Hab noch eine kleine Weihnachtsgeschichte, die stelle ich mal hier hinein. Die hat allerdings keiner Korrektur gelesen, hab zwar selbst nach bestem Wissen und Gewissen dran gefeilt, aber ich übersehe leider öfter mal was. Ich hoffe, sie macht trotzdem Spaß und ich würde mich über Lesermeinungen freuen:
Weihnachten bei Familie Maus
England, 1895
Im Haus der Jamesons saß niemand müßig herum. Luisa Jameson, die Mutter stand noch vor Tagesbeginn auf, schürte das Feuer in der Küche und setzte Wasser für Tee auf. Dann weckte sie ihre Töchter, Agatha und Clara. Wenig später ging sie in das Zimmer ihres jüngsten Kindes, dem kleinen David.
Er schlief tief und fest, den Daumen in seinem Mund vergraben.
"Davy", sagte sie leise. Wie alle anderen auch nannte sie ihn stets nur Davy. Das schon zur besseren Unterscheidung von ihrem Gatten, der auch David hieß und das Haus schon lange vor dem Hellwerden verlassen hatte, so wie jeden Morgen.
Der Junge verzog sein Gesichtchen, doch als sie ihn ein zweites Mal ansprach, schlug er die Augen auf und schälte sich aus den Decken, die seinen mageren Körper in der Nacht gewärmt hatten.
In der Küche duftete es bereits nach dem Frühstück, und Agatha verteilte den warmen Haferbrei auf die Schüsseln.
Kaum waren die Mädchen aus dem Haus, schwang Luisa die Rührschüsseln und das Nudelholz. Erst als der Kuchen in der Bratröhre steckte und seinen herrlichen Duft durch das kleine Haus verströmen ließ, setzte Mrs. Jameson sich in den Ohrensessel vorm Kamin um an einer Stickerei zu arbeiten.
Davy spielte zu ihren Füßen mit einigen Knöpfen und schaute immer wieder auf die Wand neben der Treppe. Zweimal drehte Luisa sich um, doch vermochte sie nicht zu erkennen, was seine Aufmerksamkeit fesselte.
Leise eine Melodie vor sich hinsummend stach sie die Nadel wieder in den Stoff und dachte an das kommende Weihnachtsfest. Der Dezember war ihr der liebste Monat im Jahr. Dann lag ein ganz besonderer Zauber über ihrem kleinen Haus, alles wirkte ein bisschen geheimnisvoll und sehr gemütlich.
Das fand auch Familie Maus, die unter der Treppe wohnte und die Geschehnisse von dort genau beobachtete. Eusebia Spitzzahn, die Matriarchin der Mäusefamilie hatte dieses Haus ganz bewusst ausgesucht. Zu reich hatten die Eigentümer nicht sein dürfen, denn reiche Leute – so wusste die lebenserfahrene Mäusin – holten bei den ersten Anzeichen von Nagetieren gleich den Kammerjäger. Außerdem waren die Häuser Reicher so gut und fest verputzt, dass die zwar scharfen, aber kleinen Mäusezähnchen Schwierigkeiten hatten, Durchgänge in die Wände zu nagen.
Arm allerdings sollten die Bewohner auch nicht sein, denn auch wenn man bei Armen leicht unterkommen konnte, so gab es in solchen Wohnungen kaum etwas, von dem eine ganze Mäusesippe leben konnte. Die Jamesons dagegen waren goldrichtig, sie waren nicht wohlhabend, doch auch nicht bettelarm. Die Kinder, besonders der kleine Junge, vergaßen öfter mal einen Keks oder ein Marmeladenbrot, wenn sie in ein Spiel vertieft waren. Und die Käserinden schnitt die Mutter stets recht großzügig ab, auch war der Vorratsschrank von hinten für eine nicht zu große Maus gut zugänglich. Kurz, die Sippe hatte ihren Platz gefunden und residierte nun schon seit mehr als einem Jahr in jenem Hohlraum hinter der Wand in der Wohnstube.
Eusebia, die schon einige Winter erlebt hatte, wusste um die Bedeutung von Weihnachten und hatte nun ihre Enkel und Urenkel um sich versammelt, die ihr staunend zuhörten und nur ab und zu Fragen einwarfen. So wie der kleine Knabber, der erst im Spätsommer geboren worden war und selbst jetzt noch kaum größer als ein zwei Wochen altes Mäusekind war. "Aber warum machen die Menschen denn das alles? Ich meine, wenn sie nur jetzt die Kuchen und Plätzchen backen ist das zwar schön, aber es wäre doch auch im Sommer schön. Mir jedenfalls schmecken Kekse immer."
