Änderungsschneiderei Los Milagros - Maria Cecilia Barbetta

  • Änderungsschneiderei Los Milagros
    Maria Cecilia Barbetta
    Verlag S.Fischer
    HC 328 Seiten
    ISBN: 9783596182855


    Über die Autorin:
    Maira Cecilia Barbetta wurde 1972 in Buenos Aires, Argentinien, geboren, wo sie Deutsch als Fremdsprache studierte. Mit einem DAAD-Stipendium kam sie 1996 nach Berlin und blieb. Seit 2005 ist sie freie Autorin, 2007 bekam sie das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste und nahm an der renommierten Prosa des Literarischen Colloquims teil. Änderungsschneiderei Los Milagros ist ihr erster Roman.
    Maira Cecilia Barbetta schreibt auf Deutsch.


    Klappentext:
    Calle Gascón, Buenos Aires: Hier arbeitet die junge Mariana Nalo bei ihrer Tante Milagros. Sie liebt die unzähligen bunten Garne in der Schneiderei und Gerardo, der bis auf drei Postkarten spurlos in die USA verschwunden ist.
    Eines Tages kommt die junge Analia Morán in die Änderungsschneiderei. Sie liebt die vollkommene Symmetrie der Zahlen und Roberto, der sie auf Händen trägt. Für ihre Hochzeit will sie das Hochzeitskleid ihrer Mutter aus wertvoller italienischer Seide ändern lassen.
    Von diesem Augenblick an ist nichts mehr, wie es wahr...
    Maira Cecilia Barbetta erzählt von Liebe, Sehnsucht und enttäuschten Hoffnungen, von Krokodilstränen und echter Verzweiflung. Sie spielt mit den großen lateinamerikanischen Traditionen phantastischen Erzählens und der Telenovela und führt den Leser in eine barocke Wunderkammer, in einen kippbildartigen Raum, der zwischen Realem und Phantastischem oszilliert.


    Meine Rezension:
    Der Klappentext ist schon recht ausführlich, so dass ich nicht mehr viel mehr über die Handlung erzählen brauche. Mehr passiert nämlich auch nicht. Und da ist für mich auch schon das Problem, das ich mit dem Buch hatte: es geht in der Handlung nicht so recht voran. Dazu kommt, dass immer wieder Personen eingeführt werden, die sofort nur noch mit ihrem Vornamen genannt werden und man oft gar nicht mehr so recht weiß, in welcher Beziehung die jetzt eigentlich zum Rest der „Belegschaft“ stehen.
    Das ist schade, weil eigentlich ist das Buch sehr liebevoll gemacht und eins der schönsten Bücher, die ich seit langem in der Hand hatte! Das Papier ist sehr dick und schön glatt. Nach jedem Kapitel folgt ein Bild – mit „Stoffmuster“ betitelt – das zum vorangegangen Kapitel passt. Das kann auch mal ein Stadtplan sein, ein Comic-Bild oder eine Illustration aus einem bekannten Roman von Jules Verne. Zudem ist die Schrift gern mal der Handlung angepasst gesetzt, in Fettdruck oder Schreibschrift (das erinnert mich ein wenig an die Bücher von Walter Moers...). So macht das Lesen richtig Spaß und man freut sich auf jede neue Entdeckung.
    Der Schreibstil gefällt mir recht gut – die Autorin geht mit der Sprache sehr gekonnt um, schafft neue Wortverbindungen und lässt das Kopfkino laufen. Immer wieder findet man Anspielungen, zB auf Alice im Wunderland, den schon erwähnten Jules Verne, Wonder Woman...
    Trotzdem kann ich leider nicht volle Punktzahl vergeben, weil mich das Buch nicht so recht fesseln konnte und und mir die Personen bis zum Schluss nicht so recht nah gekommen sind. Mir ist es einfach nicht gelungen, mich in diese Personen hinein zu versetzen. Vielleicht hätte sich die Autorin im ersten Buch etwas mehr auf die Handlung selbst konzentrieren sollen, weniger um das ganze drumherum!


