Sterbehilfe/ Selbsttötung

  • @ Licht
    Wenn man an nichts glaubt, kann man dieses nichts schlecht definieren und ist das nicht der Sinn des Atheismus.
    Man sagt, was man eben nicht glaubt. sondern hinterfragt, woran andere glauben und widerlegt diese Theorien für sich.
    Wie soll jemand der Nichts glaubt, ein Glaubensbekenntnis ablegen über das, woran er glaubt? :gruebel


    Das Thema Tabu hab ich versucht zu erläutern, der Tod wird durch die Religion verharmlost und beschönigt, das hat nichts mit der Realität zu tun, es sei denn man verschließt die Augen vor den Ausflüssen eines Toten oder dem Geruch, oder gar dem Knacken, wenn die Totenstarre gebrochen wird, um den Toten in eine angenehme Position zu manövrieren, dann kann man sich natürlich toll vorstellen, daß Oma Anni im gepuderten Messgewandt gerade von 10 Englein zur Himmelstür getragen und vom Jesukind im Paradies begrüßt wird.

  • Hm... irgendwie ist mein Beitrag weg, eigentlich sollte der auf Seite 4 stehen. Aber Seite 4 wird mir nicht angezeigt...



    Edit: jetzt ist der doppelt... oh mann, ich geh ins Bett... :bonk

  • Also was Religion mit dem Thema zu tun hat erschliesst sich mir nicht. Religion beinhaltet Rituale, die dem Sterbenden und den Überlebenden den Umgang mit dem Tod erleichtern sollen, tabuisiert wird da gar nichts und das mit den Selbstmördern, die auf dem Friedhof nicht bestattet werden- wenn ihrs nicht vertragt lest nicht so viel historische Romane. Ich bin Mitglied des Trägers eines christlichen Friedhofes- wenn alle Selbstmörder in Sachsen von christlichen Friedhöfen ausgelagert würden, gäbe es viel unbebaute Fläche.


    Für mich ist ein Problem, das das Sterben und der Tod und die Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit in einem werbeseeligen Jugendwahn untergegangen ist- und ich lebe in einer Realität in der Christen und Muslime in einer verschwindenden Minderheit in Nischen der Gesellschaft leben.


    Verantwortung für sich selbst zu übernehmen ist gar nicht "in"- eine Vorsorgevollmacht ist die Übernahme eigener Verantwortung, weil der Betroffene eben selbst regelt und erklärt, was er wann, wie weit und wie will. Eben nicht SEIN (des HErrn) Wille geschehe, sondern der eigene, den muss man aber erstmal bilden, haben, mitteilen. Dann kann man den Angehörigen, den Ärzten und Juristen sagen, es ist meine Verantwortung, meine Entscheidung. Das ist dann auch das Problem mit vielen Patientenverfügungen in der Realität, wenn eben kein eigener Wille erkennbar ist, sondern das Formular aus dem Internet oder aus dem Büchlein unterschreiben wird, das eben nicht die Beschäftigung des Unterschreibenden mit der Materie beweist, nicht seinen Willen darlegt.


    Das eigene Sterben ist ein biologischer Vorgang, ein in der Natur notwendiger Vorgang aus werden und vergehen- die Beschäftigung damit, die Verdrängung und Tabuisierung ist aber gesellschaftliche Realität un nur deshalb kann es zu solchen Auswüchsen von Geschäftemacherei durch eine kommerzialisierte Sterbehilfe kommen.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • @BJ: Die hessische Verfassung sieht in § 21, Absatz 1 die Todesstrafe für "besonders schwere Verbrechen" immer noch vor. Da die Todesstrafe allerdings per Grundgesetzänderung für die gesamte Republik abgeschafft wurde, ist diese Regelung unwirksam. Nichtdestotrotz steht sie noch immer in der hessischen Verfassung.


    @licht: Du willst mich nicht verstehen, und das wiederum ist verständlich. Dadurch, dass die Weltreligionen den Tod glorifizieren, tabuisieren sie ihn gleichzeitig für eine weltliche Betrachtung. Ob ich das nun länger ausführe oder in dieser Kürze stehen lasse - meines Erachtens ist das in dieser Form (und auch in allen, in denen ich das vorher ausgeführt habe) verstehbar. Oder sollte es sein.

