'Die Landung' - Kapitel 10 - Ende

  • Ich finde, daß dieses Buch eigentlich eher zum gemütlich gemeinschaftlichen Lesen gedacht ist, als zum wirklichen Diskutieren. Aber hier ergibt sich schon eine sehr kritische Frage, zum Umgang mit Geburten und Säuglingen.
    Das ist schon starker Tobak für eine Frau unserer Zeit und Gesellschaft, oder generell, für Eltern. Kinder müssen nicht nur geboren, sondern auch empfangen werden. Und was nicht allein lebensfähig ist, soll auch nicht überleben, natürliche Auslese. Der Schritt von hier zu Verbot von Verhütungsmitteln und Abtreibungen ist nicht weit, mit den entsprechenden fatalen Folgen. Das verursacht, neben der Frage, wann ein Säugling "lebenswert" ist, schon Unbehagen.
    Aber darf man es überhaupt aus dem Zusammenhang reißen? Es betrifft eben nicht unsere Gesellschaft, sondern eine, die überleben muß. Pech haben die Frauen der Mannschaft, die nie Kolonisten sein wollten. Würde mich interessieren, wie Ihr das seht. Ich nage an dieser Frage. Besonders, wo gerade MZB berühmt war für ihren Hang zu feministischen Geschichten, wobei das hier genau das Gegenteil scheint.


    Die Haare aufgestellt hat es mir bei der Aussage, daß Feminismus, also "mein Bauch gehört mir" eine Art Psychose ist, die Frauen in überfüllten Gesellschaften entwickeln und dabei ihre natürlichen Muttergefühle unterdrücken. Huh???


    MZB scheint die gleichen Lehrer wie ich gehabt zu haben. Ich habe nämlich auch mal irgendwann gelernt, daß eine Gruppe aus 200 Leuten gerade groß genug ist, um als eigene Gesellschaft lebens- und überlebensfähig zu sein, bezogen auf die Enge der Heiratskreise.


    Wobei ich es schon schade finde, daß dies das einzige Buch aus der Phase Darkovers geblieben ist. Auch die 2. oder 3. Generation wären interessant gewesen.

  • Ohne das Buch jetzt schon fertig gelesen zu haben:


    Grisel : Es gibt in einigen Anthologien Kurzgeschichten die von den Siedlern handeln die zwischen der Landung und dem ZdC leben. Eine hab ich da mal über die Gründung einer Stadt namens "New Skye" (Neskaya) gelesen. Aber ich kann dir nun wirklich nicht mehr sagen in welcher Anthologie die war. Interessant war das schon.


    OT ....was mich unheimlich interessiert hätte, und worüber ich wirklich nie etwas gefunden habe ist wie,wann und warum einige Siedler in die Trockenstädte gekommen sind. Aber andererseits ist es auch nicht schlecht wenn man sich ein bisschen seine eigenen Gedanken machen kann. Mittelerde zum Beispiel ist ja total ausgeschlachtet und nun wirklich nichts der eigenen Fantasie mehr überlassen, das finde ich irgendwie auch nicht gut... OT Ende...

  • Hallo Grisel, ich finde deine Fragen spannend, ich habe auch beim Lesen sehr ambivalente Gefühle... ich glaube das ist nur schwer nachzuvollziehen, so eine Überlebensstrategie: die Frauen müssen schwanger werden so oft es nur geht damit die Gruppe überlebt. Für die Gemeinschaft wird die persönliche Freiheit hinten angestellt, ja, ich glaube nur so haben die Menschen überlebt, auch auf der Erde. Heute leben wir sehr individuell, sehr vereinzelt, das bringt Vorteile für den einzelnen, keine Frage. Aber ohne Gemeinschaft können wir nicht existieren; davon haben wir uns sehr weit entfernt, und in der Landung wird das plötzlich existentiell was wir jetzt und hier nicht mehr wahrnehmen was aber so ist: ohne die Gruppe gibt es kein (Über-)Leben.


