Peter Camenzind - Hermann Hesse

  • Peter Camenzind - Hermann Hesse


    Inhalt
    Peter Camenzind wächst in ländlicher Umgebung in einfachen Familienverhältnissen auf. Er interessiert sich schon von Kindesbeinen an mehr für die Natur als für körperliche Arbeit, obwohl es ihm an Kraft nicht fehlen würde.
    Als junger Mann studiert er zwar, schreibt aber nebenbei für eine Zeitung verschiedene Artikel und kann davon bald seinen Lebensunterhalt bestreiten.
    Sein Jugendfreund Richard, eine italienische Malerin, eine große unerfüllte Liebe aus gutem Hause, einfache Handwerkersleute und deren kranker Verwandter begleiten ihn durch sein Leben, bis er schließlich wieder in seinem Elternhause ankommt, wo ihn, wie es den Anschein hat, eine bescheidene Existenz erwartet.


    Meine Meinung
    Ansonst eine große Hesse-Verehrerin, hat mich dieser Roman ziemlich enttäuscht.
    Mir war dieser Peter Camenzind von Anfang bis Ende nicht recht sympathisch. Vor allem hatte er einige seltsame Bekanntschaften. Wenn ein junger Mann verliebt ist, könnte man doch wohl ein wenig mehr Einsatzfreude erwarten. Statt sich um eine eigene Familie zu bemühen, lebt er immer nur in anderen Familien mit. Gar nicht verstanden habe ich, was er an dem Verwandten der Handwerkersleute fand, sodaß er sogar mit ihm eine gemeinsame Wohnung bezog. Leider verrät der Autor nichs von den großen Lebensweisheiten, an denen Camenzind angeblich teilhaben durfte.

    Was der Meister seinen Lesern mit diesem Werke sagen wollte, habe ich nicht richtig durchschaut. Dass große Pläne meist doch wieder in weniger großen enden? Dass sich die meisten Menschen doch mit einem bescheidenen Glück begnügen müssen? Dass die Natur letztlich befriedigender ist als der Umgang mit Menschen?


    Der Stil hat mich außerdem an Goethes "Werther" erinnert. Für mich war das alles in allem kein gelungenes Werk. Mir war die Geschichte einfach zu künstlich.


    Habe die richtige ISBN eingetragen, LG milla :wave

  • Interessant, mal wieder von diesem Roman zu hören.


    Da Peter Camenzind Hesses erster Roman war, hatte ich nicht unbedingt die Erwartungshaltung, dass er zu seinen großen Romanen gehören muss und fand das Buch eigentlich ganz gut. Peter Camenzind war wahrscheinlich ein Alter Ego des Autoren, wobei er aus Erfahrungen seiner Jugend schöpfte.


    Aber natürlich kommt der Roman wirklich nicht ganz ran an Steppenwolf, Unterm Rad oder Demian.

  • Ich habe Camenzind vor einiger Zeit auch gelesen.
    Es war mein erster Hesse-Roman, so dass ich keine bestimmten Erwartungshaltungen mitgebracht habe, sondern einfach ganz frisch und unbelastet an die Lektüre gegangen bin.


    Und ich muss sagen, ich fand ihn toll! Ein traurig-melancholischer Grundton, ein etwas verschrobener Protagonist und ein herrliches Naturerlebnis. Für mich eine sehr gelungene Mischung, die irgendwie die Nicht-Bedeutsamkeit der menschlichen Existenz hervorhebt.


    ...und beim nächsten Mal lese ich dann eines der "großen" Werke, zum Vergleich :grin

    Unser Unglück erreicht erst dann seinen Tiefpunkt, wenn die in greifbare Nähe gerückte praktische Möglichkeit des Glücks erblickt worden ist. (Michel Houellebecq, Elementarteilchen)

  • Mein Fehler war wahrscheinlich der, dass ich Hesses großartige Werke zuerst gelesen habe und dann vom Beginn seines literarischen Schaffens etwas enttäuscht war.
    Sogar bei den Könnern ihres Faches gilt wohl, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist.