  • Zitat

    Original von Tom
    Dadurch, dass die Weltreligionen den Tod glorifizieren, tabuisieren sie ihn gleichzeitig für eine weltliche Betrachtung.


    Sorry, das halte ich in der Realität für widerlegt- oder ist Kommunismus für dich eine Religion, dann könntest du natürlich recht haben.


    Im Osten, wo die Mehrheit der Menschen von Religion nie etwas gehört hat, ist die Tabuisierung des Sterbens nicht weniger anzutreffen als bei den Menschen aus den christlich geprägten Gegenden Deutschlands.

  • Warum tabuisieren wir etwas, indem wir eine Position vertreten. Macht ihr endlich die Eure. dann müßt ihr nicht mehr rumjammern. Im Gegensatz zu Euch Atheisten haben wir es nicht nötig, uns nur durch Abgrenzung zu definieren. Einmal abgesehen davon, dass es kaum möglich ist, sich gegen eine nicht vorhandene, da nur auf Ablehnung basierende, Meinung abzugrenzen. Hör bitte auf rumzujammern, dass Kirchen ein Position haben. Sondern sei so tolerant wie immer gefordert, lass uns unsere und bilde Dir eine eigene. Das sollte eigentlich auch verständlich sein...

  • Zitat

    Original von Alice Thierry
    Leben auszulöschen - auch wenn es euphemistisch "Sterbehilfe" genannt wird - finde ich persönlich untragbar. Wer möchte denn wie beurteilen, wann und ob Leben lebenswert ist oder nicht? Ist Leben immer nur mit einem klaren Verstand und der maßgeblichen Wahrnehmung (Hören oder Sehen) und Möglichkeit zur Kommunikation erstrebenswert? Ich denke nicht. Das Lebendigsein an sich - in welcher Form auch immer - ist es sicherlich. Die Mikroorganismen, die unsere armen geschätzten Toten auffuttern, tun ja auch nicht viel mehr als das, Rumwuseln und Ausscheiden.


    Ich für meinen Teil denke, dass es gar keine andere Möglichkeit gibt, als selbst zu entscheiden, was mit einem passiert, wenn man krank ist und leidet. Sterbehilfe oder mit den Schmerzen weiterleben; für eines dieser beiden Dinge muss man sich entscheiden. Ich sehe Weiterleiden und Sterbehilfe / Selbstmord als zwei gleichrangige Möglichkeiten an. Dementsprechend ist es in meinen Augen unmöglich, keine Entscheidung zu treffen. Man entscheidet sich so oder so; entweder für Passivität, Leiden und Warten auf den Tod oder dafür, sein Leben eigenständig zu beenden.


    Wenn ich nicht wissen kann, ob mein Leben nicht mehr lebenswert ist, dann kann ich logischerweise auch nicht wissen, dass es doch lebenswert ist.


    Zitat

    Original von Alice Thierry
    Wer die Möglichkeiten unserer Zivilisation nicht wahrnehmen möchte, ist ja im Übrigen nicht gehindert, sich unter Naturvölker zu mischen, wo das Sterben gar nicht künstlich aufgehalten werden kann. Aber auf Internet und Fernsehen dann ebenfalls verzichten...?
    Es ist eine Entscheidungssache.


    In einer Zivilisation zu leben, heißt nicht, dass man auch alle (medizinischen) Möglichkeiten in Anspruch nehmen muss. Um bei dem oben genannten Beispiel zu bleiben: Niemand ist verpflichtet, Fernsehen und Internet zu nutzen. Es gibt Leute, die keinen Fernseher und kein Internet haben. Dementsprechend muss es dann auch Leute geben, die die Möglichkeiten der modernen Medizin nicht voll ausschöpfen möchten ;-).


    Zitat

    Original von Alice Thierry
    Aber letztlich glaube ich persönlich, dass niemand fähig ist, eine tragbare und begründete Entscheidung über die Fortsetzung oder die Beendigung seines Daseins oder dasjeniger anderer zu treffen, weil wir eben nicht wissen, ob und was uns danach ereilt.


    Wer denn sonst? Gott?


    Das frage ich als Agnostikerin. Ich glaube, jemand der wirklich an ein Leben nach dem Tod glaubt und Selbstmord für eine Sünde hält, würde diese Möglichkeit kaum in Betracht ziehen. Aber nicht jeder glaubt an ein Leben nach dem Tod und da hakt es auch schon: Wenn kein Glaube an ein Nachleben und kein Glaube an Gott vorhanden ist, gibt es keinen Grund, sich nicht selbst zu töten, wenn man sein Leben als nicht mehr lebenswert erachtet.

