Kritik der mörderischen Vernunft
Jens Johler, Januar 2009
Ullstein; ISBN: 3548269540
Seiten: 544
"Kritik der mörderischen Vernunft" konnte man in Auszügen bei Vorablesen.de noch vor Erscheinen des Buches lesen. Leider habe ich kein Leseexemplar erhalten, aber ich konnte das Buch bei Tauschticket ergattern, da mir der Klappentext und die Leseprobe sehr gut gefallen ahben. Was ich nicht wusste ist, dass das Buch inhaltlich an Johlers ersten Roman mit Troller und Jane, "Gottes Gehirn" anknüpft. Ich wusste zwar, dass es bereits ein Buch von dem Autor gibt, aber das da ein Zusammenhang besteht, war mir neu.
Inhalt:
Ein bekannter Wissenschaftler wird brutal ermordet. Der erste Verdacht fällt auf radikale Tierschützer, denn der tote Hirnforscher hatte Versuche an Affen vorgenommen. Ein Briefbombenanschlag auf einen Kollegen in Bremen deutet in dieselbe Richtung. Doch der Berliner Wissenschaftsjournalist Troller weiß mehr als die Polizei. Denn der Mörder, der sich Kant nennt und mysteriöse Botschaften hinterlässt, hat ihn persönlich kontaktiert. Gemeinsam mit der Nachrichtenjournalistin Jane kommt Troller einem Mann auf die Spur, der den freien Willen des Menschen bedroht sieht – und töten wird, um ihn zu bewahren.
Über den Autor:
Jens Johler, 1944 in Neumünster geboren und in Hamburg aufgewachsen, machte zunächst eine Ausbildung zum Schauspieler an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule und war drei Jahre lang Schauspieler an den Städtischen Bühnen Dortmund. Danach studierte er Volkswirtschaftslehre an der FU Berlin und war anschließend als wissenschaftlicher Assistent tätig. Seit 1982 ist er freier Autor und lebt in Berlin.
Meine Meinung:
Der Titel "Kritik der mörderischen Vernunft" spielt auf Kants Werk "Kritik der reinen Vernunft" an und passt insofern gut zum Buch, da sich der Mörder als "Kant" ausgiebt und auch in gewisser Weise nach Kants Regeln handelt bzw. seine Handlung derart begründet.
Das Cover zeigt einen menschlichen Kopf, der sich durch eine Art Gummihaut durchzuzwängen versucht. Ansonsten ist das Cover in schlichtem Grau gehalten, nur der Titel ist in weiß und der Autor in rot gedruckt. Das Cover finde ich erschreckend, aber dennoch auffällig.
Jane und Troller sind die Hauptpersonen und anfangs sind ihre Handlungsstränge noch getrennt, doch schnell zeigt sich, dass diese voneinander abhängig sind, sowohl die Stränge als auch indirekt die Personen.
Das Buch ist angenehm zu lesen, leicht verständlich und kommt mit wenigen Fachausdrücken aus. Die wissenschaftlichen Aspekte z. B. die Versuche mit den Menschenaffen werden so geschildert, dass sich auch der Laie darunter etwas vorstellen kann, was ich dem Autor hoch anrechne. Zu Beginn wird gleich ein Mord verübt, der sehr brutal ist, doch der Autor schildert es nicht in dem Ausmaß, sondern umschreibt alles gekonnt. Was in der Hirnforschung schon alles möglich ist, zumindest im Buch, ist schon irgendwie erschreckend. Manchmal habe ich mich schon gefragt, wie weit es in Wirklichkeit schon ist.
In letzter Zeit habe ich mich schon öfters mit Immanuel Kant beschäftigt, sei es gezwungenermaßen durch den katholischen Religionsunterricht oder freiwillig durch das Buch "Königsberger Dämonen". Seine Denkansätze wie auch seine Person selbst finde ich interessant und auch in diesem Buch spielen sie eine wichtige Rolle z. B. wird des öfteren der kategorische Imperativ verwendet.
Während des Lesens habe ich mir immer wieder die Frage gestellt: "Was macht "Kant" (= der Mörder) als nächstes? Was lässt er sich wieder einfallen, dass im Zusammenhang mit dem echten Kant steht und was hat Troller damit zu tun bzw. sein Buch, aus dem der Mörder auch des Öfteren zitiert?
Die Personen wirken für mich authentisch, vor allem Troller, da man seine Ecken und Kanten erfährt. Er ist kein perfekter Mensch z. B. hat er sich von seiner Frau und der Tochter getrennt und lebt nun mit Jane, die sehr viel jünger als er ist, zusammen. Seine Tochter sieht er meistens immer mittwochs, was er aber des Öfteren im Buch auch verdrängt bzw. absagen muss. Man erfährt auch viel über seine Vergangenheit, so z. B. über seinen ersten unfreiwilligen Besuch ein Polizeiwache, den er nun immer mit einem Lackritzgeschmack verbindet. Troller wendet eine Methode an, die mich sehr an CSI-Filme erinnert: Er versucht sich direkt in den Mörder hineinzuversetzen und so zu denken wie er.
Auch die philosophischen Anklänge, die das Buch hat, ich denke da z. B. an den freien Willen der Menschen, der laut einiger Wissenschaftler nicht wirklich existiert, hat mich doch irgendwie fasziniert. Normalerweise denke ich bei Derartigem gleich an Langeweile oder Langatmigkeit.
Doch auch für's Leben kann man durch das Buch etwas lernen, so gibt Troller z. B. den Tipp, wenn man nicht einschlafen kann, solle man das Ausatmen genau verfolgen und beim Schafe zählen am besten bei 1000 oder aufwärts anfangen, man wolle schließlich bei 0 ankommen bzw. eigentlich nicht, da man da schon schlafen sollte. Diese Stelle ist mir besonders in Erinnerung, weil ich es selbst ausprobiert habe.
Das Buch verweist an vielen Stellen auf andere Bücher z. B. an einer Stelle auf Woyzeck von Büchner. Bücher, die das tun, liebe ich, da man dadurch direkt Anregungen erhält welche Bücher vielleicht interessant wären und die man dann als nächstes lesen könnte.
Der Autor schafft es die Spannung bis zum Schluss aufrechtzuerhalten, auch wenn ein paar kleine Stellen sich etwas zogen. Vorhersehbar war die Geschichte für mich an keiner Stelle, deshalb hat mit das Ende auch sehr überrascht. Aber am Schluss ist es mir dann etwas zu weit gegangen, vor allem, was die philosophischen Theorien anbelangt, irgendwann habe ich aufgegeben alles zu verstehen, daher auch der halbe Punkt Abzug. Auf den Täter kommt wohl auch kein gewiefter Leser, da dieser fast bis zum Schluss eher ein Phantom bleibt.
Am Ende des Buches ist noch ein Nachwort abgedruckt, in dem der Autor darlegt, was Realität und was Fiktion ist. Das war für mich teilweise doch erschreckend, vor allem, wenn man bedenkt, was heutzutage schon alles möglich ist.
Das Buch regt also schon zum Nachdenken an, auch wenn das, was anregen soll, in einer unheimlich spannenden und informativen Geschichte eingebaut ist. Man merkt, dass der Autor gut recherchiert hat.
Fazit: Für Freunde des Thriller, die es auch mal etwas anspruchsvoller mögen, ist dieses Buch eine wahre Fundgrube.
Ich vergebe 4,5 von 5 möglichen Punkten.