Engel haben keinen Hunger (Brigitte Biermann)

  • 272 Seiten
    Rezi extra für Gummibärchen ;-)


    Ich muss vorweg nehmen, dass ich selbst einmal eine Essstörung hatte - es kann also sein, dass gewisse Sachen auf mich anders gewirkt haben als sie es getan hätten, wäre ich unbetroffen gewesen.


    Inhalt:


    Katrin ist verhungert. Sie ist in ihrem Bett gestorben. Auf dem Nachtisch liegen Süßigkeiten; Tüten und Kartons mit Schleckereien stapeln sich im Jungmädchenzimmer. Eltern und Schwester sind zu Hause, Kühlschrank und Speisekammer sind wie immer gut gefüllt - aber nichts hat vermocht, den Tod von Katrin aufzuhalten.


    Die Autorin:


    Brigitte Biermann, Verlagskauffrau, hat Journalistik in Leipzig studiert; Pressearbeit im Schriftstellerverband der DDR; Redakteurin für die Berliner Zeitung sowie deren Ausgabe in polnischer Sprache, zeitweise Tätigkeit bei der deutschen Ausgabe von Zycie Warszawy, anschließend bei der Neuen Berliner Illustrierten; seit 1990 Korrespondentin und Gerichtsreporterin für Brigitte; sie lebt in Berlin und schreibt Beiträge u. a. für das Medienmagazin CUT, Die Zeit, Stuttgarter Zeitung.


    Meine Meinung zum Buch:


    Das Buch ist anders. Anders, als ich erwartet hatte, anders, als die anderen Bücher, die ich zu diesem Thema gelesen hatte. Anders, weil gleichzeitig oberflächlich und intensiv.


    Als die Krankheit ausbricht, ist Katrin 15 Jahre alt. Sie ist sportlich, intelligent, beliebt und hat scheinbar alles, was sie sich nur wünschen kann. Trotzdem erkrankt sie an einer Krankheit, die für 10 % tödlich endet. Es folgen Arztbesuch um Arztbesuch, Klinikaufenthalt um Klinikaufenthalt, Magensonde um Magensonde (hinten im Buch findet sich dazu eine informative Zeittafel). Katrin verliert den Kampf. Im Alter von (ich vermute) 18 Jahren stirbt sie an Herzversagen als Folge ihrer Krankheit.


    Obwohl Katrin keine fiktive Figur ist/war, ist das Buch keine Biographie. Das Buch spiegelt die Gedanken und Gefühle von Katrin wider, aber auch vom Rest der Familie - vor allem von ihrer Mutter Anna. Es zeigt den Verlauf der Krankheit auf (ohne Zeittafel wäre es mir allerdings zu verwirrend gewesen) und gibt Einblicke in das Leben der Familie. Grad zu Anfang hätte ich mir mehr gewunschen, dass auf Katrin mehr eingegangen wird und weniger auf den Rest der Familie, aber dafür kamen zum Schluss ihre Gedanken und Gefühle so richtig raus. Die Angst, zuzunehmen, nichts zu essen, um die "Stimme" ruhig zu halten, Angst vorm Sterben, aber auch Angst vorm Leben, das Gefühl die Familie zu enttäuschen... Alles mit Einträgen aus Katrins Tagebüchern versehen. Dazu die Ängste der Eltern und dem Versuch herauszufinden, was sie falsch gemacht haben. Sehr berührend, weil es sehr authentisch geschrieben ist.


    Mich hat das Buch sehr berührt. Als ich den Buchdeckel geschlossen hatte, musste ich noch lange drüber nachdenken. So viele Situationen kamen mir bekannt vor, so viele Ängste und Verhaltensweisen. Der ewige Streit ums Essen (oder Nicht-Essen), die "Stimme", die einen anbrüllt, wenn man versagt, die ständig angespannte Stimmung zu Hause, das Kochbuchlesen und Essen-Horten. Vielleicht berührt mich das Buch einfach deswegen so sehr, weil ich es kenne; ich weiß, wovon gesprochen wird.


    Geärgert und vor allem schockiert (weil die Geschichte ja wahr ist), hat mich so mancher Arzt/Therapeut von Katrin. In diesem Zusammenhang würde mich auch interessieren, was aus dem Arzt geworden ist, der bei 30kg bei einer Körpergröße von 1,76m (!) noch sagte, es sei alles in Ordnung (im Buch wird nur davon gesprochen, dass er angezeigt werden soll).


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es ist kein "Sensationsbuch", wie viele andere Bücher zu diesem Thema, sondern die Darstellung einer Krankheit, wenngleich auch sehr gefühlvoll und eindringlich beschrieben.

  • Ich habe das Buch heute ausgelesen und wollte danach eigentlich ein kleines Nachmittagsschläfchen machen, weil ich ziemlich müde war. Das konnte ich allerdings nicht, weil ich viel zu schockiert war...
    Die Situation der Eltern ist ziemlich grausam, die Ärzte total unkompetent (die letzte Therapeutin hat das wohl als ihr Hobby gemacht?!).
    Das Buch ist mir sehr nahe gegangen, auch wenn ich an keiner Essstörung in diesem Sinne leide (nur mit Untergewicht zu kämpfen habe wie andere mit Übergewicht), aber mehrere Mädchen kenne, die bulimisch oder annorektisch sind oder waren...


    Das Buch bekommt von mir 9 Punkte, denn auch ich hätte mir anfangs mehr Gedanken seitens Katrin gewünscht, aber letztendlich ist auch so klargeworden, wie es ihr ergangen ist.


    Wenn nicht ich für mich eintrete, wer dann?
    Wenn ich nur für mich selbst eintrete, was bin ich?
    Wenn nicht jetzt, wann dann?



  • ich habe das Buch in einem Stück gelesen und bin immer noch erschüttert. Die Eltern haben alles getan was sie konnten und waren machtlos und die Ärzte und Therapeuten unkompetent, einfach unfassbar. Man sollte es lesen, auch wenn man nicht in dieser grausamen Situation ist. Es wird einen ja gnadenlos vorgelebt, dass die jungen Mädchen so denken und Leiden. Tja von 56 kg auf....ist schon hart, ich möchte nicht viel vorweg nehmen, lesen....
    :gruebel

    Zitat

    Bücher haben Ehrgefühl, wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück. T.Fontane


    :lesend :fruehstueck
    Ich lese Thomas Mann; Der Zauberberg;