    Für den einzelnen, in dem Fall für Camilla, ist es eine harte Entscheidung, es ist ja nicht nur so daß sie ein Baby versorgen soll (oder am besten 10 davon), sie setzt sich mit der Schwangerschaft auch allen Gefahren aus die damit einhergehen... es ist für Frauen einfach eine Sache in der der Tod sehr viel näher kommt als sonst.. sogar heute wo es alle technisschen Schikanen gibt. Das vergessen viele Männer, glaub ich.


    Und trotzdem wirkt sie am Ende, als Mutter, positiv und freudig, sie hat die Situation angenommen. (Auf meinem Buchcover (tb) ist sie mit einem Baby auf dem Arm abgebildet - das berührt mich immer sehr wenn ich das anschaue, sie wirkt stolz und selbstbewußt und gleichzeitig irgendwie schutzlos..)


    :wave

  • Zitat

    Original von Maharet
    Grisel : Es gibt in einigen Anthologien Kurzgeschichten die von den Siedlern handeln die zwischen der Landung und dem ZdC leben. Eine hab ich da mal über die Gründung einer Stadt namens "New Skye" (Neskaya) gelesen. Aber ich kann dir nun wirklich nicht mehr sagen in welcher Anthologie die war. Interessant war das schon.


    Neskaya ist New Skye! Darauf wäre ich in 100 Jahren nicht gekommen! Faszinierend.
    Anthologien interessieren mich nicht, falls das die von den "Friends of Darkover" sind. Ich mag mein Darkover nur von MZB. Habe zwar ein paar davon gelesen, aber ist für mich nur Fanfiction, genau wie die Ross-Bücher. Brauch ich nicht, gilt für mich nicht als Kanon.


    marietta :
    Zu Camilla, gerade das, muß ich sagen, taugt mir eigentlich eh weniger, daß sie am Ende "bekehrt" ist und zwar keine begeisterte, aber doch passable Mutter ist, von ihren Instinkten "bekehrt". Ich weiß nicht, stößt ein bißchen säuerlich auf. Wäre MZB ein Mann, würde ich das übelnehmen.


    Gut hingegen, wenn auch bißchen traurig für Rafe finde ich ihre Unterhaltung mit dem Captain, wo sie sagt, daß sie eigentlich lieber mit ihm leben würde als mit Rafe, da sie sich ähnlicher sind. Offenbar liebt Rafe mehr, als sie ihn. Das ist wenigstens ein Abgehen von dem Klischee, daß der leidenschaftliche Rafe-Mann die kühle unnahbare Camilla-Frau "rumkriegt" und bekehrt.

  • Grisel : Ich bin auch kein Anthologien Fan. Aber da MZB uns was die direkten Nachfahren der Siedler angeht total im Unklaren gelassen hat finde ich die Überlegungen die einige Fans angestellt haben doch sehr interessant. Es gab auch das eine oder andere RPG zu diesem Thema. Natürlich ist das aber alles nur FanFic, MZB wollte darüber die Auskunft geben (böse Zungen behaupten sie hätte selber nicht genau gewusst wie das ganze miteinander verknüpft werden könnte ;-) )...

  • Das mit dem Frauen müssten zum Wohle der Gesellschaft schwanger werden hat mich beim ersten Mal auch ziemlich überrascht. MZB hat sich zwar immer dagegen gewehrt, als feministische Autorin abgestempelt zu werden, aber die meisten ihrer Bücher haben doch deutlich mehr als nur einen Hauch davon.
    Irgendwie hat es mir aber auch gefallen, dass sie hier von dem 'üblichen' Konzept abgewichen ist und zur Abwechslung mal Frauen gewisse Rechte nimmt. Womit ich nicht sagen will, dass ich gegen die Abtreibung bin, im Gegenteil, aber ich denke ein guter Autor muss auch über seinen/ihren Schatten springen können und über Dinge schreiben, die nun mal nicht in seine/ihre Sichtweise passen, ohne sie zu verurteilen. Ich bilde mir nicht ein, MZB zu kennen, aber ich schätze mal, sie ist keine Abtreibungsgegnerin.
    Ich hab mich nur darüber gewundert, dass Camilla am Ende so glücklich war. Und dass sie das mit dem Kinder würden gesunder, wenn sie von verschiedenen Vätern gezeugt wurden als eine Art Ausrede nahm, um später (wie ich glaube) mit dem Captain schlafen zu können. Hätte ich nicht gedacht...

