Der Langstreckenläufer - Patrica Nell Warren

  • (Gibt es tatsächlich zu diesem Buch noch keine Rezi?)


    Zum Inhalt (Amazon):


    Drei junge Leichtathleten stehen ungebeten vor dem Trainer Harlan Brown und wollen von ihm trainiert werden: Patricia Nell Warrens Der Langstreckenläufer lässt von Anfang an keinen Zweifel, dass die drei Sportler schwul sind, deshalb an ihrer Elite-Uni in Schwierigkeiten kamen und nun einen neuen Trainer suchen. Warum aber an einem kleinen, unbedeutenden College und warum Harlan Brown? Die Jungs wissen oder besser ahnen etwas, was der Leser erst allmählich in Rückblenden und aus der Perspektive des Trainers erfährt: auch er ist schwul und genau deshalb hat es ihn an dieses unauffällige College verschlagen, wo er sich sicher wähnt vor einer Öffentlichkeit, die ihm schon einmal sehr zusetzte und die ihm im Verlauf der Romanhandlung noch weitaus mehr zusetzen wird.
    Der Roman spielt in der Zukunft: veröffentlicht 1974 findet die Haupthandlung ein bis zwei Jahre später statt und kulminiert in der Olympiade in Montreal 1976. Zwei Generationen treffen aufeinander: Harlan entstammt einer Generation, für die Homosexualität noch mit allem besetzt war, was Medizin, Psychologie, Rechtsprechung, Religion und Medien an Stigmatisierung und Pathologisierung bereitstellten. Dementsprechend quält sich Harlan mit Versteckspielen, geht lieber als S/M-Superhengst auf den Strich als sich auf eine emotionale Beziehung zu einem Mann einzulassen. Dieses Versteckspiel kostet ihn auch fast die Erfahrung der großen Liebe -- in Gestalt von Billy, dem begabtesten der drei jungen Läufer, die alle schon vom Geist der Stonewall-Ära geprägt sind, ihre Gefühle zeigen, sich das Recht auf Liebe nehmen und sich nicht um die herrschende öffentliche Meinung scheren.
    Es kommt, wie es kommen muss, bei einem der schönsten Liebesromane der schwulen Literaturgeschichte: Harlan und Billy erleben die ganz große Liebe. Und sie brechen gleich mehrere Tabus: ein älterer Mann und Lehrer liebt den jüngeren Schüler. Aber für die Öffentlichkeit noch unverzeihlicher ist, dass dieser offen schwule Sportler seine Nation bei Olympischen Spielen vertreten soll. Patricia Nell Warren nimmt hier faktische Fragmente und verbindet sie zu einer atemberaubenden und herzzerreißenden Story, die auch heute nichts von ihrer Wirksamkeit verloren hat.


    Die Autorin:


    Patricial Nell Warren wurde 1936 geboren und ist selbst Langstreckenläuferin. Heute lebt sie in Kalifornien. 1974 veröffentlicht, war "The Front Runner" die erste schwule Liebesgeschichte, die es auf die Bestsellerliste der New York Times geschafft hat.


    Meine Meinung:


    Auch wenn das Buch schon 34 Jahre "alt" ist, hat es erstens kaum etwas von seiner Aktualität verloren (vermutlich noch weniger in den USA als hier in Europa) noch hat es zweitens seinen Charme als universelle Liebesgeschichte verloren.


    Mir selber steht nichts ferner als Laufen (außer, ich muss mal zum Briefkasten oder in den Buchladen gehen :grin) und auch wenn es der Geschichte schon sehr ausführlich um eben das Langstreckenlaufen geht, wird es nie zuviel; im Gegenteil, ich fand das alles sehr interessant. Und bei den nächsten olympischen Spielen, wenn ich dann so blasse Läufer ins Ziel stürzen sehen, weiß ich, dass das die Leber ist.


    Über die zwei Hauptfiguren - Billy und Harlan – und deren Liebesgeschichte muss man nicht viel sagen: einfach schön und auch erotisch und leidenschaftlich, ohne sonderlich graphisch zu werden. Die Figuren sind mit ihren Zweifeln, ihrer Freude und ihrem "Herzschmerz" überzeugend geschrieben.


    Rundum gelungen, ich gebe volle Punktzahl.


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  • Ich habe diese US-Ausgabe anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Buches gelesen, mit Vorwort des Verlegers und der Autorin. Und natürlich finde ich den Originaltitel besser, im Begriff "front runner" steckt einfach mehr drin… der Langstreckenläufer, aber auch der Vorreiter… bezogen auf das coming out eines Sportler und auch der Art, wie Billy sein Langstrecken läuft… nämlich immer vorneweg. Der deutsche Titel wird dem nicht gerecht und ich mag auch nicht, dass dort ein Typ auf dem Cover ist, mir wird da zu sehr das Aussehen des Helden vorgeschrieben.


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  • Als Teenager habe ich immer schon die Augen aufgehalten auf der Suche nach "schwulen Büchern". "Der Langstreckenläufer" fand ich damals toll und habe es auch später nochmal in OV gelesen. Die Geschichte von Billy und Harlan ist spannend und geht ans Herz.


    Einer meiner Lieblingsschauspieler war und ist Paul Newman. Er wollte Mitte der 1970er das Buch als Film adaptieren und selber Harlan spielen, daraus ist leider nie etwas geworden. Ob die Zeit noch nicht reif dafür war und Hollywood kalte Füße hatte, die Finanzierung nicht klappte … keine Ahnung. Paul Newman mit dem Aussehen wie in "The Towering Inferno" oder "Schlappschuss", so attraktiv und mit angegrauten Haaren, wäre als Harlan einfach perfekt gewesen.


    Es gibt zu "The Frontrunner" noch zwei Fortsetzungen, "Harlan’s Race / Harlan’s Endspurt" (1994) gefiel mir auch gut, "Billy’s Boy / Mission Himmelstürmer" (1997) fand ich etwas schwächer.


    "The Fancy Dancer" (1976) fand ich auch toll (Ende der 80er), und hatte es Delphin empfohlen (Thema schwuler Priester), sie empfand die Geschichte aber leider inzwischen etwas angestaubt. :-(


    "The Wild Man / Torero" (2001) gefiel mir auch sehr gut. (Thema: eine verbotene schwule Liebesgeschichte in Franco's Spanien in den 1960ern).

  • Zitat

    Original von Delphin
    Tolles Buch. Ist ewig her, dass ich das gelesen habe, ich fürchte fast, zu einer Rezi reicht es nicht mehr, aber hat mir gut gefallen.


    Und ich hatte mich schon gewundert, warum es keine Rezi von Dir hierzu gibt :lache