  • Wie gut, dass nicht alle Klassiker der Weltliteratur "dicke Schinken" sind... Ich habe spontan zu diesem Büchlein gegriffen, da ich zwischen zwei Rezensionsexemplaren stecke - wovon das eine noch nicht angekommen ist. Und was soll ich sagen - ich bin überrascht, begeistert, angetan, berührt. Ich mag gar nicht glauben, dass dies das erste (!) veröffentliche Werk von Hesse gewesen sein soll. Denn es ist in sich schon völlig schlüssig, sowohl von Aussage, Stil und Absicht her. Noch dazu hat es eine ganz eigene Frische, einen jugendlichen Witz, der manchen späteren Werken von Hesse abgeht.


    Doch der Reihe nach. Dieser Text, den ich mich irgendwie scheue, "Roman" zu nennen, bewegt sich stilistisch auf einem ganz eigenen Gebiet, und man merkt von Anfang an, auch wenn man Hesse noch nicht kennen sollte, dass hier ein Schriftsteller versucht, seine eigene Stimme zu finden, sich nicht irgendwelchen gängigen Strömungen anzupassen. Wie Hesse ja selber später bestätigte, steht der "Peter Camenzind" im Großen und Ganzen für ihn selber, für seine Ansichten über Kunst und Künstler.


    Ich würde das Buch irgendwo zwischen "Entwicklungsroman", Lebensbeichte und Novelle ansiedeln. Denn von allen dreien hat es Charakterzüge. Es ist durchgehend geschrieben in der ersten Person, von Peter Camenzind selber, der sein Leben im Rückblick beschreibt. Doch wird dabei nicht ganz klar, an wen er sich eigentlich richtet. Oft hat man das Gefühl, da säße ein unsichtbarer Gesprächspartner, da sich Camenzind oft auch rechtfertigt, entschuldigt, sich selbst zu deuten versucht. Gleichzeitig rafft er aber auch an manchen Stellen, sagt, dies sei nun nicht so wichtig, oder solle ein andermal erzählt werden. Dann wiederum gibt es wundervoll ausschweifende Passagen der Naturbeschreibung, oder der schicksalhaften Deutung von Ereignissen oder Charakteren. Und schließlich redet Camenzind die ganze Zeit davon, dass er eigentlich eine "große Dichtung" verfassen wolle - sollte damit genau DIESES Buch gemeint sein? Doch man erfährt es nicht. Das ganze Buch verbleibt in einer Art kunstvollen Schwebe, und das verleiht ihm einen eigenen Reiz.


    Es ist in acht Abschnitte aufgeteilt, was auch inhaltlich sehr logisch ist. Jeder Abschnitt ist einem bestimmten Entwicklungsschritt gewidmet, den Peter Camenzind zu gehen hatte. Oft, ja meist ist dies mit seelischem Ringen, mit Schmerzen verbunden - aber aus nahezu jedem Erleben kann Peter etwas Lehrreiches schöpfen, immer nimmt er etwas Neues in seinen nächsten Lebensabschnitt mit. Da ist die Kindheit in der ländlichen Schweiz - hier hat er eine erste Ahnung davon, dass es ihn nach "mehr" zieht. Wundervoll beschrieben, wie es gerade der Anblick der Natur ist, der ihm die Augen öffnet! Danach folgen Schul- und Studienzeit, erste unglückliche Lieben, Schicksalsschläge, beginnende Trunksucht, Berufsleben als Journalist, Erlebnisse mit der gehobenen (und leider oberflächlichen und versnobten) Gesellschaft, bis hin zu den Wander- und Freundschaftsjahren sowie der letztendlichen Rückkehr in die Heimat. Der Kreis schließt sich, obwohl das nicht geplant war. Das Ende bleibt angenehm offen, da die Erzählung endet, bevor Peter sich entschieden hat, ob er nun den alten Dorfgasthof übernehmen soll oder nicht...