  • Zitat

    Original von Selket
    Ich hab mich nur darüber gewundert, dass Camilla am Ende so glücklich war. Und dass sie das mit dem Kinder würden gesunder, wenn sie von verschiedenen Vätern gezeugt wurden als eine Art Ausrede nahm, um später (wie ich glaube) mit dem Captain schlafen zu können. Hätte ich nicht gedacht...


    Wobei das ja, wie man im Epilog sieht, offenbar grundsätzlich so gehandhabt wird, teils wohl wegen den Winden, aber auch für die Erhaltung verschiedenartiger genetischer Verbundenheit. Also eine Art gesellschaftlich geduldeter, wenn nicht sogar erwünschter Promiskuität. Mit gleichzeitigen festen Partner, die das gleiche praktizieren.


    Es stimmt aber schon, im Prinzip schreibt sie hier nicht antifeministisch, sie paßt das Verhalten ihrer Figuren nur den Gegebenheiten an. Bis auf die Sache mit dem verkümmerten Mutterinstinkt der Frauen in überfüllten Gesellschaften. Das schockt mich immer noch ein wenig. Denn meineeine wurde ja mit der für uns normalen Einstellung erzogen, daß Kinder keine Pflicht, sondern freie Entscheidung sein sollen, idealerweise. Da könnte man jetzt ellenlange Abhandlungen drüber schreiben, ob Frauen in primitiven Gesellschaften deshalb mehr Kinder haben und hatten, weil sie keine Alternativen haben, oder weil doch der Mutterinstinkt nicht verkümmert ist. Würde wohl den Rahmen sprengen und wäre konfliktreich.


    Maharet : Interessant wäre vor allem, wenn man irgendwie nachvollziehen könnte, wer von wem abstammt. Obwohl ich mal vermute, daß es bei 200 Ur-Darkovaner wohl so ist, daß alle von allen abstammen, irgendwie.

  • Ach ja, ganz vergessen, bin fertig. Ist ja wirklich nur ein Büchlein. Aber, hat Spaß gemacht, ist viel zu lange her. Und ich mag es immer noch sehr gerne.


    Ein Aspekt, der später noch wichtig ist, den ich ganz übersehen habe, ist Pater Valentine. Hier der arme Sünder, der kein Priester mehr sein will. Wobei die Entscheidung des Captains, ihn am Leben zu lassen, richtig erscheint. Er war ja nicht zurechnungsfähig.


    Schön, wenn auch traurig, fand ich das Ende des Captains. Der erkennt, daß er einen Fehler gemacht hat, diesen durch Sprengung des Computers bereinigt, und dabei selbst sein Leben lassen muß. Was in seinem Fall vielleicht besser ist. Für Rafes Seelenheil ist es sicher besser ...
    Aber, erinnert ein wenig an Moses und das Gelobte Land, das er nicht sehen darf. Obwohl Darkover wohl weit davon entfernt ist.


    Auch der Epilog gefällt mir, wo wir kurz sehen, wie es sich entwickelt hat. Camilla und Rafe zusammen und doch nicht, weil er so oft weg ist. Eine akzeptable Lösung. Wobei es mich schon interessieren würde, welche anderen Frauen Kinder von ihm haben. Und wer der unbekannte Vater von dem einen von Camilla ist.
    Und was ist aus Judy geworden, wenn ihre Tochter bei Rafe und Camilla lebt?
    Und ganz zum Ende. Wer nennt Darkover eigentlich Darkover? Ein sehr schöner Name übrigens.
    Zu den Monden, mal sehen, ob ich die Namen noch weiß:


    Und, ebenfalls am Ende und nicht unbedeutend: die blauen Steine.


