Kurzbeschreibung (amazon):
Die Frauen lieben Adam, weil er ihnen Kleider schneidert, die sie schön und begehrenswert machen. Adam liebt schöne Frauen. Wenn sie erst seine Kleider tragen, begehrt er sie alle, und abgesehen davon liebt er Evelyn. Die ertappt ihn eines heißen Augusttages 1989 in flagranti mit einem seiner Geschöpfe. Statt mit Adam fährt Evelyn gemeinsam mit einer Freundin und deren Westcousin nach Ungarn an den Balaton. Adam setzt sich mit seinem alten Wartburg dem roten Passat auf die Spur. Für Evelyn würde er bis ans Ende der Welt fahren - und vielleicht muss er das auch, denn Ungarn will die Grenze gen Westen öffnen. Plötzlich ist die verbotene Frucht greifbar, und alle müssen sich entscheiden. In der Ausnahmesituation jenes Spätsommers 1989, dem Schwebezustand plötzlicher Wahlfreiheit, entdeckt Ingo Schulze die menschliche Urgeschichte von Verbot und Verlockung, Liebe und Erkenntnis und nicht zuletzt der Sehnsucht nach dem Paradies. Doch wo ist das zu finden? In der Verheißung des Westens, der Ungebundenheit eines endlosen Feriensommers am Plattensee oder doch im vertrauten Amtsstubenduft einer frisch geöffneten Brotkapsel und dem eigenen Garten? Im Spiel mit dem biblischen Mythos von Adam und Eva gelingt Ingo Schulze eine grandiose Tragikomödie. Mit seinem ironisch gebrochenen Begriff vom Sündenfall findet er eine Chiffre für den Eintritt in unsere heutige Welt.
Über den Autor (amazon):
Ingo Schulze wurde 1962 in Dresden geboren, studierte klassische Philologie in Jena und arbeitete in Altenburg als Schauspieldramaturg und Zeitungsredakteur. Seit 1993 lebt er in Berlin. Bereits sein erstes Buch 33 Augenblicke des Glücks (1995) wurde vielfach ausgezeichnet. Für Simple Stories (1998) erhielt er den Berliner Literaturpreis mit der Johannes-Bobrowski-Medaille. 2005 erschien sein großer Roman Neue Leben, für den er in diesem Jahr mit dem Premio Grinzane Cavour geehrt wurde. Für seinen Erzählungsband Handy (2007) bekam er den Preis der Leipziger Buchmesse. Ingo Schulze ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtkunst. Seine Bücher wurden in 27 Sprachen übersetzt.
Meine Meinung:
„Adam und Evelyn“ erzählt die Geschichte eines Paares aus dem Osten, gefangen im Alltagstrott. Es fühlt sich nicht unwohl. Evelyn kellnert, nach dem ihr der Studienplatz für Kunstgeschichte mehrere Male verwehrt wurde. Adam näht Damen ihr Wunschkleid auf den Leib. Doch zu seinem Pech interessierte er sich nicht nur für Stoffe die seine Kundinnen tragen, sondern ebenso für das was darunter verborgen liegt.
Unvermeidlich also, dass ihn Evelyn eines Tages erwischt, Seine Kundin Lilli steht im Bad, mit heruntergelassenen Kleidern, er selbst zusammengekauert hinter der Badezimmertür. Lilli ist selbst nicht einmal eine herausragende Schönheit, auch ihr Gewicht ist überhöht. Führt man sich diese Konstellation, dieses Zusammentreffen im Bad vor Augen, erhascht man einen Einblick in den Humor und den Esprit der die Tragikomödie „Adam und Evelyn“ von Ingo Schulze so köstlich macht.
Ein für Evelyn natürlich unhaltbarer Zustand. Sie zieht Konsequenzen – und fährt erst einmal in Urlaub. Sehr zu Adams Ärger mit Freundin Simone und Michael, Simones Cousin aus dem Westen. Richtung Ungarn, an den Balaton, zu deutsch: Plattensee.
Doch Adam liebt nun mal seine Evelyn, und für ihn ist es deswegen ganz klar, dass er sich hinter das Steuer seines Wartburgs Baujahr 61 zwängt und ebenfalls aufs Gaspedal drückt. Viele verschiedene kleine Ausschnitte aus dieser „Verfolgungsjagd“ lassen wieder den Geist dieses Buches aufblitzen, der auf unbekümmerte, ja fast unschuldige Art, die Angst des Verlustes einer Person, und die Angst vor der Fremde beschreibt.
Am Balaton angekommen, und bei einer befreundeten Familie untergebracht, Adam hat sich natürlich auch „eingeschmuggelt“, öffnet Ungarn plötzlich die Grenze. Der verbotene Westen, der soviel Glück und Unbeschwertheit verspricht, scheint zum Greifen nah. Doch was ist wirklich vom "Westen" zu halten?
Ist es nicht daheim, im Netz des eingefahrenen Alltagstrott, schöner, verspricht dieser doch Sicherheit. Oder soll man den großen Schritt wagen, ein neues Leben anzufangen, weil es ja nur dieses eine Leben gibt.
Adams Hartnäckigkeit verleitet zum Schmunzeln und zum Nachdenken. Genauso wie das Handeln der übrigen Protagonisten. Adam beim Versuch zu „beobachten“ eine Dame übe die Grenze zu schmuggeln, eingepfercht im Kofferraum, mit einer Schildkröte die ihr Gesellschaft leistet, ist nur einer dieser Momente.
Verlockung und Verrat, Liebe und vermeintlicher Hass liegen in diesem Buch eng aneinander, Seite an Seite. Verwebt mit dem Spielgarn des biblischen Mythos von Adam und Eva schuf Ingo Schulze einen schönen, einen spritzigen, einen frechen und bei all dem doch auch einen etwas melancholischen Roman.
Der Stil kommt leicht gewöhnungsbedürftig daher. Eben aufgrund der Tatsache, dass Schulze sein Buch fast nur mit Dialogen füllt, diese sich dann auch gerne mal über ein paar Seiten erstrecken. Dabei sinkt leicht die Aufmerksamkeit, doch gerade das ist schade, denn viele versteckte Anmerkungen müssen zwischen den Zeilen entdeckt werden.
Trotzdem ein tolles Buch und nicht umsonst Shortlist Titel des Deutschen Buchpreises 2008.