    Schade, die künstlerische Gestaltung des Buchs hätte meiner Meinung nach mehr verdient!

  • Das Buch hatte ich auch mal angelesen, weil ich den Umschlag schon so ansprechend fand. Die Aufmachung des Buches ist wirklich wunder-wunderschön, aber ich kam auch nicht so recht rein und habe beschlossen, daß ich die falsche Person für dieses Buch bin. Schade, allein von der Aufmachung her hing ich nämlich schon echt am :angel.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • ging mir genauso Batty, und ich hab wirklich mit mir gerungen, was ich nun eigentlich schreibe. ich hoffe, dass sich noch ein paar mehr Meinungen zu dem Buch finden. irgendwann zweifelt man ja fast an sich selbst - ein so schönes Buch kann doch eigentlich nicht schlecht sein :cry

  • Ich schleiche schon so lange um dieses Buch, es ist schon ewig in meinem Amazon-Einkaufswagen, dann wieder runter auf die Merkliste, zurück in den Einkaufswagen ... *seufz*... ich weiß nicht, ich weiß nicht.


    Danke Queedin für Deine Rezi. ;-)

  • Ich zitiere mich aus dem "Ich habe abgebrochen ..."-Thread:


    Zitat

    [i]
    Nachdem ich mich bis Seite 100 gekämpft habe, steht nun definitiv fest, dass dieses Buch und ich keine Freunde mehr werden. Das ist sehr schade, weil mir die Aufmachung sehr gefällt. Korrespondierend mit der Geschichte werden zahlreiche "Stoffmuster": Zeichnungen, Photographien, kurze wissenschaftliche Exkurse, Landkarten ... eingestreut, eine sehr originelle und hübsche Idee, die mich leider nicht über den seltsamen, distanzierten und weitschweifigen Erzählstil hinwegtrösten konnte. Ich wurde mit den Figuren und ihrer Geschichte einfach nicht warm, obwohl ich mir Mühe gegeben habe ...
    Optisch ein Schmuckstück, inhaltlich und stilistisch leider nicht mein Fall.

  • Ich habe mir auch überlegt, ob unsere Schwierigkeiten, in das Buch wirklich reinzufinden, möglicherweise auch daran liegen, daß die Autorin das Buch auf deutsch geschrieben hat, was ja nicht ihre Muttersprache ist. :gruebel

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • den Gedanken hatte ich auch schon ein wenig. am Anfang hatte ich ja auch überlegt, ob es an einer schlechten Übersetzung liegen könnte, bis ich gelesen habe, dass das Buch in deutsch geschrieben wurde.


    andererseits hat mir die Sprache selbst ziemlich gut gefalllen.


    mir blieben die Personen aber viel zu fremd, sie waren mir fast egal. zum Schluss hin habe ich auch den überblick über die vielen Namen verloren - es wurde ja nicht mehr erwähnt, wer mit wem wie in Beziehung steht.

  • Ich habe dieses Buch soeben zu Ende gelesen und bin überaus erstaunt über die Rückmeldungen hier im Forum zu diesem absolut einzigartigen Werk!


    Weil mir das Lesen dieses Buches sehr viel Freude gemacht hat, möchte ich hier unbedingt eine Gegenstimme posten, sodass der ein oder andere Leser diesem Buch vielleicht doch noch eine Chance gibt?!


    Irgendwo habe ich mal gelesen, dass "Änderungsschneiderei Los Milagros" so etwas sei wie die literarische " fabelhafte Welt der Amelie " - meiner Meinung nach passt dieser Vergleich wie Faust aufs Auge. Wer den Film um Amelie mochte, wird auch dieses Buch lieben!


    Beide Hauptdarstellerinnen im Film wie im Buch erleben die Welt ein bisschen anders wie der Durchschnittsmensch! Das Buch ist das Gegenteil einer raschen-flachen Lektüre! Für mich ein Behalte-und Geschenke-Buch für gute Freunde!