Eusebia nickte andächtig mit ihren langnasigen Kopf. "Ja ja, da ist schon was dran, was du da sagst. Aber die Menschen sind eben rätselhaft und genau weiß ich auch nicht, warum sie Weihnachten feiern. Aber ich finde gut, dass sie es tun, denn zu keiner anderen Zeit gibt es einen solch gut gedeckten Tisch für uns Mäuse."
Taps nickte. Er hatte zusammen mit seiner Zwillingsschwester Tora einen großen Berg Rosinen in das Versteck der Mäuse geschleppt. Auch jetzt hatte er eine davon in den Backen. "Die schmecken herrlich, sollte es wirklich das ganze Jahr über geben."
Neben den Rosinen lag eine stattliche Anzahl Nüsse, süße Mandeln, aromatische Haselnüsse und Walnüsse von gewaltiger Größe. Außerdem hatten zwei der kräftigeren Mäuseriche einen rotbackigen Apfel angeschleppt und es gab reichlich Käserinden. Die Mäusesippe schwelgte in den Köstlichkeiten und beobachtete gespannt das Geschehen im Haus.
Der kleine Junge, den die Mutter und seine Schwester Davy riefen, war ihnen der liebste von den Menschen, denn er konnte noch nicht sprechen und sie somit auch nicht verraten. Und er aß gern Süßes und hatte keine Scheu, den Mäusen davon abzugeben.
Luisa rührte Plum-Pudding an und Clara, auf einer kleinen Holzbank stehend, half ihr dabei. Davy hatte einige Plätzchen bekommen und spielte wieder in der Stube. Agatha beaufsichtigte ihn, doch als Luisa nach den beiden sah, war ihre Tochter im Ohrensessel eingeschlafen, ein Buch auf dem Schoß.
Luisa seufzte nur leise und nahm Davy auf den Arm, der still vor der Wand gespielt hatte. Agatha war oft müde, wenn sie von der Arbeit kam. Seit einem halben Jahr arbeitete sie in dem Gemischtwarenladen in der Forestroad. So gab es manchmal eingemachtes Obst zum Dessert, für Davy Lakritz, ein Säckchen feines weißes Mehl mit dem Luisa Mutter backen konnte und für die jüngere Schwester brachte sie schon mal ein Band fürs Haar mit.
Als David an diesem Abend nach Hause kam, brachte er ein Tannenbäumchen mit. Das frische Grün hob sich deutlich von seiner dunklen Kleidung und den vom Staub des Bergwerks geschwärzten Händen ab.
Nun begann die Weihnachtszeit wirklich und fortan wurde das Wohnzimmer abgeschlossen, nur die Eltern gingen noch hinein. Über jedem Türrahmen wurden Mistelzweige angebracht und wenn David und Luisa sich darunter begegneten, küssten sie sich.
Dann, am Weihnachtsmorgen, durften die Kinder endlich wieder ins Wohnzimmer und liefen sogleich zu ihren am Kamin aufgehängten Strümpfen, die fast überquollen vor Zuckerwerk, Spielzeugen, Äpfeln, Nüssen und Orangen. Das Feuer warf ein angenehmes Licht und spendete wohlige Wärme. Das genoß auch die Mäusefamilie, die sich bis unter den Sessel vorgewagt hatte. Die Familie Jameson war sowieso zu beschäftigt, um auf Mäuse zu achten.
Unter dem mit Plätzchen und Äpfeln behängten Baum lagen weitere Geschenke, eingewickelte Kostbarkeiten, die bei ihren Empfängern Entzücken hervorriefen. Luisa umarmte ihren Mann mit Tränen in den Augen, als sie die Kette auspackte, die er für sie gekauft hatte. Davy hatte nur noch Augen für das Holzpferd, auf dem er sitzen konnte und Agatha lief gleich mit dem neuen Kleid nach oben, um es anzuprobieren. Claras Geschenk allerdings war nicht verpackt gewesen, es war in einem geflochtenen Weidenkorb gekommen, den ihr Vater ihr mit feierlicher Miene überreicht hatte. Der Korb hatte Geräusche von sich gegeben, leise zwar, aber für die Mäuse mit ihrem feinen Gehör dennoch wahrnehmbar.