    Mir fällt leider kein guter Spruch für eine Signatur ein, aber wenn ich keine habe, stehen die Verlinkungen zu Amazon immer zu dicht unter der letzten Zeile meines Beitrages :rofl.

  • Hy
    Von mir kam das


    Sein Leben!
    Seine Schmerzen!
    Seine Entscheidung!


    Ich schreibe nicht oft zu aktuellen Themen etwas, ich lese mir mehr durch.


    :fetch Aber ich finde es immer wieder entzückend, wie zu welchen Thema auch immer viele Ihre Meinung gelten lassen und nur Ihre. Toleranz ist doch so ein schönes Wort!


    Alle anderen Beiträge werden abgetan mit
    -du hast keine Ahnung
    -du übertreibst
    -du hast das falsch verstanden
    usw.


    Es macht keinen Sinn eine Äußerung von wem auch immer(ich meine nicht nur mich) in der Luft zu zerreißen. Und es artet wie so meist aus das der Thread dann geschlossen werden muß.


    Aber ich bleibe dabei es ist jeden selbst überlassen was er mit seinen Leben macht. Das Drumherum zwecks Film und so ist sehr grenzwürdig dem stimme ich zu.


    Und das es jetzt etwas ins kirchliche geht macht das Niveau der Gesprächsebene definitiv nicht besser. Da werden die Gegner sehr viel deutlicher sichtbar...


    So jetzt schmeisst mich raus /schlagt mich wegen mir aber das musste ich mal sagen!

  • Zitat

    Original von Eddie Poe
    Wenn kein Glaube an ein Nachleben und kein Glaube an Gott vorhanden ist, gibt es keinen Grund, sich nicht selbst zu töten, wenn man sein Leben als nicht mehr lebenswert erachtet.


    Das ist schön und präzise formuliert und trifft meine Einstellung genau. DANKE! :write

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Die Emotionen kochen wieder hoch im Eulennest.


    Vorab zu der TV-Doku: Hier wollte für mich ein Mensch eindeutig ein Zeichen setzen, statt nur reden, reden, reden. Und so weit ich das Beurteilen kann, geschah es mit Respekt.
    Wer das unter dem Motto Medienrummel und Quotenjagen bucht, sollte vielleicht mal seine Einstellung dazu prüfen. Nicht alles, was das TV sendet ist nur auf Sensationsmache aus.
    Und das diese Doku erst jetzt gesendet wurde, scheint davon zu zeugen, dass der Sender und die Verantwortlichen es sich nicht leicht gemacht haben.


    Zum Thema Sterbehilfe allgemein scheint es mir zwei Gründe (außer den kirchlichen) zu geben, warum nicht betroffene Menschen teilweise so vehement dagegen sind:


    Die Angst der Angehörigen vor Verlust und deren Hoffnung, es könnte doch noch einmal besser werden.
    Vor 2 Jahren durfte ich ein Beispiel erleben. Ich selbst lag im Krankenhaus. Am Nachtmittag wurde das Bett neben mir durch einen Paravent abgeteilt und ein Mann hereingefahren, ohne Bewusstsein, an einen Beatmungsmaschine angeschlossen. Das Geräusch war schon heftig, diese Gurgeln und Röcheln. Ich habe keine Ahnung wie lange dieser Mann schon an der Maschine hing, bevor er das Bett neben mir bekam
    Am Abend kam die Familie, früher ging wegen der Arbeit nicht, vermutlich von Ärzten benachrichtigt, das es zu Ende geht. Statt würdevoll Abschied zu nehmen und diesem Menschen die Erlösung zu gönnen, gab es nur Gejammer gegen den nicht bei Bewusstsein Seinenden: Du darfst uns nicht verlassen, Sei stark, das wird schon. Wir brauchen Dich.
    Gegen Mitternacht kam dann noch ein Priester, der aus Termingründen nicht früher konnte, leierte gefühlslos seine „Letzte Ölung“ herunter und verabschiedete sich, man könne ja jederzeit zu ihm kommen. Um drei Uhr morgens hat der Mann es geschafft.


