordet. Der letzte Ribbeck-Sohn floh nach dem Krieg in den Westen.
Jetzt nach dem Fall der Mauer kommt der Enkel des letzten Ribbeck wieder.
Auf diese Art und Weise durchstreift der Autor auf geringen Raum ein beträchtliches Stück Zeitgeschichte.
Die Gegensätze Ost und West kurz nach der Wiedervereinigung findet man in dieser Erzählung glaubhaft wieder, doch vor allen werde die Gefühle der Ostdeutschen widergespiegelt, die mit der ersehnten neuen Situation auch erst einmal klarkommen müssen, als z.B. bekannt wird wer und wer nicht die Berichte an die Stasi weitergab. Fünfzehn Spitzel auf Fünfhundert Einwohner.
Auch sind nicht alle Neuerungen aus dem Westen so segensreich, wie erwartet.
Die Erzählmethodik des Monologs finde ich bei dieser Länge von nur 108 Seiten erfrischend, auch wenn man sich auf den Stil einlassen muss. Es sind viele originelle Textstellen enthalten, die beim Lesen aufgrund ihres Wortwitzes überraschen.
Der klagende Ton des Erzählers verlangt dem Leser Geduld ab, aber ich gebe ihm Recht, wenn er sagt:
„Musst mir ja nicht zuhören, wenn du das nur für Gejammer hältst, ein Bauer, der nicht stöhnt, ist ein schlechter Bauer.“ (S.91)