Zögernd hatte Clara in den Korb geblickt und vor Staunen große Augen bekommen. Dann, ganz vorsichtig, hatte sie das Kätzchen daraus empor gehoben. Es war ein kleiner Kater, grau getigert und mit einer hellblauen Schleife um den Hals. "Und er ist wirklich für mich?", wollte Clara wissen und strich vorsichtig über das weiche Fell.
"Ja mein Schatz, er gehört dir ganz allein." Ihr Vater lächelte sie liebevoll an. "Unser Vorarbeiter erzählte letztens, dass seine Katze geworfen hat – so nennt man das, wenn Katzen Junge bekommen – und fragte, wer welche haben wollte. Da dachte ich sofort an dich und das so ein Kätzchen ein wunderbares Geschenk für dich sein würde."
"Es ist wundervoll!", rief Clara freudig. "Sag, ist es ein Mädchen oder ein Junge?"
"Es ist ein Kater", erklärte ihr Vater. Das hatte er wohlweislich ausgewählt, denn eine Katze im Haus war gut und schön und würde die Mäuse fernhalten, doch eine weibliche Katze konnte sich rasch und reichlich vermehren. Und sie hatten gerade genug, um eine einzelne Katze durchzufüttern.
"Hat er schon einen Namen?", fragte Clara.
"Nein, ich dachte es wäre nett, wenn du ihm selbst einen geben würdest."
Clara hielt ihr Kätzchen auf dem Arm und streichelte nachdenklich das weiche Fell. "Ich weiß, ich wird ihn Leonardo nennen. Wie Leonardo da Vinci, über den haben wir letzte Woche in der Schule gesprochen."
"Das ist aber ein doofer Name für eine Katze", krähte Davy, der sich nun von seinem Pferd losgerissen hatte, um ebenfalls das neue Familienmitglied zu betrachten.
Auch Agatha war inzwischen zurück, im neuen Kleid, das dunkelrot schimmerte und sehr hübsch an ihr aussah. "Er sieht ein bisschen aus wie Mr. Bottlboom, der kleine alte Mann, der immer mittwochs kommt um Schnaps zu kaufen, der hat auch so eine kleine rote Nase. Vielleicht sollten wir ihn so nennen."
"Nein, auf gar keinen Fall", wiedersprach nun Luisa.
"Dann Jeremy", sagte Clara. "Den Namen finde ich schön."
"Das geht nicht, Jeremy heißt doch unser Pastor mit Vornamen. Du kannst einen Kater doch nicht nach einem Geistlichen nennen", sagte Luisa, die streng gläubig war und jeden Sonntag zur Kirche ging.
Clara schlug noch weitere Namen vor; von Philosophen und Literaten, von denen sie in der Schule gehört hatte, Vornamen, die ihr hübsch erschienen, doch immer hatte irgendwer von der Familie einen Einwand. Luisa war strikt dagegen einen Vornamen zu verwenden, den einer ihrer Bekannten trug, selbst wenn es sich nur um den Namen von dem Bruder einer Klassenkameradin Claras handelte.
"Dann nenne ich ihn eben Tiger, weil er ein getigertes Fell hat", erklärte Clara schließlich.
Dagegen hatte nun niemand etwas einzuwenden und so wurde der kleine Kater gleich getauft. Gegen Luisas Protest bestand Clara auf eine richtige Taufzeremonie und in Ermangelung eines echten Geistlichen übernahm sie diese Rolle selbst, nahm etwas Wasser in die hohle Hand und tupfte es auf die Stirn des Katers. Doch Tiger wollte nicht getauft werden, kaum hatte das Wasser sein Fell berührt, fauchte er und sprang von Claras Arm. Dabei ritzten seine Krallen ihre Haut und weinend lief sie zu ihrer Mutter.
Tiger unterdessen flüchtete sich unter den Sessel. Die Eltern waren damit beschäftigt ihre jüngste Tochter zu trösten und ihr zu erklären, wie sie sich einer Katze gegenüber verhalten musste, um nicht gekratzt zu werden, so dass die Mäusefamilie keine Aufmerksamkeit erregte, als sie durchs halbe Wohnzimmer floh.
"Kinder, nun ist die schöne Zeit vorbei", sagte Eusebia mit unheilvoller Stimme.
"Ein schreckliches Tier", keuchte Triffle, der aufgrund seines Übergewichts leicht außer Atem war. Schnelles Laufen war er nicht gewohnt.
Schnuffel nickte. "Was können wir nur tun, er wird uns alle töten, eine nach der anderen, bis keiner mehr übrig ist."
