'Wer bin ich - und wenn ja wie viele?' - Seiten 209 - 239

  • Hallo Zusammen...


    ...ich weiß, dass ich momentan ein wenig vorne weg renne, aber ich habe irgendwie Lust weiter zu lesen und möchte meine Gedanken doch gerne Abschnittsweise aufschreiben, ohne zuviel miteinander zu vermischen.


    Also fühlt euch bitte nicht gehetzt. :bruell


    Ich finde die Gedanken von Precht in diesen Kapiteln sehr interessant und wunder mich ein bischen, dass sie mir noch nicht so gekommen sind und dass das Thema so auch kaum (für mich noch nie) in der Öffentlichkeit diskutiert wurde.


    Ich glaube der Zentrale Punkt ist das Mitgefühl! :knuddel


    Mit einem Menschen aus meiner nächsten Umgebung, mit ähnlichem geistigen und gleichem kulturellem Hintergrund, der die gleiche Sprache (gleich gut) spricht und bestenfalls noch das gleiche Geschlecht hat, kann ich leicht eine Verbindung aufbauen - ich kann sehr leicht mit ihm mitfühlen.


    Wenn dieser Mensch jetzt aus einer anderen Kultur stammt wird es (trotz das er vieleicht noch meine Sprache spricht) schon schwerer und umso fremdartiger mir diese Kultur erscheint, weil ich vieleicht noch nie damit in Kontakt gekommen bin, desto schwerer fällt es mir mich noch komplett in ihn reinversetzten zu können. :pille


    Wenn dieser Mensch jetzt nicht mal mehr meine Sprache spricht oder ich ihn sogar nur aus einem Fernseh - oder Radiobericht her kenne...
    ...wie schwer ist es wohl dann noch echtes Mitgefühl empfinden zu können.


    Und jetzt kommt der Schritt von Precht - wie schwer ist dies bei einem Tier, das uns vieleicht noch recht ähnlich ist und wie schwer bei einem das mit unseren Verhaltensweisen fast keine Übereinstimmungen mehr hat?


    Wie schwer bei einem Insekt oder gar einer Pflanze?


    Ich glaube - wie schon bei der Abtreibungsgeschichte - das man niemanden rechtlich Mitgefühl verordnen kann! Jeder Mensch hat die Möglichkeit Mitgefühl auszuüben und jeder Mensch wird dies auf eine ganz individuelle Weise auch tun - und in dieser Hinsicht sich selbst weiterentwickeln.
    Für diese Entwicklung gute Voraussetztungen zu schaffen und Menschen generell dabei behilflich zu sein, halte ich für einen erstrebenswerten Weg.


    Wenn dies geschieht, wird sich das Verhältnis von Mensch zu Mensch, Mensch zu Tier und Mensch zu Pflanze automatisch verändern - hin zu einem größerem Mitgefühl und Verständnis.


    In diesem Sinne hoffe ich das ihr mit mir mitfühlen könnt und versteht, dass ich mich bei diesem miesen Wetter in eine warme, gemütliche Ecke zum weiterlesen zurückziehen werde... :lesend


    Bis bald (würde mich freuen mehr von eueren Meinungen zu lesen - meine kenne ich ja schon)... :winkt

  • Zu den 3 Themen:
    Dürfen wir Tiere essen?
    Wie sollen wir mit Menschenaffen umgehen?
    Warum sollen wir die Natur schützen?


    Wir dürfen Tiere und deren Produkte essen. Warum nicht, der Mensch ist nun einmal ein Allesfresser. Das hat aber nichts mit Massentierhaltung, quälenden Transporten und ähnlichem zu tun.
    Müssen wir in dem Umfang Fleisch essen, wie wir es tun? Nein, denn das hat etwas mit dem Status aus unserer Geschichte zu tun: Nur Reiche konnten sich regelmäßig Fleisch leisten. Und wer will heute schon zu tun Nichtreichen zählen?
    Würden der Mensch sich Fleisch verbieten, da Tiere leiden, müsste er auch alle Raubtiere abschaffen.
    Es gibt dafür kein allgemeingültiges Ver- oder Gebot, sondern es bleibt jedem selbst überlassen, wie er sich entscheidet. Nur sollte der eine Teil das missionieren des anderen einfach unterlassen.


