Matt Ruff: "Ich und die anderen"

  • Wenn mir nicht gerade Herrn sapperlots (witziger Name übrigens) und Voltaires Rezi ins Blickfeld gewandert wäre, hätte ich glatt vergessen, dass ich das Buch irgendwann mal gekauft habe. Keine Ahnung, wo es abgeblieben ist :grin, aber ich werde es jetzt gleich mal in den Tiefen meiner RuBs suchen gehen.
    Hat das Buch ein offenes Ende?

  • Das Buch endet mit einem rund 30 seitigen Epilog mit der Hauptüberschrift "Ordnung". In diesem Epilog wird beschrieben was alle im Buch vorkommenden Personen nach dem "krimiartigen" Ende tun bzw. was mit ihnen geschieht. Die beiden Hauptprotagonisten stehen mitten im Leben und können mit ihrer multiplen Persönlichkeit immer besser umgehen bzw. sind in Therapie. Es wird angedeutet was Andy und Penny für Träume, Sehnsüchte und Wünsche haben was sie mit dem Rest des Lebens anfangen könnten....

  • Dieses Buch hatte ich mir rein aufgrund der Kurzbeschreibung gekauft, in völliger Unkenntnis der begeisterten Rezis, und bin schlichtweg begeistert. Die Art und Weise, wie der Autor von diesem Krankheitsbild erzählt, wie er seine Figuren anlegt, sodaß sie dem Leser richtiggehend ans Herz wachsen und wie er die traumatischen Erlebnisse größtenteils andeutet und eben nicht effekthaschend ausrollt - all das zeugt von einer großen Erzählkunst. "Ich und die anderen" ist ein Wechselbad der Gefühle; stellenweise lustig (wobei es ein leiser, melancholischer Humor ist, der vorherrscht), dann wieder verstörend, tieftraurig und Wut erzeugend, aber immer auch voller Hoffnung. Ein grandioses Leseereignis, das sich trotz einer recht ansehnlichen Seitenzahl sehr schnell weglesen läßt, da es so fesselnd und interessant geschrieben ist; eines meiner bisherigen Jahreshighlights und eines der wenigen Bücher, die ich irgendwann einmal ein zweites Mal lesen werde. Uneingeschränkte Leseempfehlung!
    Ich sehe schon, langfristig komme ich an den übrigen Büchern von Matt Ruff nicht vorbei...

  • Das ist ein Buch, dass ich mir nachgekauft habe, obwohl ich es schon (als Wanderbuch) gelesen habe.
    Und außerdem ist es der Grund, weshalb ich noch die anderen Bücher von Matt Ruff ertauscht und gelesen habe. ;-)
    Tolles Buch! :anbet


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zum Inhalt


    Andrew Gage lebt mit verschiedenen Untermietern in einem selbstgebauten Haus. Da wären z.B. Tante Sam, die früher mal einen Schatz hatte, der kleine Jack, der ganz verrückt nach Spielsachen ist oder Seferis, der so stark ist, dass er durchaus gut kämpfen kann. Gideon, der böse Onkel von Andrew, wurde jedoch in die Wüste geschickt.
    Eigentlich ist fast alles so wie in einer Wohngemeinschaft – allerdings gibt es das Haus nur in Andrews Kopf und dient dazu, mit seiner multiplen Persönlichkeitsstörung klar zu kommen. Um nicht ständig in verschiedene Rollen schlüpfen zu müssen, hat er mithilfe seines Psychologen jeder abgespaltenen Seele ein eigenes Zimmer gegeben; er selbst hält sich die meiste Zeit in der äußeren Welt auf und regelt all das, was normale Menschen im Alltag regeln müssen.
    So lernt er eines Tages Julie kennen, die ihm einen Job in ihrer Software-Firma anbietet. Und genau dort lernt er auch Penny kennen, ein verschüchtertes Mädchen, das unter derselben Krankheit wie Andrew leidet, allerdings noch nichts davon weiß…
    Nach anfänglichem Zögern versucht Andrew schließlich Penny zu helfen und entdeckt dabei nach und nach Seiten an sich selbst, die er zuvor noch nicht kannte. Eine Reise in sein Unterbewusstsein, aber auch quer durch Amerika beginnt…