Eusebia warf ihm einen warnenden Blick zu, denn sie wollte nicht, dass der gelbliche Mäuserich den Kleinen solche Angst einjagte. "Noch ist der Kater klein, kleine Katzen sind nicht so gefährlich."
"Aber er wird groß werden", sagte Tora. "Und das sicher bald, er ist ja jetzt schon so riesig. Habt ihr seine Zähne gesehen? In dieses Maul paßt eine ganze Maus."
"Wir bleiben auf jeden Fall in unserem Versteck. Niemand geht raus. Noch reichen unsere Vorräte und dann müssen wir uns eben überlegen, wie wir neue beschaffen", entschied Eusebia.
"Aber was bloß?", piepste Knabber.
Damit war selbst Eusebia überfragt. Und auch keiner von den anderen wusste Rat. Der einzige, der bereits seine Erfahrungen mit Katzen gemacht hatte, war Triffle; bis auf ihn war seine ganze Familie einer hungrigen Katze zum Opfer gefallen und er hatte nur überlebt, weil er, als die Sippe zum Küchenschrank floh, unter der Tür stecken geblieben war. Die Katze hatte sich den anderen Mäusen zugewandt und so hatte er sich vor Angst halb wahnsinnig irgendwie befreien können und war geflohenen. Hungrig und mit den Nerven völlig am Ende hatte er nach langem Lauf irgendwann Eusebia getroffen und sich ihrer Sippe angeschlossen.
Die schöne Stimmung jedenfalls war verflogen, selbst Taps konnte sich nicht an den Rosinen freuen. Das Versteck im Hohlraum unter der Treppe war größer als so mancher Unterschlupf, doch einer so quirligen Sippe wie einer Mäusefamilie wird auch in dem größten Heim schnell langweilig. Wenn man den ganzen Tag nur auf Nüsse starren kann, macht es irgendwann auch keinen Spaß mehr, den Bruder damit zu ärgern die Schalen nach ihm zu werfen.
So dauerte es nur bis zum folgenden Abend, bis Tora und Taps die sichere Heimat verließen und ins Wohnzimmer huschten. Dort, auf dem weichen Teppich vor dem Kamin, spielte Clara mit Tiger und einem Wollfaden, nach dem er mit seinen Pfoten schlug. Die Krallen blitzten dabei gefährlich auf, und erschrocken liefen die Zwillinge zurück.
Lange hielt die Angst über das Gesehene jedoch nicht an, dazu waren die Mäuse zu unternehmungslustig. Bis auf Triffle, der lieber schlafen wollte und Eusebia, die aufräumen wollte, waren am nächsten Tag alle Mäuse draußen. Und da nichts passierte, verflog die Angst vor Tiger rasch.
Doch dann, es waren erst drei Tage seit jenem Morgen vergangenen, stand Taps plötzlich Tiger genau gegenüber. Er hatte nur gucken wollen, ob im Küchenschrank noch Rosinen waren und dabei den Weg unter dem Tisch durch gewählt, weil man dort am Boden eigentlich immer die eine oder andere Leckerei finden konnte. Er hatte aber nichts gefunden, stattdessen ragte wie aus dem Nichts plötzlich der graue Katzenkopf vor ihm auf, mit weißen Schnurrhaaren, die so lang wie er selbst waren. Im ersten Moment war Taps vor Angst erstarrt und glaubte, sein Leben nun zwischen den spitzen Zähnen zu verlieren.
Doch der Kater schaute ihn nur an, legte den Kopf leicht schief und schnupperte mit vorgereckter Nase.
Diese Gelegenheit ließ Taps nicht ungenutzt. So schnell ihn die Beinchen trugen rannte er davon.
Atemlos berichtete er von seinem Erlebnis.
"Das sollte uns eine Warnung sein", sagte Eusebia. "Taps lebt nur noch, weil er großes Glück hatte. Dieser Kater wird gut gefüttert, doch Katzen jagen Mäuse auch, wenn sie genug zu fressen haben. Er ist noch jung, doch wir müssen etwas unternehmen."
"Wir sollten dieses Haus verlassen", meinte Triffle. Einige andere nickten und murmelten zustimmend.
Doch so leicht war es damit nicht, schließlich war Winter, draußen lag zentimeterhoher Schnee und selbst ohne diese ungemütlichen Wetterverhältnisse war es schwer, ein passendes Haus zu finden. Also mahnte Eusebia die Sippe weiter zur Vorsicht.