    Der zweite Grund liegt wohl im Misstrauen gegen uns selbst, den Ärzten. Richard David Precht hat es in „Wer bin ich“ in seinem Kapitel: Soll man Sterbehilfe erlauben“ recht gut auf den Punkt gebracht.
    Wird Sterbehilfe legalisiert, wann fühlen sich Alte dazu regelrecht genötigt, wann machen die Angehörigen in diese Richtung Druck, wann wird ein maximales Höchstalter eingeführt. Bei der aktuellen Panikmache vor der Alterspyramide können die Bedenken nur noch größer werden.


    Als Raucher muss ich damit rechnen irgendwann auch an solch eine Maschine angeschlossen zu werden. Dann lieber einen Cocktail. Diese paar Tage machen den Bock auch nicht mehr fett


    meint Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Voltaire, mich würde interessieren, ob du die Dokumentation gesehen hast?


    Es war nun auch in England so, dass die größten SKANDAL- Schreier das getan haben, bevor der Film überhaupt zu sehen war. Danach ist der Aufschrei, bei denen, die ihn gesehen haben schnell verstummt.


    Zitat

    Original von Babyjane
    @ Voltaire
    Ich glaube nicht, daß es bei der Austrahlung dieser Sendung speziell um Quote ging. Ich glaube auch nicht, daß diese Sendung für den Prozentsatz der morbiden Spanner gesendet wurde.
    Ich glaube (und da mag man mir von mir aus Naivität unterstellen), daß diese Sendung aufrütteln wollte und dieses Tabuthema öffentlich machen wollte.


    Nachdem ich mir die Dokumentation angesehen habe, die auch noch ein bißchen mehr Inhalt hat, wie die wenigen Minuten, in denen es um das Sterben geht und nachdem ich weiß, in welchem Sender das Programm gesendet wurde, kann ich Babyjane nur zustimmen.


    Gerade so eine Sendung sollte man dann be- und verurteilen, wenn man weiß was man da genau verurteilt.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Das ist ein sehr sensibles Thema.
    Meine Erfahrung nach 28 Jahren Berufstätigkeit im Krankenhaus hat mir gezeigt, dass die Hoffnung auch bei Todkranken bis zuletzt nicht stirbt.
    Sicher kommt das Thema Tod und Sterben immer wieder zur Sprache, aber ich könnte mir nicht vorstellen, den Kranken zu diesem Schritt, selbst wenn es gesetzlich erlaubt wäre, auch nur zu ermutigen.
    Allerdings habe ich schon oft für mich selber hinterfragt, ob die Intensivmedizin bei Moribunden alles tun muss, was sie kann.
    Viel wichtiger wäre da wohl der Ausbau einer guten Schmerztherapie und Palliativmedizin, wie auch Caia schon geschrieben hat.


    Meine Einstellung hat nichts mit religiöser Überzeugung zu tun. Die Achtung vor dem Leben als solches ist ein ethischer Wert unserer Gesellschaft, das von dieser auch bewahrt werden muss.

  • Zitat

    Original von licht


    Patientenverfügungen sind eine zweischneidige Sache. Ich habe im Gespräch mit Ärzten wahrgenommen, dass sie kaum helfen, sinnvoll eine Entscheidung zu fällen. Es ist kaum je möglich, jede einzelne mögliche Situation zu beschreiben, die eintreten kann. Die Definition von "Maschine" oder "Gerätemedizin" ist ungemein schwammig.


    Meine Erfahrung ist da glücklicherweise anders. Ich habe mich mit zwei Ärzten und mit Pflegepersonal unterhalten und habe sehr genau definiert, was ich möchte, unter welchen Umständen und was ich auf gar keinen Fall möchte. Man kann sich sehr gut darüber informieren.
    Das Ärzte sagen, dass Ihnen eine Patientenverfügung nicht hilft, mag sein.
    Oftmals ist es die Ignoranz, Arroganz und der wissenschaftliche Anspruch, der ihnen dabei im Weg steht, zu verstehen, warum ein Patient so eine Verfügung abschließt.
    Auf jeden Fall hilft Sie den Angehörigen sich für meine Belange einzusetzen, wenn es darum geht, welche lebenserhaltenden Massnahmen ich mir wann wünsche. Und sie können in meinem Sinne entscheiden, ohne rätseln zu müssen.


    Auf jeden Fall kann ich so eine Verfügung nur empfehlen... zumindest kann ich jedem nur empfehlen für sich mal das "was wäre wenn" Szenarie durchzuspielen.