    Wenn es wirklich so war, daß sie unfreiwillig zurückgegangen ist, finde ich, hat sie ihre Sache gar nicht schlecht gemacht, um die Anfänge mancher Fäden zu finden.


    Obwohl ich mich immer noch frage, woher eigentlich die Pferde und sonstigen Tiere später kommen ...

  • Leider habe ich das Buch durch... :-( aber es geht ja bald mit der "Herrin der Stürme" weiter :-)


    Camilla hat sich zum Ende ganz schön gewandelt ... und so viele verschiedene Männer (schön als Erklärung die genetischen Gründe...). Das der Captain den Computer sprengt (nachdem die ganze Arbeit gemacht ist) ist schon sehr interessant...


    Den Epilog fand ich sehr gut - da erfährt man, was aus den einzelnen Charakteren geworden ist - und er macht Lust mehr über Darkover zu erfahren...


    Alles in allem ein schönes Buch, eine gute Einstimmung in die anderen Bände. Ich bin neugierig was mich nächste Woche erwartet... :grin

  • woher Pferde und sonstige Viecher die es auch auf der Erde gibt kommen, darüber hab ich auch schon nachgedacht. Entweder die Siedler hatten doch einige dabei die sie auch auf Coronis als Nutztiere gebraucht hätten, oder sie waren einfach zu faul sich neue Bezeichnungen auszudenken und haben einem pferdähnlichen, darkovanischen Etwas einfach auch als "Pferd" betitelt.... ich glaube letztere Erklärung auch in mal von MZB selbst gelesen zu haben.
    Edit: Unlogisch wäre dann aber wieder das Chervines, Chervines heissen, und nicht Hirsch.... :gruebel




    Thema Pater Valentine:



    mich würde interessieren wo die Menschen dann im Allgemeinen die Sternensteine herhatten. Wurden die einfach so gefunden, oder kamen noch mehr chieri die welche hergeschenkt haben... Fragen über Fragen :-]

  • Zitat

    Original von Maharet
    mich würde interessieren wo die Menschen dann im Allgemeinen die Sternensteine herhatten. Wurden die einfach so gefunden, oder kamen noch mehr chieri die welche hergeschenkt haben... Fragen über Fragen :-]


    Da Rafe am Ende welche findet, ist das offenbar auch eine Möglichkeit. Wobei die Chieri ihnen dann wohl offenbar beibringen, wie man sie verwendet.


    Zu den Pferden und sonstigen Tieren, tun wir halt so, als hätten die Siedler welche dabeigehabt. Das hat sie wohl übersehen. Und Falken, naja. Man sollte nicht zu viel darüber nachdenken. :grin

  • Siehste ich bin noch nicht ganz durch, evtl. kann man die wirklich irgendwo finden, oder in nem Bergwerk abbauen....
    ich glaube sogar das die Siedler einen Großteil der Matrixtechnologie selbst rausgefunden haben. Spätestens beim Zuchtprogramm hätten sich die Chieri wohl eh ausgeklinkt...


    Naja, vielleicht gab es in den Hellers falkenähnliche Vögel - vermutlich schon, auf einem annährend der Erde ähnlichen Planeten gibt es sicher auch irgendwelche Greifvögel... wage ich jetzt einfach mal zu behaupten :grin

  • Ich meine mich zu erinnern, dass in Herrin der Falken die auch die Unterarten der Falken genannt wurden, 'falkenähnliche Vögel' wären von daher nicht gerade logisch... Kann aber auch sein, dass ich ich irre.


    Die Chieri haben ja schon mit der Zucht an sich Probleme; ich glaub nicht, dass die so was hätten erfinden können.