    Stil und Umgang mit dem Thema


    Die Geschichte fand ich von Anfang an sehr interessant, allerdings war ich mir vor dem Lesen nicht sicher, wie der Autor die verschiedenen Persönlichkeiten, die doch alle in einem Körper leben, unter einen Hut bringen kann, ohne mich dabei zu verwirren. Im Nachhinein war diese Sorge vollkommen unbegründet. Man merkt sehr schnell, dass es eine Person gibt, die alles steuert, die anderen Seelen jedoch immer mal wieder zu Wort kommen oder den Körper kurzzeitig übernehmen. Verwirrt war ich an keiner Stelle, zumal das Buch auch sehr übersichtlich gegliedert ist:
    Andrews und Pennys Sichtweise wechseln sich in Form von Kapiteln ab. Meist knüpft dabei die eine Sichtweise nahtlos an die andere an, wodurch die Handlung nicht unterbrochen wird und nur wenige Ereignisse wiederholt erzählt werden.
    In Bezug auf den Stil ist bemerkenswert, dass jede einzelne Seele ganz eigene Charakterzüge hat und Ruff diese auch überzeugend darstellt. Die zahlreichen Dialoge wirken authentisch und sind gespickt mit feinem Wortwitz, wobei die Umgangssprache zwar dominiert, die Tiefgründigkeit jedoch nicht darunter leidet.


    Wo sich zunächst alles noch recht amüsant liest, schleichen sich nach und nach recht schockierende Ereignisse in die Handlung ein. Auf mich wirkte das Geschriebene sehr witzig und spannend, allerdings gingen manche Szenen auch ziemlich unter die Haut. Eine Mischung, bei der man als Autor ganz schön danebengreifen kann – Matt Ruff jedoch versteht es, Witz und Ernst gekonnt miteinander zu verknüpfen, ohne dass man auch nur einmal das Gefühl hat, die Wortwahl würde dem Thema nicht gerecht werden.


    Fazit


    Insgesamt kann ich „Ich und die anderen“ nur weiterempfehlen! Es ist leicht und rasant geschrieben, ohne dabei an Tiefgang zu verlieren und hat mich im Ganzen sehr gut unterhalten. Die über 700 Seiten habe ich förmlich verschlungen und vergebe wegen des raffinierten Plots, der authentisch wirkenden Charaktere und der unkomplizierten Schreibweise fünf Sterne!

  • So, mal hervorkram, damit diesen Lesetipp möglichst viele Leute bekommen, den diesen Roman MUSS man gelesen haben^^!


    Absolut empfehlenswert und einfach wunderwunderbar ist dieser Roman.


    Hab ihn vor über 2 Jahren gelesen und war fasziniert und gefesselt, legte es nicht mehr aus der Hand. Eben nahm ich es mal wieder aus dem Regal in die Hand und anstatt mal schnell ein zwei Seiten wurden es einige mehr^^.


    Das Thema ansich ist sowieso schon interessant, aber die Matt Ruff es verarbeitet ist grandios. Die Mischung machts, Humor und tiefgehende Handlungen, alles ist dabei.


    Zitiere sapperlot gerne: Ein Highlight meiner Lesekarriere :-)!

  • Mir hat in dem Buch irgendetwas gefehlt oder mich etwas gestört, ich kann nur leider nicht so genau benennen, was es war. ?( Könnte sein, dass ich einfach mit Andy einfach nicht so warm geworden bin. Am Anfang war ich etwas verwirrt durch die vielen Persönlichkeiten, weil ich kramphaft versucht habe zu verstehen, wer wo hingehört und hatte Angst, dass es so wirr weitergeht, aber das war zum Glück nicht der Fall. Was ich sehr schön fand, war die Art und Weise, wie Ruff das Thema behandelt - das kann man sich dann auch wirklich gut vorstellen und es kommt dem, was man so über die Diagnosen hört, sehr nahe. Das macht das Buch in meinem Augen zu etwas Besonderem. Maledicta ist mir auch sehr ans Herz gewachsen und überhaupt fand ich es toll, wie die verschiedenen Charaktere dargestellt wurden.


    Aber so umgehauen hat mich das Buch dann leider doch nicht - wie gesagt, wird wohl an der fehlenden "Bindung" an Andy gelegen haben, sowas ist für mich immer wichtig.


