Titel: Geschichte meines Lebens
Originaltitel: Histoire de ma vie
Autor: Giacomo Casanova
Verlag: Gustav Kiepenhauer Verlag
Erschienen: 1983
Umfang: 12 Bände à 200-300 Seiten (plus zahlreiche Anmerkungen)
ISBN-Sammelnummer: 3-378-00084-8
Klappentext:
Zu den historisch und sittengeschichtlich aufschlussreichsten Memoiren , die uns aus dem 18. Jahrhundert überliefert sind, gehören die des Venezianers Giacomo Casanova (1725-1798). Er, der Abenteurer und große Frauenverführer, den das Glück so lange verwöhnt hatte, sah sich im Alter einsam und ohne Kredit und begann die Geschichte seines Lebens zu schreiben. Und er beschreibt alles, unbekümmert um Tabuzonen, was er in über vierzig Jahren erlebt hatte. Mit Begeisterung, bezwingender Unbefangenheit und auch selbstgefälligem Stolz schlüpft er noch einmal in die Haut seiner besten Jahre, durchkostet die köstlichsten Augenblicke, da er den Frauen unwiderstehlich war, und erlebt aufs neue all seine Amouren und Leidenschaften. Noch einmal besteht er seine abenteuerlichen Reisen quer durch Europa, seine Begegnungen mit den Berühmtheiten des Zeitalters.
Eigene Einschätzung:
Casanova – ein Name, der wohl jedem bekannt sein wird und der die sofortige Assoziation ‚Frauenheld’ hervorruft. In der Tat fehlen amouröse Abenteuer in diesem zwölfbändigen Werk natürlich nicht, im Gegenteil. Dies ist aber bei weitem nicht der einzige interessante Aspekt dieses Textes. Casanova ist auch ein Gelehrter und Philosoph, ein Erforscher der menschlichen Natur, der durch seine weiten Reisen durch ganz Europa viel über die frühneuzeitliche Kultur und Lebensweise zu berichten hat.
Casanova, der sich selbst für einen aufgeklärten Menschen hält, setzt sich immer wieder kritisch mit den Ansichten seiner Zeitgenossen auseinander und argumentiert oft sehr rational, während er auf der anderen Seite auch selbst noch im mythologischen Denken seiner Zeit gefangen ist. Er repräsentiert ziemlich eindeutig die Zwiespältigkeit, die eine Epoche des Umbruchs zwangsläufig mit sich bringt, wenn er beispielsweise einerseits betont, dass der Mensch für sein Schicksal selbst verantwortlich ist, und sich andererseits immer wieder auf die „blinde Göttin“ (Fortuna) beruft.
Auf seinen Reisen hat Casanova als nicht adeliger, aber gelehrter und verständiger Mann Kontakt zu den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten, verkehrt in Adelskreisen, aber auch im aufkommenden Bürgertum und bei einfachen Bauern. Dies gewährt dem Leser einen interessanten Einblick in die verschiedenen Moralvorstellungen der gesellschaftlichen Schichten. Casanova selbst bezeichnet sich immer wieder als „Libertin“ und orientiert sich an der Philosophie Epikurs, die er auch einigen seiner (besonders weiblichen) Bekanntschaften nahe bringt. ‚Liebe’ (bei Casanova meinem Verständnis nach eher im Sinne von ‚Leidenschaft’ gebraucht) kann keine Sünde sein, und so auch ihre körperliche Ausübung nicht, wenn diese aus einem echten Gefühl entspringt. Casanova legt bei seinen Gespielinnen den größten Wert darauf, dass diese ihm ihre Gunst aus echter Zuneigung, nicht aus Dankbarkeit, Geldnot oder Pflichtbewusstsein gewähren. Seine eigene Liebe ist immer echt, aber nie dauerhaft. Der „große Frauenverführer“ leidet selbst oft wegen der Frauen, die er liebt (entgegen allgemeiner Vorstellungen trifft auch er nicht immer auf Gegenliebe), und sorgt immer dafür, dass diese nach der Trennung von ihm ein glückliches und gesichertes Leben haben – oft indem er sie mit einem anderen Mann verheiratet.
Interessant ist auch, wie ‚klein’ die Welt damals schon war. Häufig trifft Casanova Bekanntschaften in ganz anderen Kontexten und völlig unerwartet wieder und steht sogar einmal kurz davor, seine eigene Tochter (von deren Existenz er nicht einmal wusste) zu heiraten.
Aber nicht nur aus kulturhistorischem Interesse ist der Roman interessant, Casanovas Leben ist auch einfach eine sehr spannende Geschichte. Er ist ein Abenteurer – im wahrsten Sinne des Wortes. Seine berühmte Flucht aus den Bleidächern (venezianisches Gefängnis), seine oft sehr gefährlichen Auseinandersetzungen mit anderen Abenteurern, mit Fürsten, Königen, Herrschern, seine Anekdoten über berühmte Persönlichkeiten wie Voltaire, Rousseau, Louis XIV. und viele andere machen seine Memoiren zu einem wirklich romanhaften Werk.
In meiner Ausgabe gab es außerdem zahlreiche Fußnoten, die Personen und Sachverhalte, die durch Dokumente nachgewiesen sind, erläutern. Dadurch habe ich mich oft wundern können, wie genau Casanova sich zum Zeitpunkt des Schreibens an Einzelheiten erinnert hat, obwohl natürlich manchmal Daten von ihm verzerrt oder vergessen worden sind. Die Erinnerung ist schließlich oft trügerisch.
Lustige Anekdote: Casanova scheint überzeugt gewesen zu sein, dass schwarze Frauen bestimmen können, ob sie schwanger werden wollen oder nicht, und dass sie sogar willkürlich entscheiden können, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen gebären wollen. Dazu hat er angeblich eine überzeugende Theorie, von der allerdings auch im Nachlass keine Spur zu finden ist. (Soviel zu Casanova und Aufklärung...)
Fazit:
Wenn ich in den letzten Wochen erzählte, dass ich den Casanova lese, wurde ich oft gefragt, ob das nicht unglaublich repetitiv und langweilig sei. Diese Frage kann ich persönlich klar verneinen, muss aber dazu sagen, dass ich mich sehr für Kulturgeschichte, besonders der Frühen Neuzeit, interessiere.