    GRÜSSE
    savanna

  • hmmmm, "Die Fabelhafte Welt der Amelie" ist einer meiner Lieblingsfilme und trotzdem kam ich mit dem Buch nicht zurecht. aber es gibt ja nunmal unterschiedliche Geschmäcker!


    Übrigens liest die Autorin im Januar in Berlin (am 21. Januar in der Akademie der Künste). Mal schauen, ob ich es einrichten kann, dort hinzugehen (ich befürchte aber, dass das nicht klappt). Das würde mich schon sehr interessieren

  • Änderungsschneiderei Los Milagros
    María Cecilia Barbetta, 2008

    S. Fischer; ISBN:978-3596182855


    The Caterpillar and Alice looked at each other for some time in silence.


    María Cecilia Barbetta, eine Argentinierin, die auf deutsch schreibt, hat mit "Änderungsschneiderei Los Milagros" ein überwältigendes Buch vorgelegt. Metaphorisch, überbordend, teilweise abdriftend in imaginäre oder rückblickende Sequenzen und die Form immer weiter ausreizend liegt es da, ein wenig selbstgefällig fast in seiner Stilverspieltheit.
    Doch nicht nur die sprachlichen Treppchenbauten, einspaltig ratternden Schreibmaschinen und Doppelpunktparallelen zeigen die Wichtigkeit der Form, auch die immer wieder eingefügten Bilder und "Stoffmuster" am Ende jedes Kapitels - mal Text, mal Schmetterling, mal Anleitung zum Knotenbinden - zeigen den Versuch, ein Gesamtkunstwerk zu schaffen. Zu Teilen ist es gelungen, man kann sich dem Stil nicht verschließen, der manchmal ein wenig träumerisch, aber immer auf eine ganz eigene Art über den Inhalt dominiert.


    'What do you mean by that?' said the Caterpillar sternly. 'Explain yourself!'


    Im Klappentext wird darauf hingewiesen, dass das Buch Elemente der Telenovela mit literarisch phantastischer Erzählkunst vereint. Und tatsächlich ist der Inhalt, auf den ersten Blick und über lange Strecken, nicht viel mehr als das, was einem im Fernsehen immer wieder begegnet. Es geht um Liebe, traditionelle Rollenbilder, Machismo, Freundschaft, Sehnsucht, Enttäuschung, Verlust und nochmals Liebe: In der Änderungsschneiderei, dort wo bei viel zu heißem Tee, Garnchaos und munteren Gesprächen die Welt noch in Ordnung ist, arbeiten Tante Milagros, ihre Nichte Mariana und das Zwillingspärchen ElviraErnesta, die einzigen Streitereien drehen sich um Stecknadelkopffarben.
    Nur der Liebeskummer von Mariana, Hauptfigur und romantisch-sensibler Träumerin, die Sehnsucht nach dem bis auf drei Postkarten verschollenen und verklärten Angebeteten, dem Halbwegsstudenten Gerardo, überschattet die Glückseligkeit.
    Noch dazu kommt, dass die neue Kundin Analía sich ein Hochzeitskleid ändern lassen möchte, bald ist die Hochzeit mit ihrem Roberto. Hochzeit, das war der Traum, das Traumgespinst, dem Mariana hinterherjagte. Sie stürzt sich in die Arbeit. Die beiden freunden sich an - es gibt so viele Parallelen zwischen ihnen. Zu viele.
    Aber die Form dominiert den Inhalt, unterdrückt und verdreht ihn. Das mindert Barbettas sprachliches Können nicht, aber es ist schade. Szenen ziehen vorüber aber lassen sich nicht immer einordnen, manchmal muss man häufiger hinschauen, manchmal bringt auch das nichts, Zeiten und Perspektiven wirbeln spielerisch durcheinander. Die Gedanken des Leser wirbeln mit. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, das Buch beiseitezulegen.