    Ich würde mal sagen, 8 Punkte von mir.

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • KLAPPENTEXT:


    Andy Gage hat ein sehr grundlegendes Problem: Er hört Stimmen! Natürlich führen wir alle gelegentlich mehr oder minder ausführliche Dialoge in unseren Gedanken -- wenn uns Gewissensbisse plagen oder ein wichtiges Gespräch bevorsteht. Aber Andy teilt seine Gedankenwelt gleich mit Dutzenden von Seelen, die ihn in den unpassendsten Momenten auch mal in die zweite Reihe verdrängen und die Kontrolle über seinen Körper übernehmen. Mit psychiatrischer Hilfe ist es Andy in den letzten beiden Jahren gelungen, ein gewisses seelisches Gleichgewicht zu finden und ein ansatzweise normales Leben zu führen. Zusammen mit Doktor Grey hat er einen Zeitplan entwickelt, der es allen seinen unterschiedlichen Persönlichkeiten ermöglicht, in der "Realität" zu leben und sich dort zu verwirklichen.


    Andys Leben verändert sich radikal, als er Julie Sivik kennen lernt. Julie betreibt eine Softwarefirma namens "Reality Factory". Ihr wird schnell klar, dass ein Mensch mit Multiplen Persönlichkeitsstörungen der ideale Berater bei ihren Projekten sein könnte, und sie bietet dem sonderbaren jungen Mann einen Job an. Andy fühlt sich in der "Reality Factory" auch sichtlich wohl -- bis Julie eines Tages Penny Driver einstellt, eine Frau, die in ihrem Kopf ebenfalls nicht alleine ist. Gemeinsam versuchen Julie und Andy, ihr einen Weg zu weisen, wie sie damit umgehen kann. Allerdings hat Andy nicht damit gerechnet, dass dabei auch sein peinlich genau strukturiertes Leben durcheinander geraten könnte ...


    EIGENE MEINUNG:
    Matt Ruff hat eine Schreibe, die mir gut gefällt, die sich trotz der Schwere des Themas gut lesen lässt. Er erzählt hier sowohl aus der Sicht von Andrew als auch aus der Sicht von Mouse. Das war zum einen sehr interessant, da man dadurch Details und Hintergrundinformationen über die beiden Protagonisten erfahren konnte, die dem Leser helfen sollen zu verstehen, wie es zur "Abspaltung der Seelen" kommt. Dennoch wiederholen sich einige Erzählstränge, da sie auch aus beiderlei Sicht erzählt werden, was mich ein bischen genervt hat.
    "Ich und die anderen" ist ein Buch über das ich sehr viel nachdenke. Leider geht aus dem Buch oder auch dem Schlusswort nicht genau hervor, wie exakt der Autor recherchiert hat, ob er mit betroffenen Personen gesprochen hat etc. Er beschreibt so detailliert und genau, dass man den Eindruck bekommen könnte, dass Andrew oder Penny selbst dieses Buch geschrieben haben. Dennoch verwirrt mich das Ganze, da ich mir nur sehr schwer vorstellen kann, dass eine solche Störung so geordnet ablaufen kann wie der Autor es beschreibt. Es ist etwas schwierig zu diesem Buch eine Rezension zu schreiben, da mich das Thema nun sehr beschäftigt. Ich werde mir nun mal Literatur zu dem Thema besorgen und dann sicherlich noch mal was dazu schreiben.
    "Ich und die anderen" ist aber trotzdem ein empfehlenswertes Buch, das gut unterhält und spannend geschrieben ist.

  • ich habe ja schon befürchtete, ich würde langsam aber sicher zu einer Nörgelbacke werden, die an jedem Buch was rumzukritteln hat. Da kam "Ich und die anderen" gerade recht, um mir zu zeigen: es gibt sie immer noch, die großartigen Bücher.


    Zum Inhalt wurde ja schon alles gesagt, doch fasziniert hat mich vor allem das Talent Matt Ruffs, eine derartig chaotisches Gemengelage wie zwei multiple Persönlichkeiten zu einer rundum schlüssigen Geschichte zu verarbeiten, die mich zur Erkenntnis führten:


    Sind wir nicht alle ein bisschen multipel?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)