  • Echt? Ich meine, was von Turmfalken gelesen zu haben... Ich kann mich aber auch irren. Ist schon läger her, seit ich das Buch gelesen hab. Werden wir ja bald sehen :-)

  • Buch gestern Abend durchgelesen.


    Zunächst: mir ist noch nicht so ganz klar, in welcher Zeit die Handlung angesiedelt ist. Mitte 21. Jahrhundert? Das war aber sehr optimistisch im Hinblick auf die Technikentwicklung (das Copyright für das Original stammt von 1972). Ist aber vermutlich eher unwichtig, weil die anderen Bücher m. W. viel später spielen.


    Einige Stellen sind mir besonders aufgefallen, die will ich einfach zitieren.


    Seite 161. “Könnte nicht das, was auf der Erde geistige Gesundheit zu sein scheint, hier nur ... Dummheit sein? (...)“
    Was die Frage impliziert „was ist eigentlich normal“? Gibt es überhaupt etwas „absolut Normales“.


    Seite 165: Ein jedes menschliche Wesen braucht den Glauben an die Güte einer Macht, die es geschaffen hat, ganz gleich, wie sie es nennt, und es braucht ein religiöses oder ethisches System.
    Wieso finde ich ausgerechnet bei MZB eine Definition von Religion, die ich fast unbesehen unterschreiben (und auch ein Joseph Campbell wohl akzeptieren) könnte?


    Seite 169: “Vielleicht kommt der Tag, an dem es wichtig ist zu wissen, wie es funktioniert ... so, wie es funktionieren soll, und nicht, wie die Wissenschaftler wollen, daß es funktioniert.“


    Seite 177. “Komisch, an solche Dinge denkt man eigentlich nie“, sagte Judy. „Die Millionen von Kleinigkeiten, die man braucht, die man immer als selbstverständlich hingenommen hat.“
    Der Gedanke ist mir im Verlaufe des Buches auch ein paar Mal gekommen.


    Seite 178. “Wenn man es hinterfragt“, sagte Judy, „dann stehen alle Wissenschaften in einer Wechselbeziehung ... Obgleich - auf der Erde war alles so spezialisiert, daß wir das aus den Augen verloren haben.“
    Das scheint mir eine recht gute Beschreibung auch unserer Erde zu sein.


    Und noch eine letzte Stelle, Seite 199: Es gibt eine ganze Technologie hier, ein ganzes Erbe, als Gesamtheit für unsere Nachkommen bewahrt. Es wird nicht in meinem oder Morays Leben sein, auch wohl nicht im Leben meiner Kinder. Aber wenn wir über die kleinen Mühen des täglichen Überlebens hinauswachsen, wird das Wissen dasein - das Erbe.
    Auch das für mich ein recht aktueller Bezug, denn das Bewußtsein für kommende Generationen ist einer Gesellschaft, die nur in Quartalsberichten zu denken gewohnt ist, weitgehend abhanden gekommen.


    Ich bin gespannt, was daraus wird, was die Kolonisten aus den vorhandenen Materialien, ihrem Wissen und dem, was sie auf dem Planeten vorfinden, machen. Auch wenn es manche nicht einsehen wollen, muß sich das von der Erde - auch der beschriebenen - sehr unterscheiden. Und es wird interessant sein zu sehen, wie sich eine Zivilisation neu entwickelt, die nicht auf dem Steinzeitniveau beginnt, sondern mir zwar relativ beschränkten Ressourcen, aber großen Wissen startet.


    Auch wenn mir manche Dinge durchaus nicht gefallen (Moray hat das Zeug zu einem Diktator) - bei dem Schiffbruch wäre ich gerne dabei gewesen.



