Frage an bibelfeste Eulen

  • Ich lese das AT (ohne Kommentar), bin beim Buch der Sprichwörter angelangt, und habe eine ganz laienhafte Frage.
    Mir fällt seit einiger Zeit auf, dass immer von den Weisungen Gottes die Rede ist, die er seinem Volk gibt, davon, dass der Gerechte sich an diese Weisungen halten, und sein Leben so leben soll, dass es Gott wohlgefällig ist.
    Mir fallen nun aber nicht viel mehr Anordnungen ein als die 10 Gebote. Die allein können es aber noch nicht gewesen sein.
    Ich hatte beim Lesen immer den Eindruck, als ob die Menschen über die Forderungen Gottes sehr genau Bescheid wüßten.
    Fast kam mir so vor, als würden Texte, die darüber Auskunft geben, fehlen. Oder hab ich was überlesen?
    Die Opfer- und Reinigungsvorschriften, oder auch die Gesetzestexte gelten im Christentum wohl nicht. (Wieso wurden die dann ins AT aufgenommen?)


    Wenn jemand weiß, was ich meine ...

  • Hallo


    Ich denke damit sind auch die Buße, beichten ect. gemeint. Und die Einhaltung bestimmter " Rituale" zu den Festtagen. Z.B. das fasten vor Ostern oder das auch Freitags kein Fleisch gegesen werden darf.... da gibt es so einige Sachen ausserhalb den 10 Geboten.

  • Hallo Sylli7


    Ich bin zufällig über Deine Frage gestolpert. Ich bin zwar nicht gerade ein Fachmann in Glaubensfragen, aber wegen Recherchen für einen Roman habe ich mich dem Drumherum und der Entstehung der Bibel mal beschäftigt. (Außerdem habe ich immer gerne Argumente an der Hand, wenn's um solche Themen geht)
    1.: Das AT hat mit dem Christentum wenig zu tun. Das Christentum entstand ja erst im 1. Jahrhundert nach Christus durch Paulus. Das AT ist im Grunde die Geschichtsschreibung der jüdischen Religion. Natürlich haben sich spätere Propheten wie Johannes der Täufer oder Jesus selbst auf das AT bezogen, denn sie waren ja Angehörige der jüdischen Gemeinschaft.


    2.: Man darf das AT nicht als ein zusammenängendes Buch betrachten (genausowenig wie das NT). Es ist eine Sammlung von religiösen Texten und historischen Aufzeichnungen von sehr unterschiedlichen Autoren, die diese Texte über einen sehr langen Zeitraum verfasst haben. Das AT ist nicht vom Himmel gefallen, sondern beruht auf den religiösen Vorstellungen der jeweiligen Zeit und muss auch in diesem Kontext gesehen werden. Und da Kultur und Gewohnheiten einem ständigen Wandel unterliegen, ändern sich natürlich auch die sog. Göttlichen Gebote. (Man denke nur an die vielen verschiedenen Kirchen und Splittergruppen und ihre unterschiedliche Auslegung ihrer Schriften, die es heute in den großen Weltreligionen gibt). Vielleicht hilft Dir das ja ein bißchen weiter.

    Dean

  • Der ganze Leviticus (teilweise auch Numeri und Deuteronomium) ist doch voller Vorschriften. Und die gelten natürlich für das jüdische Volk, mit den Christen ist Gott schließlich kein Bündnis eingegangen :grin

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von Sylli7
    Die Opfer- und Reinigungsvorschriften, oder auch die Gesetzestexte gelten im Christentum wohl nicht. (Wieso wurden die dann ins AT aufgenommen?)


    Das AT beschreibt ja praktisch das Leben der Menschen bevor Jesus geboren wurde.
    Jesus ist für unsere Sünde gestorben. D.h. alle Schuld die wir Menschen in der heutigen Zeit auf uns nehmen kann uns vergeben werden, weil Jesus für uns gestorben ist.
    Im AT gab es keinen Jesu der für die Fehler der Menschen gerade steht, das war meines Wissens einer der Hauptgründe für die Opfergaben. Die Menschen wollten Gott ehren und etwas wertvolles geben um zu zeigen dass es ihnen wichtig ist dass Gott ihnen ihre Fehler verzeiht.

  • Danke, Dean, Deine ausführliche Antwort hat mir schon weiter geholfen, weil ich bisher zu sehr im Zusammenhang gelesen und die großen Zeitspannen nicht bedacht habe.


    Gerade bei den beiden von DraperDoyle erwähnten Büchern habe ich mich gefragt, warum diese Schriften in die Bibel aufgenommen wurden. Vor dem christlichen Hintergrund mutet das doch sehr fremdartig an.
    Überhaupt kommt mir vor - ist aber schon lange her, dass ich bei einem Gottesdienst war - dass die meisten Bücher des AT (zumindest bei katholischen Messen) nicht sehr häufig gelesen oder daraus zitiert wird.
    Vielleicht weiß da jemand Bescheid, oder hat gar eine Lektüreempfehlung?!

  • Ich bin ja nicht bibelfest, aber ich lese gerade "My year of living biblically" (Die Bibel und ich) von A.J. Jacobs und für irgendwas muss das Buch ja gut sein. :grin


    Die Torah, die die ersten 5 Bücher Mose enthält (Genesis, Exodus , Levitikus, Numeri, Deuteronomium) enthält nach jüdischer Auffassung 613 Gebote, die hier auf Englisch aufgelistet sind:


    Liste der 613 Gebote


    A.J. Jacobs Liste ist noch länger, weil er ja auch die weiteren Bücher des AT berücksichtigt.
    .

