Inhaltsangabe (amazon):
Eine Afrikareise in der Kindheit wurde für Le Clézio, einem der bedeutendsten zeitgenössischen französischen Schriftsteller, zur Initiation. Hier lernte er eine Welt kennen, die ihn mit ihren fremden Lebensformen, den exotischen Gerüchen und Farben in ihren Bann schlug und nie wieder loslassen sollte. Und so erzählt er von der Reise, die ihn 1948 nach Afrika führte und wo er zum ersten Mal seinem Vater begegnete. Einem Tropenarzt, der in Nigeria Lepra und Sumpffieber kurierte, den Kolonialismus hasste, mit einer Piroge das Landesinnere erkundete und Landschaften und Menschen fotografierte. Und er erzählt die Liebesgeschichte seiner Eltern, die in Kamerun, vor seiner Geburt, spielt, als der Traum eines von Krankheit und Fremdherrschaft befreiten Afrika noch realisierbar schien.
Meine Meinung:
„Der Afrikaner“ erschien 2007 in Deutschland, geschaffen aus der Hand des Nobelpreisträgers 2008, Jean-Marie Gustave Le Clézio . Eigentlich eine Qualitätsgarantie. Eigentlich. Le Clézio beschreibt in „Der Afrikaner“ seine Erfahrungen, seine Erinnerung mit dem schwarzen Kontinent.
Dass Le Clézio hierzulande noch keine weite Verbreitung gefunden hat, lässt sich auch an den Pressestimmen auf der Buchrückseite erkennen. Beide stammen sie von französischen Zeitungen.
Ebenso ist das autobiografische Werk eine Annäherung an seinen Vater. Dieser war bis zu seiner Pensionierung in verschiedenen Regionen Afrikas als Tropenarzt stationiert. Immer wieder wird die Abneigung gegenüber dem Kolonialismus deutlich, auch Le Clézios Vater wurde von der britischen Kolonialmacht eingesetzt. Immer tiefer begibt sich der Autor, bis zur Nobelpreisbekanntgabe in Deutschland relativ unbekannt, in das geographische und geistige Herz Afrikas. Doch auf welcher Grundlage wird „Der Afrikaner“ in die Riege der Spitzenliteratur erhoben?
Könnte nicht jeder, der ein kritisches Vater-Sohn Verhältnis hat, ein Buch zum Thema schreiben? Sicher, die Qualität ist großartig, doch leider nicht in den Sphären, in denen man einen Nobelpreisträger verortet. Mehr als eine Handvoll internationaler Autoren schreiben zumindest auf demselben Level. So bleibt es ein interessanter Roman, der hingebungsvoll geschrieben wurde. Definitiv ein Stück große Literatur, doch nicht einzigartig.
Le Clézio unterscheidet zwischen einem Afrika vor dem zweiten Weltkrieg und danach, und webt die Veränderung die diese Greueltat der Menschheit mit einbringt, in den Text. Vor dem Krieg ist die Sicht auf Afrika noch von leichter Naivität getrübt, alles scheint wie eine heile Welt. Danach holt einen die harte Realität ein, der brutale Schrecken der Zeit hält einen gefangen. Der Autor ist mit seiner Mutter in Frankreich, der Vater in Afrika. Ein Versuch, seine Familie in Sicherheit zu bringen, endet in Algerien. Weiter kommt er nicht.
Besonders diese sich nach dem Krieg einstellende Verbitterung beschreibt Le Clézio auf eine so fassbare Weise, obgleich dies ein schwer in Worte zu fassendes Gefühl ist. Das besondere an diesem Buch ist, dass es eine Geschichte ist, die vielleicht nicht oft, aber doch auch nicht allzu selten ist, und dennoch so niedergeschrieben wurde, dass es schwer fällt, die Lektüre aus der Hand zu legen. Eine Seite geht noch, denkt man, und schon haben die Finger umgeblättert.
Großartig geschrieben präsentiert sich „Der Afrikaner“. Für Freunde des Kontinents Afrika sowieso ein Pflichtkauf, für alle anderen sicher eine Bereicherung. Ein Wermutstropfen bleibt. Spitzenliteratur: Definitiv! Nobelpreiswürdig? Fraglich.