    Jetzt höre ich erst mal auf und lese die anderen Posts.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Grisel hat im ersten Post hier etliche Fragen und Probleme angesprochen, die mir beim Lesen auch gekommen sind. Wegen der Brisanz war ich mir nicht sicher, das hier anzusprechen. Aber wenn es denn schon im Raume steht:


    Zitat

    Original von Grisel
    Ich finde, daß dieses Buch eigentlich eher zum gemütlich gemeinschaftlichen Lesen gedacht ist, als zum wirklichen Diskutieren. Aber hier ergibt sich schon eine sehr kritische Frage, zum Umgang mit Geburten und Säuglingen. Das ist schon starker Tobak für eine Frau unserer Zeit und Gesellschaft, oder generell, für Eltern. Kinder müssen nicht nur geboren, sondern auch empfangen werden. Und was nicht allein lebensfähig ist, soll auch nicht überleben, natürliche Auslese. Der Schritt von hier zu Verbot von Verhütungsmitteln und Abtreibungen ist nicht weit, mit den entsprechenden fatalen Folgen. Das verursacht, neben der Frage, wann ein Säugling "lebenswert" ist, schon Unbehagen.


    Na ja, es steckt schon einiges an Denk- und Diskussionsstoff im Buch. Durchaus ungemütliches. Über die zitierte Problematik bin ich auch gestolpert und habe ein paar Mal geschluckt, als so ganz rational darüber gesprochen wurde, daß es notwendig ist, um das Überleben zu sichern, die Zahl der Menschen sehr schnell auf über 400 zu bringen. Als von einem „Genpool“ gesprochen wurde, von einer Art „Zuchtbücher“, wie sie in Zoos geführt werden, und daß - das schließe ich aus dem Epilog - ohne Rücksicht auf emotionale Bindungen möglichst viele verschiedene Männer und Frauen miteinander Kinder bekommen sollen/müssen.


    Die natürliche Auslese wird hier ins andere Extrem, als wir sie kennen übertrieben. Bei uns herrscht die Meinung, alles was machbar ist, muß auch gemacht werden. Ohne irgendwelche Rücksichten. Hauptsache die Lebenserhaltungsfunktionen laufen weiter. Als mein Vater vor einigen Jahren im Sterben lag und ich als Betreuer die juristische Verantwortung hatte, habe ich ewig lange mit dem Arzt diskutiert, was noch gemacht werden soll und was nicht. Zu der Zeit war hier die Diskussion über Euthanasie / Sterbehilfe akut und ich war extrem verunsichert, ob es juristisch erlaubt ist, der Natur ihren Lauf zu lassen (was meine Meinung war) oder ob ich beispielsweise einer Amputation des Fußes zustimmen muß, weil akute Durchblutungsstörungen aufgetreten waren. Ich bin von der Beantwortung der Frage glücklicherweise verschont geblieben. Doch an die Konflikte kann ich mich noch gut entsinnen. Das ist für mich das Gegenteil von dem, was hier im Buch steht.


    In beiden Fällen wurde m. E. das gesunde Verhältnis zum Natürlichen verloren. Man sollte anderen Menschen helfen, soweit man kann. Aber ab einem bestimmten Punkt ist es sinnvoll (und m. E. ethisch richtig) „der Natur ihren Lauf zu lassen“ und höchstens noch schmerzstillend tätig zu werden.


    Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich beispielsweise im Umgang mit den Schwachen und Behinderten.


    Abtreibung ist ein sehr vermintes Thema, zu dem ich eine sehr dezidierte Meinung habe. Nur so viel. Anfang und Ende, Definition von Anfang und Ende, des Lebens sollte unter allen Umständen dem Zugriff des Menschen entzogen bleiben. Denn wenn der Mensch entscheidet, welches Leben „lebenswert“ und welches „lebensunwert“ ist, will ich über die Folgen nicht nachdenken.



    Zitat

    Original von Grisel
    Gut hingegen, wenn auch bißchen traurig für Rafe finde ich ihre Unterhaltung mit dem Captain, wo sie sagt, daß sie eigentlich lieber mit ihm leben würde als mit Rafe, da sie sich ähnlicher sind. Offenbar liebt Rafe mehr, als sie ihn.