    'Come back!' the Caterpillar called after her. 'I've something important to say!'
    This sounded promising, certainly: Alice turned and came back again.


    Aber dazu war es mir zu schade mit all seinen atmosphärischen Passagen, der Mühe, die sich mit Sprache und Gestaltung gegeben wurde. Es gibt viele Bezüge, Wiederholungen, intertextuelle Anspielungen - auch auf Alice im Wunderland, das ich hier (wenn auch aus anderen Szene) zitiere - die immer wieder den Vergleich zur beschriebenen Änderungsschneiderei nahelegen: das Buch ist ein kleines Wunderkabinett, in dem es viel zu entdecken gibt. Immer wieder ist die Handlung durchbrochen von naturwissenschaftlichen Kurzausführungen und Abweichungen, Gedanken, Spielereien, die den Leser erfreuen und verführen, ein wenig wie ein Flickenteppich. Barbetta zeichnet sich durch ein Sprachreichtum und Wortspielereien aus, die Muttersprachler übertrumpfen, es ist ein Vergnügen zu lesen. Wenn nur der Inhalt nicht hinter der Form zurückstehen müsste... Aber tut er das wirklich?


    'You'll get used to it in time,' said the Caterpillar; and it put the hookah into its mouth and began smoking again.


    Ich habe also Kapitel manchmal mehrfach gelesen, sacken lassen, zurückgeblättert. Zuerst war ich über eine lange Strecke völlig ratlos, wie sich alles zusammenfügen könnte. Roberto und Analía, Gerardo und Mariana, die Liebe, der Tod und die Küchenschaben... Ich habe mich längere Zeit halb ratlos nur am schönen Stil des Buches entlanghangeln können, schön geschilderten Augenblicken. Dann kam langsam die Erleuchtung, die Erkenntnis der eingewobenen Verbindungen. Das Buch offenbarte im Lauf der Kapitel, dass mehr in ihm steckte als Telenovela, parallele Punktreihen gaben plötzlich einen weiteren Sinn. Meine Vermutungen wurden von letzten Kapiteln bestätigt, aber leider so zusammengeführt, dass wieder vieles Rätsel war. Viel erschließt sich tatsächlich, doch einige Puzzlestücke - und ich meine nicht das Bermudadreieck in den USA, das mich besonders entzückte - lassen sich nicht einfügen, sondern bleiben nur Fragmente.


    Alice remained looking thoughtfully at the mushroom for a minute, trying to make out which were the two sides of it; and as it was perfectly round, she found this a very difficult question.


    Ich weiß nicht ganz, wie alles zusammenhängt. Doch ich habe für mich beschlossen, dass ich das auch gar nicht muss. Mir reicht es vorerst, noch ein wenig staunend wie Alice (wenn auch distanzierter) auf das Geschehen zu blicken. Das Buch zu ungewöhnlich, als dass ich ihm nicht verzeihen möchte. Vielleicht geht mir ein Licht auf, wenn ich es nochmal lese, sicherlich werde ich aber wieder meine Freude an der schönen Gestaltung, Barbettas Sprachwitz, ihren entzückenden Figuren und ihrem fragmenthaften Blick auf die Welt haben. Gleichwohl wünsche ich mir für das nächste Werk ein wenig mehr inhaltliche Kohärenz und weniger Sprachschwelgerei... Ich werde es sicher lesen.


    9/10 Punkten


    :wave bartimaeus


    Sämtliche Zitate aus Lewis Carrolls "Alice's Adventures in Wonderland" nach http://www.cs.cmu.edu/~rgs/alice-table.html

  • Also ich habe am Samstag das Buch angefangen und gestern wieder weggelegt. Da habe ich mir wohl ein Buch gekauft was mich mich erreicht. Mich hat das Buch total angesprochen und das ich daneben gegriffen habe das passiert mir jetzt zum zweiten Mal in diesem Jahr.


    Schade für mich. :schlaeger