    Es sind zwar "nur" 150 Seiten, doch man fühlt sich, als habe man sein halbes Leben an der Seite Peter Camenzinds verbracht. Diese Sprache, dieser Stil sind so gehaltvoll, so inhaltsreich, wie man es sonst selten bei Schriftstellern erlebt. Erst recht nicht in Erstlingswerken! Und noch dazu werden Themenkreise behandelt, die man bei einem so jungen Schriftsteller nicht vermutet hätte. Diverse Dinge sind mir sehr im Gedächtnis geblieben. Peter Camenzind hat einen sehr scharfen Blick für seine Mitmenschen, und in teils wirklich drolligen und komischen Passagen beschreibt er Marotten und Eigenheiten . Sehr lebendig wurde mir auch die damalige Schriftsteller- und Künstler-Szene , und hier geizte er nun wirklich nicht mit manch bissigen Kommentaren. Was Peter Camenzind zum Thema "Freundschaft" zu sagen hat, gehört mit zum Schönsten, was ich je gelesen habe! Auch und gerade die Freundschaft unter Männern wird hier rehabilititert. Was Liebe anrichten kann, wissen wir alle - doch was einem vor allem unerfüllte Liebe an Lektionen zu erteilen hat, das macht uns Peter Camenzind mehr als deutlich. Und schließlich hat mich an diesem Buch die Haltung zu Tod und Sterben sehr beeindruckt. Mehr als eine Person muss Peter Camenzind bis zum Grabe begleiten, doch alles erfüllt ihn mit einer Art stillen Heiterkeit. Der Tod schreckt ihn nicht, vielmehr findet er zu einer tröstlichen Gesamthaltung dem Leben gegenüber, in der auch der Tod seinen Platz hat.


    Dennoch würde ich dieses Buch nicht uneingeschränkt jedem Leser empfehlen. Man sollte vermutlich schon eine gewisse Reife und Lebenserfahrung mitbringen, sonst findet man sich in diesem Buch nicht wieder. Man sollte ein eher gemächlicher Leser sein, der sich auch an beschreibungsreicher Sprache ergötzen kann. Und man sollte Erfahrung mit etlichen Formen von Kurzprosa haben, wie eben Novellen und Kurzgeschichten. Dann wird man sich diesem Buch sicher herzlich zugetan fühlen.

  • Peter Camenzind – Hermann Hesse


    Mein Eindruck:
    Als ich Hermann Hesses Roman vor kurzen nach Jahren noch einmal wieder gelesen habe, hat er mir genauso gut gefallen wie früher. Natürlich ist dieser Erstling literarisch noch nicht auf dem literarischen Niveau wie Hesses bekannte Romane, doch viele seiner wichtigen Themen sind hier schon im Ansatz erkennbar. Stilistisch ist das Buch eher schlicht gehalten, dafür lässt es sich auch leicht lesen.
    Eine Spur Knut Hamsun, eine Prise früher Thomas Mann (Tonio Kröger) ist erkennbar. Natürlich war Hesse nicht beeinflusst, eher zeigt es, dass gewisse Themen eine ganze Schriftstellergeneration bewegte. Dazu gehört die Suche nach seiner Identität zwischen bürgerlichen und künstlerischen Leben
    Hermann Hesse zeigt das Leben von Peter Camenzind über einen längeren Zeitraum. Peter Camenzind ist ein früher Steppenwolf, doch ohne dessen Verbitterung. Ein angehender Schriftsteller, der sich noch nicht komplett gefunden hat. Während es bei Camenzind so aussieht, als würde sich das dichterische Leben nicht erfüllen, dauerte es bei Hermann Hesse nicht so lange wie bei seinem Protagonisten um schriftstellerische Erfolge zu feiern.

  • Dem muss man wohl Rechnung tragen, dass es ein frühes Werk ist. Aber Du beschreibst das sehr treffend, ein früher Steppenwolf ohne dessen Verbitterung, der Vergleich gefällt mir.
    Und auch, dass man bedenken sollte, dass Hesse sich noch nicht sicher sein konnte, wie seine schriftstellerische Karriere verlaufen würde. Die eigene Unsicherheit findet sich in seinem Protagonisten wieder.
    Eine schöne, und vor allem für das Verständnis hilfreiche Rezension, danke!

  • Und so habe ich dieses Buch nach 3 Jahren noch einmal gelesen und was soll ich sagen, es hat mir diesmal wesentlich besser gefallen.
    Ich habe für den Peter Camenzind und seine Suche nach dem rechten Weg diesmal viel mehr Verständnis gehabt und auch seine Heimkehr konnte ich voll und ganz begrüßen. Vielleicht deshalb, weil es mir selber unterdessen auch so ergangen ist.