    Auch bei dem Umgang mit Menschenaffen sollte der Mensch seine Gefühle erst einmal auf seine Mitmenschen richten, bevor er darüber nachdenkt. Verwunderlicherweise gibt es jede Menge Tierschutzvereine in diesem unseren Lande, aber von einem Menschenschutzverein habe ich bisher noch nichts gehört. Das ist für mich ein Thema für Menschen, die scheinbar nichts besseres zu tun haben. Das heißt nicht, das ich für unnötige Tierversuche bin.


    Der Mensch sollte die Natur schützen, da er sich sonst seine eigene Lebensgrundlage abschafft.
    Spätestens mit der Gründung von größeren Siedlungen hat sich für mich der Mensch aus der Evolution verabschiedet. Denn seit dieser Zeit hat er sich in seinem Menschsein nicht weiterentwickelt, sondern steht immer noch auf der Stufe von vor 10.000 Jahren. Was er allerdings getan hat, um zu überleben, ist, seine Umgebung seinen Bedürfnissen anzupassen.
    Damit hat er für sich ein erhebliches Problem geschaffen. Zum überwiegenden Teil funktioniert er immer noch wie zur Steinzeit, nur die von ihm geschaffene Umgebung hat damit überhaupt nichts mehr zu tun. (Meine Empfehlung: das sehr interessante Buch „Mammutjäger in der Metro“).
    Daher fehlt es dem Mensch auch an der Einsicht seines Tuns.
    Damit wird er sich irgendwann selbst eliminieren und zu der Vielzahl der ausgestorbenen Arten zählen, die er heute so emsig erforscht.


    Übrigens ist das menschliche Verhalten nicht mit dem Bibelspruch „Macht euch die Erde untertan“ zu entschuldigen, denn auch Herrscher haben eine Sorgfaltspflicht ihren Untertanen gegenüber, sonst könnte eine Revolution ihre Herrschaft plötzlich beenden, wie die Geschichte zeigt.


    Was möglich wäre zeigt H. G. Wells in seinem Roman „Menschen, Götter gleich“


    meint Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Zitat

    Würden der Mensch sich Fleisch verbieten, da Tiere leiden, müsste er auch alle Raubtiere abschaffen.



    Der Mensch (zumindest in den Überflussgesellschaften unserer Industrienationen) hat aber gegenüber den Raubtieren eine Wahl und eine Wahlfreiheit.


    Es leiden im Übrigen nicht nur Tiere unter dem übermäßigen Fleischkonsum der Industrienationen, sondern auch Menschen.
    Diese Hungern nämlich in den sogenanten "dritte Welt Ländern", weil sie durch einen übermäßigen Getreideanbau (vorwiegend Soja) ihre Exportbilanz retten wollen und damit unsere Zucht- und Mastbetriebe mit Futtermitteln versorgen.


    Zynischer Weise haben die aber dort dann selbst nicht genug zu essen...


    Aber auch das ist nur ein Teil des ganzen Ausmaßes...
    ...jedenfalls gibt es weit mehr Gründe auf Fleisch zu verzichten als Mitgefühl für Tiere zu empfinden (auch wenn das nicht der schlechteste ist).


  • Da kann ich Dir nur zustimmen! Ich fand den Anfang des Kapitels sehr beängstigend - aus dieser Sicht hatte ich die Dinge noch nicht gesehen.
    Aber der Mansch ist ein Allesfresser. Deswegen auf Fleisch und Milchprodukte zu verzichten (und auf Hühnereier) finde ich schon sehr extrem.
    Besonders schön finde ich den Satz:

    Zitat

    Original von dyke


    Nur sollte der eine Teil das missionieren des anderen einfach unterlassen.
    meint Dyke

  • Ich mag missionierer auch nicht; ich weiss, dass grosstierhaltung von der energiebilanz her desaströs ist, und hab trotzdem gern käse und milchprodukte, und ohne tierhaltung spielt's das nicht.