    :lesend
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    Oprah Winfrey

  • Ich habe in meiner Tätigkeit mehrere vermeintlich seelenlose, jedenfalls aber fast leblose kackende Hüllen gesehen. Darunter ein Kind, das nach einem schweren Unfall zwischen Leben und Tod stand und nach Auskunft der Ärzte dem Tod deutlich näher war... Ich habe Menschen begleitet, die im Koma lagen, äußerlich kackende Hüllen, aber definitiv nie seelenlos. Sie spürten die Anwesenheit der Familie, das Händestreicheln, das, was gesagt wurde... Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass man da nachhelfen könnte, damit sie vermeintlich "erlöst" werden sollten. Manche sind dann tatsächlich gestorben. Das Kind hat inzwischen wieder laufen und sprechen gelernt... Es freut sich an seinem Leben und die Eltern sind glücklich, ihr Kind am Leben haben zu dürfen.


    Ich respektiere den Wunsch, wenn Menschen meinen, ihrem Leben ein Ende setzen zu müssen. Ich mache auch als Pfarrer keinen Unterschied nach der Art des Zutodekommens. Aber pauschal gutheißen muß und werde ich es deswegen genausowenig, wie ich es pauschal verurteile.

  • Zitat

    Original von Alice Thierry
    .


    Wer die Möglichkeiten unserer Zivilisation nicht wahrnehmen möchte, ist ja im Übrigen nicht gehindert, sich unter Naturvölker zu mischen, wo das Sterben gar nicht künstlich aufgehalten werden kann. Aber auf Internet und Fernsehen dann ebenfalls verzichten...?
    Es ist eine Entscheidungssache.


    Sorry, aber so einen Unfug habe ich selten gelesen.
    Mit Zivilisation hat es nichts zu tun, dass Leben um jeden Preis verlängert wird.
    Und selbst wenn es so sein sollte: ich muß nicht alle Segnungen unserer Zivilation in Anspruch nehmen. Meine Entscheidung in Deutschland zu leben und Medien zu nutzen, heißt nicht, dass ich alle Verirrungen der Medizin mitmachen muß. Ich bin ein Mensch, ich kann mich entscheiden, wie ich lebe, welche Errungenschaften der modernen Welt ich in Anspruch nehmen möchte. Der Preis dafür ist nicht ein menschenunwürdiges Sterben. Auch hier möchte ich meine Entscheidung treffen.

    :lesend
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    Oprah Winfrey

  • Ich hab sogar so eine Patientenverfügung, nach der für mich keine lebenserhaltenden Maßnahmen im Falle einer schweren Krankheit erfolgen dürfen.
    Allerdings hat mir mein Arzt gleich gesagt, dass es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass sich der Notarzt, der davon ja auch keine Kenntnis haben kann, daran halten würde.
    Und selbst wenn er davon wüßte, kann man von ihm in einer Stresssituation nicht verlangen, hier eine Entscheidung zu treffen. Im schlimmsten Fall könnte ihn das vor den Kadi bringen.
    Am ehesten hilft diese Verfügung, wenn man eine unheilbare Krankheit hat sowie Angehörige, die auch noch darüber informiert sind, dass das wirklich der Wunsch des Patienten ist.
    Außerdem muss diese Verfügung mindestens jährlich erneuert werden, sonst vergilt sie ihre Gültigkeit.


    Ich bin da ganz Deiner Meinung, Janda, dass man als Patient nicht alle Verirrungen der Medizin mitmachen muss und soll (das fängt schon weit vor dem Tod an), aber besonders der Schwerkranke klammert sich an jeden Strohhalm. Und dann bist Du plötzlich in einem Zustand, in dem Du selber nicht mehr entscheiden kannst, ob Du noch durch künstliche Ernährung am Leben erhalten werden willst oder nicht.
    Das Sterben im realen Leben verläuft leider ganz anders als im Film, wo der Sterbende bis zum Schluss bei klarem Verstand ist, alles selbst entscheiden kann, und dann erst seinen Geist aufgibt.

  • Ich habe die Dokumentation nicht gesehen, finde aber, dass sie kein geeigntere Grundlage ist, um über die offizielle Erlaubnis der Sterbehilfe zu diskutieren. Der Grund:
    hier handelte es sich offensichtlich um einen gebildeten, intelligenten Menschen, der in einem intakten sozialen Umfeld lebte, ein Verstandesmensch, der in der Lage ist, selbst zu entscheiden, was gut für ihn ist.