    Wobei dieses Verhältnis der beiden durch die von mir früher erwähnte „epische Breite“ für mich nur schwer nachvollziehbar ist. Camilla ist für mich glaubwürdiger als Rave.



    Über die Zukunftsaussichten kann ich nicht mit spekulieren, weil das das erste Darkover-Buch war, das ich gelesen habe. Und jetzt höre ich erst mal auf, sonst wird das hier zu lang.


    Allerdings hat bibliocat eine schöne Zusammenfassung geschrieben, der ich mich so anschließen kann:

    Zitat

    Original von bibliocat
    Alles in allem ein schönes Buch, eine gute Einstimmung in die anderen Bände. Ich bin neugierig was mich nächste Woche erwartet...


    :write
    Das Buch war - trotz der Kürze und ein paar Mängeln - richtig schön und ich freue mich auf die nächsten. Gleichzeitig bin ich jedoch froh, daß wir Abstände zwischen den Büchern haben. Nicht daß es mir wie mit den Avalon-Büchern geht, wo ich zu konzentriert mich nur mit einem Thema beschäftigt habe und irgendwann „aus der Kurve geflogen“ bin.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Zunächst: mir ist noch nicht so ganz klar, in welcher Zeit die Handlung angesiedelt ist. Mitte 21. Jahrhundert?


    Ich hatte das auch so verstanden. Stand vielleicht in irgendeinem Klappentext.


    Zitat

    Einige Stellen sind mir besonders aufgefallen, die will ich einfach zitieren.


    Hast ein gutes Auge für interessante Sätze!


    Zitat

    Seite 177. “Komisch, an solche Dinge denkt man eigentlich nie“, sagte Judy. „Die Millionen von Kleinigkeiten, die man braucht, die man immer als selbstverständlich hingenommen hat.“
    Der Gedanke ist mir im Verlaufe des Buches auch ein paar Mal gekommen.


    Das geht mir bei jeder längeren Reise so. Da fallen mir immer noch 1000 Sachen ein, die unbedingt mitgenommen werden müssen.


    Zitat

    Auch wenn mir manche Dinge durchaus nicht gefallen (Moray hat das Zeug zu einem Diktator) - bei dem Schiffbruch wäre ich gerne dabei gewesen.


    Fand ich bei Moray überhaupt nicht. Er war ja derjenige, die für den Aufbau der eigentlich geplanten Kolonie verantwortlich hätte sein sollen. Von daher war es sein Job, alles zu überwachen. Aber mir ist er niemals tyrannisch erschienen. Dessen hat ihn nur der Captain beschuldigt, der seine eigene Macht schwinden gesehen hat.


    Diese ganzen Gedanken zu Leben und "wertvoll" und vor allem so haarigen Themen wie Abtreibung sollte man in diesem Rahmen - wenn überhaupt - vielleicht wirklich nicht vertiefen, höchstens als Denkansatz nehmen. Faszinierend. Und das in so einem Buch.


    Zu Camilla und Rafe:

    Zitat

    Wobei dieses Verhältnis der beiden durch die von mir früher erwähnte „epische Breite“ für mich nur schwer nachvollziehbar ist. Camilla ist für mich glaubwürdiger als Rave.


    Interessant, geht mir auch genau umgekehrt. Er ist für mich schon als Figur sehr viel greifbarer als sie. Aber auch im Verhalten ihr gegenüber. Er fühlt sich offenbar von Anfang an von ihr angezogen und dann kommt zur erotischen Spannung die Liebe hinzu. Sie aber scheint mir nicht ganz zu wissen, was sie will. Und ich lese zwischen den Zeilen, daß es eigentlich gar nicht Rafe ist, den sie will. Daß sie ihn schon gern hat, aber daß es ihr wichtiger ist, von ihm geliebt zu werden, als selbst zu lieben.


    Tja, man muß offenbar keine Dunnett lesen, um festzustellen, daß jeder ein komplett anderes Buch liest. :grin