    Meinereiner ist geschmacksvegetarier, schon seit frühester kindheit. (Vielleicht bin ich als kleinkind mal auf eine verdorbene babynahrung mit faschiertem gestossen, aber das muss sehr früh gewesen sein, denn ich hab die hipp-gläser mit fleisch meinen eltern schon als baby zurück ins gesicht gespuckt)


    Ich finde fleisch, das nicht von fischen (und am besten vom lachs und roh ist), einfach scheusslich: es riecht grauslig, es fühlt sich grauslig an, es kaut sich grauslig, es schmeckt grauslig, kurz gesagt: es IST grauslig...


    Und noch schlimmer ist, dass leute, die überwiegend fleisch essen, auch seltsam riechen - obwohl ich zugeben muss, dass fast alle meine übermässig fleischessenden bekannten gleichzeitig auch rauchen, und ich nicht nachvollziehen kann, was genau diese seltsame körperduftnote 'angebranntes aas/schlechtes fett' erzeugt.
    Vielleicht ist es die mischung: beim geruch von geräucherten fleischwaren ist's ganz aus, und das ekelgefühl dehnt sich sogar auf räucherkäse aus.


    Im winter kann man packerlmilch und auch milchprodukte wie joghurt und sauermilch meisst ugschaugt in den abfluss giessen: sie riechen nach faulem gras; einige 'frische' eier - wie auch manche eierteigwaren - haben auch saison-unabhängig einen extrem widerlichen geruch, nach altem fisch, hühnerkot etc, und das kann ich absolut nicht leiden.


    Da ich obendrein lange lieferzeiten und lagerzeiten auch bei fisch nicht mag, denn das zeug beginnt innerhalb kürzester zeit so seltsam zu riechen, bin ich im winter darob überwiegend fischesser, und im sommer milchtrinker.


    Was länger als drei tage tot ist, gehört verbrannt oder eingescharrt: ein nachmittag im kühlschrank reicht völlig aus, und das aas riecht bereits nach fäulnis...


    Meine vernichtungsrate beträgt:
    ca 25 Fische/Jahr - mehr als die hälfte davon Lachse, der rest Forellen
    1-2 Hühner
    der rest ist hemmungsloser massenmord an unschuldigen und wehrlosen - und zumeist sogar ungeborenen pflanzen...

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • So, jetzt habe ich auch die anschließenden 2 Kapitel gelesen.
    Kanza und Koko fand ich sehr interessant - mir war nicht bewusst, daß Menschenaffen sich in "unserer Sprache" verständigen können. Aber bei einer DNA-Gleichheit von 98,4% ist das nachvollziehbar. Schön auch die Worte, die Koko benutzt, wenn sie sich ärgert: Toilette Teufel!


    Am schönsten jedoch fand ich den Satz im Kapitel der Wale: "So gesehen ist Homo sapiens,....., eine Naturkatastrophe unter vielen vorausgegangenen anderen." (Seite 235)


    Wie wahr! :gruebel

  • Ja, bei "Toilette Teufel" und der süssen umschreibung vom tod hab ich mich gefragt, ob ihr das vielleicht die pfleger einmal erzählt haben, und sie das eine tolle idee fand, die sie sich merken sollte oder ob die tatsächlich von selber drauf kam... wenn man so als affensprechtrainer unterwegs ist, muss man furchtbar aufpassen, dass man nicht beginnt, zuviel an kultur zu verbreiten
    die idee der 'cosy cave good-bye' ist bereits religion
    aber das tiger-pferd ist wirklich gelungen :lache


    Aus meiner Humanethologie-vorlesung kannte ich die sprechenden affen schon: eines der bonobo-mädchen sagte auch noch: "dirty monkey!" als ihr ein männlicher zooschimpanse nachkreischte, und auf die frage wovor sie angst hätte "krokodil", obwohl grad keines in der nähe war.