    Als Negativbeispiel möchte ich die Sterbehilfeaktion des ehemaligen Senators Kusch anführen: eine Frau will sterben, weil sie Angst vor dem Altersheim hat.
    Bitte? Entweder ist diese Angst unbegründet, dann wäre es Aufgabe, ihr diese Angst zu nehmen. Oder die Angst ist berechtigt, dann ist es dringend notwendig, an den Zuständen in den Altersheimen etwas zu ändern.
    Meine Befürchtung ist, dass die meisten Fällen von Sterbehilfe eher wie im zweiten Fall ablaufen würden.


    Desweiteren, wie dyke ausgeführt hat, könnte ich mir eine ähnliche Entwicklung vorstellen, wie bei der Früherkennung während der Schwangerschaft. Früher musste man die Kinder nehmen, wie sie kamen, dann konnten plötzlich behinderte Kinder abgetrieben werden. Aus diesem "Angebot" ist heutzutage nahezu eine Verpflichtung erwachsen, behinderte Kinder abzutreiben und Eltern müssen sich rechtfertigen, wenn sie wissentlich ein behindertes Kind bekommen
    .
    Eine ähnliche Entwicklung scheint mir auch nach einer Legalisierung der Sterbehilfe wahrscheinlich. Dass dann schwerkranken Menschen, deren Versorgung eine Menge Geld kostet, unterschwellig vorgeworfen wird, dass sie Geld verbraten, das doch für die Heilung kranker Kinder viel sinnvoller angelegt wäre. Dass sie, wie auch behinderte Kinder, eine Zumutung für die Gesellschaft wären. Und diese Vorstellung finde ich beängstigend.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Entweder ist diese Angst unbegründet, dann wäre es Aufgabe, ihr diese Angst zu nehmen. Oder die Angst ist berechtigt, dann ist es dringend notwendig, an den Zuständen in den Altersheimen etwas zu ändern.


    Letzteres dürfte die Frau allerdings nicht mehr erleben. Und, ja, diese Angst ist oftmals berechtigt. Viele Alten- und Pflegeheime sind reine Abstellgleise für die alten Loks, die keiner mehr braucht (oder sehen will). Es wird das nötigste getan, aber auch kein Handschlag mehr, was nicht notwendigerweise an den vor Ort Verantwortlichen oder am Pflegepersonal liegt, sondern an der finanziellen Ausstattung - wofür wiederum nicht selten die Angehörigen die Verantwortung tragen, die ihre Ahnen in Häuser stopfen, die wenig(er) kosten und leisten (und sie dann nie wieder besuchen). Aber auch die diversen "Reformen" des Gesundheitssystems haben dafür gesorgt, dass kaum mehr geleistet werden kann, als im Moment geleistet wird.


    Aber selbst wenn die Altenheime Orte der Fröhlichkeit, der altruistischen Rundumversorgung und der medizinischen Perfektion wären - es blieben oftmals, meistens, immer? Orte, an die man Alte verklappt, statt sich in der Familie oder einer vergleichbaren Gemeinschaft um sie zu kümmern und weiterhin wertzuschätzen. Die Botschaft lautet: So, Ihr habt Eure Schuldigkeit als Arbeiter und Konsumenten getan, jetzt kostet Ihr nur noch und leistet nichts mehr. Wir brauchen Euch deshalb auch nicht mehr. Hier ist ein Fernseher, viel Spaß damit. An Freitagabenden ist Häkelgruppe und wer sich noch ohne Rollator bewegen kann, darf Mittwochs in die Tanzgruppe kommen (Polka). Mit Verlaub, aber mit lebenswertem, tatsächlich bejabarem, auch nur ansatzweise ausgefülltem Leben hat das nicht mehr viel zu tun. Es klingt vielleicht zynisch, aber ich kann es verstehen, wenn jemand seine letzten Jahre nicht mit Barbara Salesch verbringen will - und der Gewissheit, dass es besser auf keinen Fall mehr wird. Gut, hier beim Sterben zu helfen, das wäre eine faktische Bankrotterklärung der Solidargemeinschaft, weil dadurch manifestiert und dokumentiert würde, was Alte in ihr bedeuten. Aber es wäre auch in gewisser Weise ehrlich.


    Dies nur am Rande.