  • Ich verstehe gar nicht, wieso ihr das AT überhaupt mit dem Christentum in Zusammenhang bringt... Es ist die Grundlage der jüdischen Religion, die Christen haben das nur übernommen, beziehen sich aber größtenteils auf das NT. Mir ist im Prinzip sogar unklar, wieso die Christen das AT mit übernommen haben - auch wenn Jesus Jude war -, wenn sie sich doch an die Gesetze, die dort beschrieben werden, nicht halten.
    Und meiner Meinung nach bringt es auch nicht so viel, die Texte ohne Kommentare zu lesen, da sie so kaum verständlich sind.


    Wenn nicht ich für mich eintrete, wer dann?
    Wenn ich nur für mich selbst eintrete, was bin ich?
    Wenn nicht jetzt, wann dann?



  • Es ist durchaus sinnvoll, das Alte Testament in die "Bibel der Christen" zu "übernehmen". Ja, Jesus war Jude (nie Christ ;-) ), das Alte Testament (und ganz besonders die 5 Bücher Mose) waren die schriftliche Grundlage seines Glaubens und damit auch des Glaubens der Christen.


    Natürlich sind im Neuen Testament Akzentverschiebungen festzustellen, das legalistische Beharren auf der Einhaltung von Einzelgesetzen wich letztendlich einer größeren "Freiheit" der Glaubenden im Umgang mit dem Gesetz Gottes. Man könnte auch sagen, die Interpretationsspielräume wuchsen.


    (Schönes Beispiel: Jesu Umgang mit dem Sabbatgebot, Mt 12, 1-14 )


    Was die katholischen Messen angeht: Die Sonntage sind in drei Lesejahre eingeteilt, so dass die jeweils gleichen Texte alle drei Jahre wiederkehren. Für jeder Messfeier sind drei Lesungen vorgesehen, von denen die erste meist aus dem AT, die zweite aus den Briefen des NT und die dritte aus den Evangelien genommen ist. In den meisten Gemeinden aber fällt aus Zeitgründen eine der Lesungen weg. Leider ist dies oft die alttestamentliche, was sicher auch damit zu tun hat, dass die Auseinandersetzung mit den Texten des AT den jeweiligen Predigern meist mehr Arbeit macht als mit den vielkommentierten Evangelientexten.

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Zitat

    Original von Leandra
    Hallo


    Ich denke damit sind auch die Buße, beichten ect. gemeint. Und die Einhaltung bestimmter " Rituale" zu den Festtagen. Z.B. das fasten vor Ostern oder das auch Freitags kein Fleisch gegesen werden darf.... da gibt es so einige Sachen ausserhalb den 10 Geboten.


    Also das AT mit Ostern in Verbindung zu bringen ist 'lustig'....Ostern ist doch ein christliches Fest, wo wir die Auferstehung feiern. Buße und Beichten sind ebenfall christliche 'Traditionen', sowas gibt es im Judentum nicht.
    Das AT ist reinste jüdische Tradition und auch Geschichte...die natürlich indirekt was mit dem NT zutun hat. Jeder einzelne Schreiber im NT war Jude und kannte das was wir das AT nennen. Und es gibt unzählige Zitate oder Querverweise de auf das Alte Testament verweisen. Um einige Handlungen und Worte aus den Evangelien verstehen zu können, muss man das Alte Testament haben.
    Außerdem ist es indirekt auch die Geschichte der Vorfahren Jesu und im Endefekt bezieht Jesus seine Position als Messias aus dem AT, da er in einigen Büchern 'angekündigt' wird.


    Das AT ist darüber hinaus auch die Grundlage für den Islam, den Abraham ist sowohl der Urvater für den Islam, als für das Judentum und das Christentum. Und das sich die Christen nicht an die Gebote im AT halten ist eigentlich auch nicht korrekt, den die 10 Gebote sind allgemein gültig..sowohl für Juden als auch für Christen.
    Was es neben dem 10 Geboten noch gab, steht im Talmud....ein weiteres jüdisches Buch. Es ist eine Art Auslegung. Ausserdem gibt es noch über 600 Gebote die sich die Rabbis 'ausgedacht' haben. Und es mag ja ür uns heute schwer vorstellbar sein, aber die Menschen haben ihr Leben früher nach Gott ausgerichtet und somit kannten sie natürlich seine Wünsche.

  • Zitat

    Original von DraperDoyle
    Der ganze Leviticus (teilweise auch Numeri und Deuteronomium) ist doch voller Vorschriften. Und die gelten natürlich für das jüdische Volk, mit den Christen ist Gott schließlich kein Bündnis eingegangen :grin


    Aber, aber - altes Testament, alter Bund, neues Testament, neuer Bund ;-) Für alle Menschen.

  • Danke, Churchill und Cathrine, für Eure Beiträge. Das habt Ihr sehr gut formuliert. Zumindest wurde mir als Laien manches klarer.


    Worum ich den alttestamentarischen Menschen nach wie vor beneide: dass er immer so genau wußte, was Gott von ihm (nämlich auch dem Einzelnen) will. Würde er heute noch in Gestalt einer Feuer- oder einer Wolkensäule sichtbar sein und seinen Willen klar kundtun, so wie damals, hätten wir alle es doch viel leichter.


    Ich lese das AT ganz bewußt ohne Kommentar, um zu sehen, wie es sozusagen im Rohzustand auf mich wirkt.
    Die Geschichtlichen Bücher waren sehr schwierig, aber seit dem Buch Hiob ist alles anders. Die Psalmen und das Buch der Sprichwörter enthält sicher für jeden Menschen Wahrheiten, die er für sich nützen kann, egal, welcher Religion er angehört. Ich bin auch schon sehr neugierig auf die Bücher der Propheten. Und dann kommt ja schon das NT.