    Das walkapitel ist toll, ich mag diese monströsen viecher :-] und hab mir im TV, das ich nur für besondere anlässe einschalte, auch gleich die reise der buckelwale von Hawaii nach Alaska verfolgt; mir hat am anfang des kapitels schon unter den fressfeinden der gemeine Norweger und der gemeine Japaner als zoologische spezies gefallen... :chen

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Ich bin hier noch im ersten Kapitel und mußte zunächst an eines der anderen Werke von Precht denken, das die Heidenreich letztlich groß anpries, welches ich aber noch nich gelesen habe. (Siehe unten)


    Dürfen wir Tiere essen?
    Schwierige Frage, ich selbst war als junges Mädchen eine Zeit lang Vegetarierin, habe mich von Gemüse und anderem ernährt und halt einfach das Fleisch weggelassen.
    Das ging ganz gut, bis ich eine immer größer werdende absurde Lust auf Currywurst bekam. Ich hielt diese ständig präsente Lust auf Currywurst genau 6 Monate lang durch, dann schmiß es mich. Ich stürmte wie eine Wilde in eine Pommesbude und bestellte nicht eine, nicht zwei, sondern 3 Currywürste, welche ich restlos verspeiste. Danach war das Thema Vegetarier im wahrsten Sinne des Wortes gegessen.
    Ja, ich finde es nicht gut, daß wir Menschen, Tiere so behandeln, wie wir sie behandeln, ich bin gegen Tierquälerei, Tierversuche und schlechte Schlachtviehhaltung.
    Aber ich muß gestehen, ich habe da eine etwas resignierte Haltung eingenommen. Meine Verweigerung tut doch niemandem weh. Fällt es dem Großbauern, der seine Kälber in schlechten Transportern mit zu wenig Platz und zu wenig Wasser transportiert auf, wenn ich auf mein Kalbsschnitzel verzichte?
    Nein!
    Ich bin auch nicht so missionarisch begabt, daß ich Massen von Menschen dazu missionieren könnte mit mir zu verzichten, um etwas zu bewegen.
    Also suche ich, wie für mich üblich, den gesunden Mittelweg oder auch den einfachsten.
    Ich kaufe Fleisch beim Metzger nebenan, der sein Schlachtvieh vom Bauern neben an bekommt. Milchprodukte kaufe ich größtenteils im Bioladen ( www.herrriester.de ) und rede mir ein, damit dazu beizutragen, daß Tiere, die zum Verzehr bestimmt sind, besser behandelt werden. Ob das so ist, kann ich nicht beurteilen.
    Ob es ein Tier weniger schmerzt, wenn es gekeult wird, als wenn es von einem Krokodil gerissen wird, mag ich auch nicht beurteilen.
    Die Frage ist schwierig, weil sie so absurd ist. Precht selbst schreibt, Krokodile, Löwen und andere Raubtiere machen sich keine Gedanken, ob sie ein Tier fressen dürfen, sie tun es weil sie es müssen.
    Ich als Mensch mit einem Denkapperat und einem Magen ausgestattet, der auch anders könnte, sollte also intelligent handeln und auf Fleisch verzichten.
    Mit dieser Angabe könnte ich mich noch anfreunden, würde dieser Verzicht denn tatsächlich zu einer veränderung in unserem Lebensmittelsystem führen.
    Mit seiner weiteren Argumentation löst er bei mir dann doch unwilliges Kopfschütteln aus.
    Auf Gemüse und Obst verzichten, weil der Salat vielleicht Schmerzen hat, wenn man ihn ißt? Wie stellt er sich das vor? Wovon sollen wir leben? Soll man auf das Leben verzichten, nur weil man sich nicht über andere Dinge stellen will, indem man sie ißt?
    Ich kann nicht mehr folgen, geschweige denn verstehen... :gruebel


    Das Kapitel über die Menschenaffen finde ich zwar hochinteressant, bin aber auch der Meinung, daß er sich da etwas verrennt.
    Mag die menschliche Arroganz sein, die da aus mir spricht, aber ich weiß nicht, ob wir da wirklich keine Trennlinie mehr ziehen brauchen, zwischen zivilisierten Völkern und Menschenaffen... Irgendwie drängt sich mir der Gedanke auf, daß es wichtigere Dinge gibt, für die es sich zu kämpfen lohnen würde.
    Der Fall Koko war mir übrigens nicht bekannt, sehr interessant und faszinierend :gruebel